Kleben von chlorfreien Design-Bodenbelägen: Was muss der Verleger beachten?
Chlorfreie Bodenbeläge sorgen aktuell für Unsicherheit beim verlegenden Handwerk. Lassen sich diese Beläge genauso verlegen wie PVC-Designbodenbeläge? Im besten Fall sind die Verlegeeigenschaften und die Belagsrücken identisch, falls nicht, ist eine Reklamation vorprogrammiert. Dr. Norbert Arnold und Thomas Schneider von Uzin geben Tipps, worauf der Verleger achten sollte.Im Zuge der Nachhaltigkeitsdiskussion werden zunehmend Alternativen zu den herkömmlichen PVC-Designbodenbelägen auf neuer Rohstoffbasis angeboten. Zur Abgrenzung gegenüber den PVC-basierten Belägen werden sie mit unterschiedlichen, teilweise stark marketinggetriebenen Begriffen beschrieben und umworben. Exemplarisch seien hier "chlorfrei", "PVC-frei" oder "Vinylboden ohne PVC" genannt. Dies führt selbst bei ausgewiesen Branchenexperten manchmal zu Ratlosigkeit.
Wo die Gemeinsamkeiten dieser Produkte liegen, ist aus diesen Herstellerauslobung leider kaum erkennbar. Praktisch führt dies beim Verleger zu Verunsicherung, wenn er vor der Frage steht, mit welchen Klebstoffen er denn diese neuartigen Bodenbeläge sicher und dauerhaft verlegen soll. Praktische Probleme bei der Verlegung von Bodenbelägen aus dieser Produktgruppe belegen, dass hier eine Orientierungshilfe dringend geboten ist.
Klassifizierung
elastischer Bodenbeläge
Die Einteilung der verschiedenen elastischen Bodenbeläge erfolgt üblicherweise aus Handwerks- und Klebstoffherstellersicht in die folgenden Produktgattungen:
-Linoleum-Bodenbeläge
-Kautschuk-/Elastomer-Bodenbeläge
-PVC- und CV-Bodenbeläge
Als heterogene PVC-Bodenbeläge bilden die Design-Bodenbeläge eine Untergruppe der PVC-/CV-Bodenbeläge. An diesen drei Klassen von elastischen Bodenbelägen orientieren sich üblicherweise auch die Klebstoffhersteller bei der Empfehlung unterschiedlicher Klebstoff-Typen, wobei darüber hinaus die Anwendung als Bahnen bzw. Fliesen/Planken bei der Klebstoffempfehlung eine maßgebliche Rolle spielt. Linoleum und Kautschukbeläge sind per se chlor- bzw. PVC-frei. Hier stellt sich jetzt die Frage, wo die neuen "chlorfreien" Beläge einzuordnen und wie demzufolge die Klebstoffauswahl zu erfolgen hat.
Charakterisierung der
neuartigen chlorfreien Bodenbeläge
Zuallererst gemein ist allen diesen Bodenbelägen, dass sie als Alternative zu den "klassischen" PVC-Designbelägen in Fliesen und Planken angeboten werden - manche werden allerdings zusätzlich auch in Bahnen vermarktet. Die weitere Charakterisierung dieser Produkte erfolgt dann primär über Angaben zu dem, was sie nicht enthalten, nämlich als chlorfrei, PVC-frei, phthalatfrei oder weichmacherfrei. Eine aus technischer Sicht wenig zufriedenstellende Vorgehensweise. Eine Ausnahme bilden hier die Produkte auf PUR-Basis. Sie werden aktiv als PUR-Elastomere beworben, mit all den zugehörigen spezifischen Eigenschaften. Die zugehörige Norm DINEN16776 wurde bereits im September 2016 publiziert.
Ein wesentlicher Beleg für die Nachhaltigkeit dieser Produktgruppe ist die Zertifizierung mit dem Blauen Engel. Für den Verbraucher drückt dieses Siegel in hohem Maße Umweltfreundlichkeit und damit auch Nachhaltigkeit aus. Die Vergabekriterien des RAL-UZ 120 für elastische Bodenbeläge schließen halogenhaltige Verbindungen, wie es PVC nun einmal ist, explizit von der Vergabe des Blauen Engel aus. Ebenso Phthalate als Inhaltsstoffe. Weichmacher sind allerdings zulässig. Für den Klebstoffhersteller kann der Weichmachergehalt bei der Erstellung seiner Klebstoffempfehlung eine wichtige Rolle spielen, weil dann die mechanischen Eigenschaften nicht nur im Kurzzeittest ermittelt werden, sondern auch nach Langzeitlagerung bei erhöhter Temperatur. Dadurch wird der Einfluss einer möglichen Weichmacherwanderung auf die Langzeitbeständigkeit der Verklebung ermittelt.
Die neuartigen elastischen Bodenbeläge verbindet folgende Eigenschaften:
-Sie werden ohne chlorhaltige Verbindungen hergestellt
-Sie sind Phthalat-frei
-Sie enthalten teilweise keine Weichmacher
-Es handelt sich um PUR-basierte Elastomere nach DIN 16776
-Sie basieren auf Thermoplasten unterschiedlicher Zusammensetzung
Für diese zuletzt genannten elastischen Bodenbeläge auf Basis synthetischer Thermoplaste wurde die aktuell gültige Norm DIN EN 14565 im November 2019 publiziert.
Verlegung:
Klebeeigenschaften können abweichen
Was bedeutet dies nun für die Verlegung und insbesondere den einzusetzenden Klebstoff? Die neuartigen chlorfreien Bodenbeläge können aus technischer Sicht als gleichwertige Alternative zu PVC-Designbelägen angesehen werden. Daraus zu schließen, dass damit auch identische Verlegeeigenschaften verbunden sind, kann allerdings fatale Folgen haben. Zwar ist PVC auch ein Thermoplast, die entsprechenden Bindemittel in den chlorfreien thermoplastischen Designbelägen können allerdings zu ganz anderen Klebeeigenschaften führen. Verlegt ein Bodenleger demzufolge einen chlorfreien Belag und verwendet dabei seinen bisher bei PVC-Designbelägen bewährten Klebstoff, so wird dies vielfach gut gehen, kann allerdings auch mit einer bösen Überraschung, sprich einer Reklamation, enden.
Hinzu kommt, dass die Ausführung des Belagsrückens bei der Klebung ebenfalls eine bedeutende Rolle spielt. Auch hier gilt das bereits Gesagte: keine gedankenlose Übertragung der bisherigen Arbeitsweise auf den neuartigen Bodenbelag.
Fazit:
Klebstoffempfehlung einholen
Die chlorfreien Designbeläge sind technisch eine vollwertige Alternative zu den herkömmlichen PVC-Designbelägen. Klebetechnisch können allerdings bisher für PVC bewährte Klebstoffe nicht ungeprüft für alle neuartigen chlorfreien Beläge eingesetzt werden. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der eingesetzten Thermoplast-Stoffgruppen ist eine einfache Übertragung nicht möglich oder ratsam. Hier sollte in jedem Fall die Klebstoffempfehlung des Belagsherstellers befolgt werden. Falls eine solche nicht vorliegt, sollte nur ein Klebstoff eingesetzt werden, für den eine entsprechende Empfehlung des Klebstoffherstellers vorliegt.
Eine Alternative hierzu ist es, auf den Einsatz eines herkömmlichen Klebstoffs für PVC-Designbeläge zu verzichten und stattdessen einen speziell für diese neuartigen chlorfreien Beläge konzipierten Klebstoff zu verwenden. Dadurch wird ein optimales Verlegeergebnis sichergestellt und gleichzeitig werden Fehler und Schäden durch falsche Klebstoffauswahl/-verwechselung ausgeschlossen.
Schlussbemerkung: Worin denn eigentlich die Vorteile in Bezug auf Nachhaltigkeit bei den neuartigen chlorfreien Bodenbelägen liegt, erschließt sich kaum. Auch die Hersteller klassischer PVC-Bodenbeläge heben schließlich die guten ökologischen Eigenschaften ihrer Produkte hervor. Hier wären mehr harte Fakten hilfreich und wünschenswert.
Glossar
Thermoplaste: Kunststoffgruppe, bei der die Einzelbausteine (Monomere) sich zu langen Ketten (Polymeren) zusammenfügen. Zwischen den Ketten besteht keine Verbindung. Bei Auswahl passender Monomerer sind Thermoplaste bei Raumtemperatur elastisch. Bei höheren Temperaturen erweichen sie und lassen sich dann auch verarbeiten und formen. Bei einigen Thermoplasten, die bei Raumtemperatur hart sind, z. B. PVC, wird durch Zusatz von Weichmachern erreicht, dass diese bereits bei Raumtemperatur elastisch werden. In den PVC-freien Bodenbelägen werden u. a. Polyvinylbutyral, Polymethylmethacrylat, Ethylen- und Ethylen/Vinylacetat-Copolymere eingesetzt. Die Herstellerinformationen zu den verwendeten Thermoplasten sind allerdings als eher spärlich zu bezeichnen.
Elastomere: Kunststoffgruppe bei der sich die Einzelbausteine (Monomere) ähnlich wie bei den Thermoplasten zu Ketten verbinden, die allerdings nicht so lang wie in den Thermoplasten sind. Stattdessen werden auch zwischen den Ketten Verbindungen aufgebaut, sodass ein dreidimensionales Netzwerk entsteht. Folglich sind Elastomere bei Raumtemperatur weich, lassen sich allerdings auch bei erhöhter Temperatur nicht mehr aufschmelzen. Für Bodenbeläge eingesetzte Elastomere basieren auf Kautschuk/Gummi, Polyurethan oder Leinöl/Linoleum.
Die Autoren
Dr. Norbert Arnold
Er ist Leiter der
Technischen
Sortimentsentwicklung bei Uzin.
Thomas Schneider
Thomas Schneider ist Leiter der Anwendungstechnik bei Uzin.
aus
FussbodenTechnik 05/20
(Handwerk)