Herzschlag Freiburg
Händler nehmen Belebung der City selbst in die Hand
Freiburg. Ihre Herzen schlagen für Freiburg: Gemeinsam engagieren neun traditionelle Einzelhandelsgeschäfte sich dafür, ihre Stadt als attraktiven Einkaufsstandort zu erhalten. Bettenfachhändlerin Henrike Beck hat das Projekt maßgeblich angeschoben.Eine idyllische Altstadt, mildes Klima, hohe Lebensqualität - Freiburg ist ein echter Sehnsuchtsort. Auch als Shoppingziel hat die 230.000 Einwohner-Stadt viel zu bieten. Und doch: Auch an der Breisgau-Metropole geht die Krisenstimmung, die sich seit Jahren in vielen europäischen Innenstädten ausbreitet, nicht spurlos vorüber. "Sinkende Frequenzen, die Veränderung des Einkaufsverhaltens und die zunehmend schwierige Frage der Erreichbarkeit haben uns gezeigt, dass es an der Zeit ist zu handeln - und zwar gemeinsam", erinnert sich Henrike Beck, die in vierter Generation das Familienunternehmen Stiegeler Schlafkomfort führt. "Was wir brauchen, ist eine vitale Innenstadt und die schaffen wir nicht als Einzelne, sondern nur zusammen."
Vor diesem Hintergrund gründete die Freiburgerin vor knapp zweieinhalb Jahren mit acht anderen alteingesessenen Handelsunternehmen der Stadt, darunter ein Modehaus, ein Geschäft für hochwertige Haushaltswaren und Wohnaccessoires, ein Schuhaus und eine Parfümerie, die Initiative "Herzschlag Freiburg". "Einerseits wollen wir - vor allem der Politik gegenüber - das Bewusstsein für die negative Entwicklung in der Innenstadt schärfen", beschreibt Henrike Beck. Andererseits will die Initiative mit gezielten Aktionen, sozialen und kulturellen Projekten eine Revitalisierung der City bewirken.
"Unser Ziel ist es, die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu verbessern und uns für eine gute Erreichbarkeit einzusetzen, um langfristig die Frequenz und die Umsätze zu steigern", fasst die Händlerin zusammen. Dabei gehe es um mehr als reines Stadtmarketing. "Für die Lokalpolitik und die Tourismusförderung ist Herzschlag Freiburg mittlerweile ein ernst zu nehmender Sparringspartner."
Zwar gelinge es nicht, alle Wünsche umzusetzen. Eine Erhöhung der Parkgebühren, die für einen Frequenzrückgang potentieller Kunden aus dem Umland sorge, habe man beispielsweise nicht verhindern können. Der Initiative gelinge es jedoch, alle Innenstadtakteure - vom Handel über die Politik bis hin zu den Immobilienbesitzern und dem Bürgerverein - an einen Tisch zu bekommen. "Die Veränderungen betreffen uns alle, deshalb sollten wir sie auch gemeinsam angehen", erklärt Henrike Beck. Zu der Runde zählt die Fachhändlerin natürlich auch die etablierte Werbegemeinschaft "ZFriburg in der Stadt". "Wir sehen und nicht als Konkurrenten, sondern als Ergänzung." Schließlich zähle unterm Strich für alle dasselbe: Die Freiburger Innenstadt als Kommunikations- und Handelszentrum lebendig zu halten.
Die Kooperation innerhalb der Herzschlag-Initiative habe von Anfang an erstaunlich gut geklappt. Im Sinne der gemeinsamen Ziele sei jedoch klar gewesen, dass ein offener Umgang miteinander unabdingbar sei. "Das war ein spannender Prozess, mit dem wir die Voraussetzungen für eine konstruktive Zusammenarbeit geschaffen haben." Und die trägt Früchte in Form zahlreicher Maßnahmen. Dazu gehören branchenübergreifende Kundenevents in den teilnehmenden Häusern. Zudem vertreiben alle Händler die Herzschlag-Produkte, die von der stylishen Filzeinkaufstasche bis zum Regenschirm mit Logo der Initiative bedruckt sind. "Wir ergänzen und empfehlen uns gegenseitig", erklärt Henrike Beck. So sollen zugleich Bestandskunden gepflegt und Neukunden gewonnen werden.
Im Herbst 2019 fand erstmals die "Start-up Connection" statt. In jedem der "Herzschlag Freiburg"-Häuser präsentierten sich über zwei Tage diverse regionale Start-ups mit ihren Produkten zu Themen wie Craft-Beer, Smoothies, Gin, Kaffee- Rösterei, Eis, Kosmetik, Delikatessen, Gesundheit und Fashion. Mit einem eigens dazu gestalteten "Stadtplan" wanderten die Kunden von Geschäft zu Geschäft, angelockt durch kostenlose Aktionen und Gratisproben der Start-ups. So konnten die Händler den Kunden einen Mehrwert bieten und sie mit frischen Ideen überraschen.
Anlässlich des 900-jährigen Stadtjubiläums 2020 spendete die Herzschlag-Gruppe sechs "Ruhe-Inseln", eine Mischung aus Pflanzentrögen und Sitzbänken, die in der Haupteinkaufsstraße aufgestellt wurden. Der ebenfalls für 2020 geschmiedete Plan, eine "Museumsnacht" zu etablieren, in der Freiburger Museen die Einzelhandelsflächen für Ausstellungen und Veranstaltungen nutzen, musste Corona-bedingt auf das kommende Jahr verschoben werden. Dann würden sicher auch wieder viele andere Aktionen stattfinden können, ist Henrike Beck optimistisch: "Wir bleiben dran, mit Engagement und Herzblut."
aus
Haustex 10/20
(Handel)