Serie Schall Teil 2 | Trittschall: Es gibt nicht nur Stöckelschuhe

Beim Thema Trittschallschutz denkt man direkt an Geräusche, die durch das Begehen des Bodens entstehen. Viele glauben dabei: "Stöckelschuhe machen den meisten Krach" - also Schuhe ausziehen und das Trittschallproblem ist gelöst. So simpel ist es aber nicht: Die Störwirkung durch Trittschall in benachbarten Räumen ist in großem Maße abhängig von der Fußboden- und ggf. auch der Deckenkonstruktion. So gehen heute vom Stöckelschuh in der Regel kaum noch trittschallrelevante Störwirkungen aus, wohingegen beim "Barfuß" und insbesondere Begehen "mit Socken" extreme Störwirkungen auftreten, mit Frequenzen unterhalb von 100 Herz.

Die Körperschallanregung einer Geschossdecke mit einem Bodensystem kann in den hierzu benachbarten Räumen sehr unterschiedlich einwirken. Der geforderte Trittschallschutz nach den Regelwerken
(i. Allg. nach DIN 4109) deckt nur den Wohnungsbau halbwegs vernünftig ab, wobei tieffrequentes Dröhnen - ein sehr häufig bemängeltes Problem - außer acht gelassen wird. Nach den Regelwerken wird ein sehr guter Trittschallschutz für das Begehen mit Schuhwerk gefordert, der in der Praxis insbesondere bei Fußbodenheizungen nicht erfüllt wird.

Im Wohnungsbau kann das Begehen der Konstruktion ohne "Schuhwerk" zum Problem werden. Es treten typische Resonanzeffekte durch eine derartige Impulsanregung auf, die als "Dröhngeräusche" wahrgenommen werden. Diese sind vergleichbar mit Bass-Lautsprechern aus dem Kino, so wie beispielsweise beim Filmklassiker "Jurassic Park" von 1993. Der Unterschied hierbei ist allerdings der, dass über, neben oder auch unter einem kein Tyrannosaurus Rex umhergeht, sondern ein sehr normaler Mensch oder z. B. auch laufende Kleinkinder (oft noch heftiger wirkend).

Tiefe Frequenzen werden angeregt

Durch den Gang ohne Schuhwerk werden insbesondere die tiefen Frequenzen angeregt und durch die Raumresonanz im Empfangsraum (i. Allg. bei max. l = Wellenlänge /2 ) oder durch die Estrich-Resonanzfrequenz des schwimmenden Estrichs und/oder einer Leichtdecke verstärkt - oftmals auch mit Bauteil-Schalenverformungen, sodass eine leichtere Anregbarkeit durch eine geringe Bedämpfung gegeben ist.

Ein neues Messverfahren soll hier in der Praxis Abhilfe schaffen. Mittels eines genormten Gummiballs sollen derartige Störwirkungen aufgedeckt werden. Im Labor und in Bauwerken hingegen können diese mit Hilfe der "Messnorm" ISO 10140 ermittelt werden. Eine rechtliche Bewertung ist wegen fehlender zulässiger Grenzwerte noch nicht möglich.

In gewerblich genutzten Gebäuden sind noch ganz andere Körperschallanregungen, z. B. durch den Einsatz von Einkaufs- und Hubwagen bis hin zu fallenden Hanteln im Sportstudio, typisch bzw. möglich. Diese Anregungen sind mit dem "normalen" Schallschutznachweis nach DIN 4109 nicht vernünftig abzudecken. Auch die Norm-Messung mit Hammerwerk oder Gummiball stellen diese Art der Anregung nur unzureichend dar.

Die Anforderungen an maximale Störwirkungen aus Betrieben oder Gewerben sind durch die TA-Lärm und praktisch gleichermaßen auch durch die DIN 4109 geregelt. Folgende maximal zulässige A-bewerteten Schalldruckpegel dürfen in fremden schutzbedürftigen Räumen aus Betrieben nicht überschritten werden:

-zur Tagzeit Lr max.: 35 dB(A), LAF,max: max. 45 dB(A)
-zur Nachtzeit Lr max.: 25 dB(A), LAF,max: max. 35 dB(A)

Mit einem normalen Schallschutznachweis - nach DIN 4109 - kann ein Nachweis zur Einhaltung der genannten Richtwerte nicht erfolgen. Hiernach sind praktisch nur der Luft- und Trittschallschutz rechnerisch prognostizierbar. Der Nachweis gelingt nur mittels Messungen unter Einsatz der tatsächlichen Quellen. Natürlich ist es möglich, durch entsprechende Maßnahmen zur Erschütterungs- und Körperschallisolierung sowie durch entsprechende Aufstellungen und räumliche Anordnungen zielgerecht ausreichende Pegelminderungen gegenüber schutzbedürftigen Räumen herzustellen; ggf. muss allerdings auch schon mal nachgerüstet werden. Eine derartige Aufgabe sollte von erfahrenen Ingenieuren gelöst werden, sodass keine nachträglich kaum noch lösbaren Probleme entstehen; die kaum noch lösbaren Probleme werden allerdings - aus mangelnder Erfahrung - nicht selten hergestellt.

Zusammengefasst sind für eine Deckenkonstruktion die in der rechts stehenden Tabelle aufgeführten Körperschallanregungen möglich.

Bei Wohngebäuden, Beherbergungsstätten, Schulen und Krankenhäusern ist das Erfüllen der nach den Regelwerken geforderten bewerteten Norm-Trittschallpegel L’n,w baurechtlich und ggf. auch privatrechtlich ausreichend. Hierbei sind die Empfangspegel, verursacht durch das Normhammerwerk, maßgebend.

Geräusche aus gewerblich genutzten Bereichen, welche auf fremde schutzbedürftige Wohn- oder Arbeitsräume einwirken, können nur zum Teil mit der Anregung durch ein Norm-Hammerwerk - nach den Forderungen der DIN 4109 - bewertet werden. Viele der real auftretenden Geräuschanregungen sind nicht durch künstliche Schallanregungen zu ersetzen, d. h. es sind die tatsächlichen Geräteeinsätze und Arbeitsabläufe in den fremden schutzbedürftigen Wohn- oder Arbeitsräumen zu messen und zu bewerten.

Vielfältige Schallanregungen sind in gewerblich genutzten Räumen die Regel, sodass insbesondere bei Körperschallanregung eine genauere Betrachtung der Konstruktionen mit ihren akustischen Eigenschaften erforderlich ist. Als Beispiel wird hier die Kombination Fitnessstudio und angrenzende Wohnungen, Büros, Hotelzimmer u. ä. betrachtet. Es werden Fitnessgeräte betätigt, welche zwangsläufig - durch die Nutzer - zu impulsartigen Anregungen führen. Hierfür sind normale schwimmende Estrichsysteme und Bodenbeläge nicht geeignet, um einen ausreichenden Körperschallschutz zu den benachbarten Räumen herzustellen. Im Fall von Körperschalleinleitungen durch Sporttreibende sind klassische Fußbodenkonstruktionnen nicht geeignet, um einen ausreichenden Trittschallschutz herzustellen. Wird das Problem bei der Planung und Ausführung nicht betrachtet, so ist der Betrieb aus Gründen des Nachbarschutzes später nicht möglich. Der finanzielle Schaden ist hier enorm und kann - wie in der Praxis oft genug erlebt - Existenzen bedrohen.

Fazit

Bei der Betrachtung von Körperschallanregungen auf Bodenkonstruktionen müssen - bei gewerblichen Anlagen - neben dem üblichen Schallschutznachweis nach DIN 4109 und ggf. Messungen mit dem Normhammerwerk auch die zusätzlich auftretenden Körperschallanregungen jeglicher Art betrachtet werden, um unzulässige Störpegel - A-bewertet und in den einzelnen Terzfrequenzbändern auch unter 100 Hz - betrachtet werden.

Die Bandbreite von Anregungen ist vielfältig, d. h. von Fitnessgeräten bis hin zu einem Hubwagen. Für Planer und Handwerker ist es wichtig, die Anforderungen an die Bodenkonstruktion und den Bodenbelag auch akustisch genau zu bewerten. Insbesondere sind gewerblich genutzte Objekte mit irgendwie angrenzenden schutzbedürftigen Räumen bauakustisch kritisch zu betrachten und die Unterstützung durch entsprechende Fachplaner ist i. d. R. dringend anzuraten.

Wurde für eine entsprechende Nutzung ein ungeeigneter Estrich in einem Objekt eingebaut, sind Verbesserungen durch zusätzliche Bodenbeläge und -aufbauten meistens nicht geeignet, um hier noch eine ausreichende Verbesserung zu erzielen. Hier hilft in der Regel nur noch der Austausch der gesamten Bodenkonstruktion, was leider mit hohen Kosten und anderen misslichen Umständen verbunden ist.

Die Autoren
Alexander Siebel
Dozent für Bauphysik an der FH Aachen, akkreditiertes Labor von Kiwa für den Bereich Bau- und Raumakustik; Ingenieur für Bau- und Raumakustik sowie Immissionsschutz bei der Schall- und Wärmemeßstelle Aachen


Patrick Thomas
Akkreditiertes Labor von Kiwa für den Bereich Bau- und Raumakustik; Ingenieur für Bau- und Raumakustik sowie Immissionsschutz bei der Schall- und Wärmemeßstelle Aachen GmbH
aus FussbodenTechnik 05/20 (Handwerk)