Ein Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage

Die Wirtschaftsprognosen für 2020 sind mittlerweile nicht mehr ganz so düster wie zur Jahresmitte. Eine mögliche Erholung ist allerdings noch mit vielen Fragezeichen versehen. Und die haben nicht nur mit Corona zu tun.

Die einschlägigen Wirtschaftsforschungsinstitute und die Bundesregierung sind einer Meinung: Das Wirtschaftsjahr 2020 wird gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in etwa so schlecht wie 2009. Im Jahr der Finanzkrise verzeichnete Deutschland einen Einbruch des BIP von 5,7 %. Analysen aus dem September 2020 reichen von -5,0 % (Hamburger Weltwirtschaftsinstitut) bis -6,25 % (Institut der deutschen Wirtschaft).

Dabei haben viele Institute und das Bundeswirtschaftsministerium ihre Prognosen in den letzten Wochen verbessert. Für 2021 sind sie durchweg positiv und schwanken zwischen +5,1 % (IFO Institut für Wirtschaftsforschung) und +4,1 % (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung).

Stimmung
hat sich verbessert

In der Wirtschaft selbst verbessert sich die Stimmung ebenfalls. Der IFO Geschäftsklimaindex als einer der wichtigsten Frühindikatoren für die wirtschaftliche Entwicklung ist im August 2020 das dritte Mal in Folge gestiegen. Das Niveau von Anfang 2020 ist aber noch nicht wieder erreicht.

An der positiven Entwicklung hat die Finanzpolitik einen erheblichen Anteil. Die Schuldenbremse ist für 2020 und 2021 aufgehoben. Der Staat pumpt große Mengen an Geld in nahezu alle Bereiche der Wirtschaft, die hörbar genug um Hilfe rufen. Ziel ist die Sicherung der Beschäftigung und damit der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen.

Trotz aller Stützungsmaßnahmen gingen von Januar bis Mai 650.000 Arbeitsplätze verloren. Inzwischen zeigt sich aber eine leichte Erholung. Und die Konjunkturforscher sind sich auch hier weitgehend einig, dass bei den Arbeitslosen zum Jahresende 2020 mit - je nach Prognose - 2,68 (IFO) bis 2,77 Mio. (Institut der deutschen Wirtschaft Köln) niedrigere Zahlen zu erwarten sind als die 2,91 Mio. aus dem Juli. Für 2021 werden derzeit nur geringfügige Verbesserungen erwartet. Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet mit 2,58 Mio. Arbeitslosen, das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung mit 2,85 Mio.

Erholung am Arbeitsmarkt
mit Fragezeichen

Ob der deutsche Arbeitsmarkt am Anfang eines nachhaltigen Erholungsprozesses steht, muss sich aber erst noch zeigen. Trotz verbesserter Geschäftserwartungen stehen noch Entlassungen in einem großen Umfang bevor, die bereits beschlossen, aber noch nicht umgesetzt wurden. Das Auslaufen des Kurzarbeitergeldes oder der ausgesetzten Pflicht zum Stellen eines Insolvenzantrages bei Überschuldung bergen Risiken.

Wie sich der Arbeitsmarkt in Zukunft entwickelt, wird auch davon abhängen, wie (schnell) sich die Struktur der deutschen Wirtschaft verändert. Krisen wie die jetzige beschleunigen solche Entwicklungen in der Regel. Beispiele sind die Automobilindustrie und weite Teile ihrer Zulieferer, die Alternativen zum Verbrennungsmotor entwickeln müssen. Bei der Energieversorgung steht die Ablösung fossiler durch regenerative Quellen bevor. In Gastgewerbe, Tourismus und Eventwirtschaft werden bewährte Geschäftsmodelle derzeit infrage gestellt.
Ein Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage
Foto/Grafik: SN-Verlag
Aktuelle Wirtschaftsprognosen
für Deutschland
Ein Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage
Foto/Grafik: SN-Verlag; Basis: ifo 8/20
Vom Abschwung bis zum Boom
Ein Schaubild des IFO Instituts zeigt die Stimmung in der deutschen Wirtschaft am Zusammenspiel von Geschäftserwartungen und der Beurteilung der aktuellen Geschäftslage. Im Februar wurde die Lage noch als relativ gut beurteilt, aber der Abschwung drohte bereits. Die Erwartungen erreichten im April ihren Tiefpunkt. Seitdem gehen sie stetig nach oben und seit Juni wird auch die aktuelle Geschäftslage als besser beurteilt. Der Wert lag im Juli und August allerdings nur Knapp über null, so dass sich die positive Einschätzung erst noch manifestieren muss.
aus BTH Heimtex 11/20 (Handel)