"Textilien haben eine unglaubliche Gestaltungskraft"


Ilka Teige-Zuzak zählt zu den viel beschäftigten Interior-Stylistinnen in Deutschland. Wir haben mir ihr über ihren Beruf gesprochen und wollten wissen, wie wichtig Wohntextilien für ihre Tätigkeit sind.

BTH Heimtex: Gibt es eine offizielle Berufsbezeichnung für das, was Sie tun?

Ilka Teige-Zuzak: Offiziell bin ich bin Stylistin mit Tätigkeitsschwerpunkt Interieur und Stills. Ich selber würde mich als Interieur-Stylistin bezeichnen, was allerdings kein geschützter Begriff ist. Neben dem Interieur habe ich noch zwei weitere Steckenpferde, nämlich Mode-Stills und Messestände für Möbelhersteller.

BTH Heimtex: Was versteht man unter einem Still?

Teige-Zuzak: Als Stylistin arbeite ich schwerpunktmäßig für Foto- und Filmproduktionen und weniger für das echte Leben. Film übrigens im Sinne von Video, also beispielsweise Imagefilme oder Musikvideos. Ein Still ist in einem solchen Setting der Blick aufs Detail, also der Blick auf den gedeckten Tisch und dort beispielsweise auf die Tasse, das Glas oder die Blumenvase, während das Esszimmer das komplette Interieur ist.

BTH Heimtex: Wer sind Ihre Kunden?

Teige-Zuzak: Die Fotoproduktionen mache ich zum einen im Auftrag von Wohnzeitschriften, zum anderen auch für Hersteller, das heißt für deren Kataloge und/oder Onlineshops. Die Gestaltung von Messeständen erfolgt im Auftrag von Produzenten, in diesem Fall von Möbelherstellern. Das ist etwas anderes, denn das ist dann ein wenig "echtes Leben" für den Zeitraum der Messe.

BTH Heimtex: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Stylistin zu werden?

Teige-Zuzak: Das war eigentlich Zufall. Ursprünglich wollte ich Grafikdesign studieren, habe aber den Numerus Clausus mit meinem Abitur nicht erfüllen können. Zur Überbrückung, das war damals mein Plan, wollte ich eine Ausbildung zur Fotografin absolvieren und musste dafür zuvor ein Praktikum in dem Studio machen. Und dabei habe ich zu meinem großen Glück den Beruf des Stylisten kennen gelernt und war sofort begeistert, denn das war genau das, was ich mir vorgestellt hatte, was mir Spaß machte und wofür ich bis heute brenne. Ich habe mich dann sehr schnell umentschieden - und da war es dann vorbei mit dem Grafikdesign.

BTH Heimtex: Gibt es eine Ausbildung zum Stylisten/zur Stylistin?

Teige-Zuzak: Bei mir war es so, dass ich die praktische Ausbildung in dem Fotostudio gemacht habe und der theoretische, schulische Teil folgte in Form einer Ausbildung zum Schauwerbegestalter. Meine Abschlussprüfung bestand damals darin, ein Fotoset aufzubauen. Also genau das, womit ich mich seitdem beschäftige.

BTH Heimtex: Worin unterscheidet sich Ihre Tätigkeit von der des Interior Designers oder des Raumausstatters?

Teige-Zuzak: Als Stylistin arbeite ich übergreifender, denn ich bleibe ja nicht bei Textilien oder Wand- und Bodenbelägen. Das, was ich mache, geht sehr viel weiter ins Detail, beispielsweise bis hin zur bereits erwähnten Kaffeetasse, die auf dem Tisch steht. Das heißt, es geht immer um die komplette Möblierung. Für die Fotoinszenierung geht es darüber hinaus auch um das Schaffen und Vermitteln von Persönlichkeit, damit der Betrachter, in diesem Fall meistens der Leser, eine Idee davon bekommt, wer in den Räumen lebt.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass ich weitgehend unabhängig von Kollektionen arbeiten kann.

BTH Heimtex: Waren Sie familiär mit Blick auf Ihre Berufswahl vorbelastet?

Teige-Zuzak: Nein, eigentlich nicht. Mein Großvater war Hobbykünstler und von ihm habe ich wahrscheinlich ein wenig die Liebe zum Gestalten geerbt. Mein Vater hingegen war Ingenieur und Mathematiker und das hat bei mir eher dazu geführt, dass ich so etwas wie eine Gegenhaltung eingenommen habe. Ich wollte auf gar keinen Fall theoretisch arbeiten, sondern praktisch.

Das haben meine Eltern auch sehr gefördert und unterstützt. Als Kind und Teenager durfte ich beispielsweise immer auf die Straße, wenn Sperrmüll war. Das war das Größte für mich und damals habe ich bereits angefangen, mein Kinder- und Jugendzimmer ständig umzugestalten.

BTH Heimtex: Haben Sie darüber nachgedacht, Raumausstatterin zu werden?

Teige-Zuzak: Um ehrlich zu sein, nein. Das war mir damals zu festgelegt, zu akkurat und es gab für mich persönlich zu wenig kreativen Spielraum. Ich denke aber, dass sich das zwischenzeitlich geändert hat.

Was die Berufe aber auf jeden Fall verbindet, ist die Liebe zum Wohnen, was für mich ein sehr wichtiger Aspekt ist. Denn wir reden da über den Lebensraum, der uns alle umgibt und ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die Art wie wir wohnen auf jeden Menschen einen enorm großen Einfluss hat.

BTH Heimtex: Wie können wir uns Ihren Arbeitsprozess vom Auftrag bis zur Fertigstellung vorstellen?

Teige-Zuzak: Viele Aufträge kommen über Empfehlungen, ich mache nicht wirklich Werbung im klassischen Sinne für mich. Das sind vielfach über 20 Jahre gewachsene Kontakte, Menschen und Unternehmen, mit denen ich schon lange zusammenarbeite.

Ganz am Anfang eines Auftrages steht ein Briefing, das ich mit dem Kunden, oft auch zusammen mit einer Werbeagentur mache. In diesem Gespräch wird unter anderem der Umfang des Auftrages geklärt, sprich wie viele Fotos gemacht werden sollen. Außerdem wird definiert, was die Zielsetzung des Fotoshootings ist und was wem mit den Bildern vermittelt werden soll.

Im nächsten Schritt mache ich einen Kostenvoranschlag für den geplanten Umfang. Sobald dieser bewilligt ist, beginne ich mit der Ausarbeitung eines Moodboards, um zu zeigen, wie das Ergebnis aussehen könnte. Das ist für mich ein gutes Mittel, um meine Ideen und mein Konzept zu visualisieren.

Danach werden die Termine festgelegt und ich beginne damit, für die Produktionen Accessoires auszuwählen und auszuleihen. Die meisten Produkte und Styling-Accessoires werden für die Fotoshootings tatsächlich ausgeliehen, nur die wenigsten werden eigens gekauft.

BTH Heimtex: Wo leihen Sie sich diese Produkte?

Teige-Zuzak: Das ist je nach Auftrag unterschiedlich. Oft sind es Accessoires, aber häufig auch Möbelstücke. Die leihen wir entweder beim Produzenten direkt aus oder in Verleihgeschäften. Ich habe das Glück, in Hamburg zu leben und zu arbeiten, denn als große Medienstadt verfügt Hamburg über solche Verleihläden, die das als Geschäftsmodell perfektioniert haben. Dort bekommt man für das Shooting immer die passenden Möbel und alle möglichen Produkte und bezahlt für den Einmalgebrauch eine Leihgebühr.

BTH Heimtex: Wie sieht Ihre Arbeit für Wohnzeitschriften aus und worin unterscheidet sich ein Stylingauftrag eines Herstellers von dem eines Magazins?

Teige-Zuzak: Die Zeitschriften geben in der Regel ein konkretes Thema vor und liefern zum Teil auch Inspirationen und Ideen. Ich ergänze das dann und mache mir Gedanken, wie man das Thema innerhalb eines Kostenrahmens für die Leser ansprechend umsetzen kann. Konkret realisiert wird das Ganze am Ende von dem Miniteam Stylist und Fotograf, wobei der Stylist der Ideengeber ist und die Produktauswahl trifft.

BTH Heimtex: Haben Sie bei Ihrer Arbeit kreativen Spielraum oder werden Sie durch das Briefing eingeschränkt?

Teige-Zuzak: Grundsätzlich habe ich einen großen kreativen Spielraum. Aber natürlich gibt es immer mal wieder Dinge, die einschränkend sind. Im Allgemeinen ist mein Setting jedoch frei und offen. Und selbst wenn es Vorgaben gibt, an die ich mich halten soll, nehme ich mir die Freiheit, um im Schaffensprozess - wenn nötig - Alternativen zu entwickeln und Inspirationspunkte zu setzen. Das heißt aber nicht, dass ich Dinge ganz anders mache als es der Auftraggeber sie haben möchte.

Spontaneität heißt das Zauberwort. Es ist eine ganz wesentliche Komponente in meiner Arbeit. Ich finde, dass alles, was im Vorfeld zu sehr geplant und damit zu sehr eingeschränkt wird, im Ergebnis immer etwas steif und distanziert wirkt. Man braucht ohne Frage eine gute Planung, aber man sollte im Sinne des Projektes immer so flexibel sein, die Planung gegebenenfalls auch mal über Bord zu werfen und sich spontan für andere Dinge zu entscheiden. Ich habe im Laufe meines Berufslebens die Erfahrung gemacht, dass das oft die besseren Ergebnisse werden.

BTH Heimtex: Arbeiten Sie für die Shootings lieber in Locations oder in Fotostudios?

Teige-Zuzak: Das hält sich die Waage. Sehr bewährt haben sich sogenannte Tageslichtstudios. Das sind Locations, die die Infrastruktur eines Studios und den Charme einer echten Wohnung haben. Dort können wir beispielsweise bei Bedarf zusätzliche Stellwände oder Kulissen aufbauen. Durch die vorhandene Architektur, etwa in einem Hinterhof-Loft in der Hamburger Schanze, können wir zusätzlich das Tageslicht gut nutzen. Das Tageslichtstudio ist gewissermaßen ein Hybrid aus beidem: Es bietet die Vorteile eines Studios und hat zugleich den originären Charme eines Hauses oder einer Wohnung und alles wirkt sehr echt und authentisch.

BTH Heimtex: Das perfekte Setting für Wohntextilien, richtig?

Teige-Zuzak: Textilien haben eine unglaubliche Gestaltungskraft. Das Tolle an Textilien ist, dass ich in ein und demselben Tageslichtstudio mit Textilien vollkommen unterschiedliche Stilrichtungen und Farbwelten zeigen und locker drei bis vier Welten aufbauen kann, ohne dass irgendjemand merkt, dass ich mich in dem selben Raum bewege.

BTH Heimtex: Haben Sie Lieblingsprodukte?

Teige-Zuzak: Was ich sehr gerne mag, ist der Mix aus Sachen, die es schon lange gibt, mit ganz neuen Dingen. Mir gefällt es nicht so sehr, wenn alles perfektionistisch aus einem Guss ist oder wenn alles zu sehr einem Stil unterworfen ist.

BTH Heimtex: Wie beschreiben Sie Ihre Stylinghandschrift?

Teige-Zuzak: Ich würde meinen Stil als Mix aus Spontaneität und Lässigkeit bezeichnen. Ich habe nicht den einen Signature-Look und es ist nicht so, dass ich eine bestimmte Farb- oder Stilwelt unbedingt in jedes Objekt oder jede Produktion reinbringen muss.

BTH Heimtex: Lassen Sie uns noch einmal über Textilien sprechen. Welchen Stellenwert haben Wohntextilien für Sie in Bezug auf Ihre Arbeit?

Teige-Zuzak: Ganz klar einen sehr hohen. Die Basis beim Einrichten sind aus meiner Sicht Fußboden- und Wandbeläge und Fenster im Raum. Sie definieren den Grundlook. Alles, was ich dann dazu gebe, komplettiert und unterstreicht diesen Look. Dabei sind Textilien ein tolles Gestaltungselement, weil ich damit sehr schnell ganz unterschiedliche Ergebnisse kreieren kann. Da ist es leicht, mal etwas auszutauschen. Wenn ich zum Beispiel ein Sofa in einem schönen warmen Grauton habe, kann ich darauf helle cremefarbene Kissen stylen und das Ganze mit Holz kombinieren. Ich kann den Cremeton aber auch schnell wegräumen und das Ganze mit einem knackigen Akzent, zum Beispiel einem leuchtenden Gelb variieren - und schon sieht das komplette Setting anders aus.

BTH Heimtex: Spielt die Verarbeitung in Ihrer Arbeit eine Rolle? Überlegen Sie, wie ein Bodenbelag aufgebracht oder eine Fensterdekoration genäht wird?

Teige-Zuzak: Ja, das ist durchaus ein Teil meiner Überlegungen. Aber auch da würde ich meinen Schwerpunkt eher im gestalterischen Bereich sehen. Ich überlege zuerst, was am Boden, an der Wand, am Fenster passend wäre: welche Oberfläche, welche Farbigkeit. Danach checke ich die Praktikabilität des einzusetzenden Materials nach dem Prinzip: Was soll und muss das können. Danach mixe ich zunächst einmal frei meine unterschiedliche Farben und Oberflächenstrukturen. Und im Zweifelsfall würde ich dann immer den Fachmann fragen, denn der Austausch mit den unterschiedlichen Gewerken ist mir sehr wichtig.

BTH Heimtex: Gibt es ein Element, das in keinem Raum fehlen darf?

Teige-Zuzak: Ja, das gibt es: Blumen.

BTH Heimtex: Haben Sie so etwas wie ein Traumprojekt?

Teige-Zuzak: Dazu müsste ich eine Zeitreise in die Vergangenheit machen. Ich hätte wahnsinnig gerne das Hearst Castle eingerichtet. Das hat der US-amerikanische Verleger William Hearst in den 1920/30er Jahren in Kalifornien bauen und von der amerikanischen Architektin Julia Morgan ausstatten und einrichten lassen. Sie war dafür weltweit unterwegs und hat beispielsweise Türen in Asien gekauft und Stoffe in Indien weben lassen. Morgan hatte jahrelang Zeit für ihre Arbeit; heute unvorstellbar, wo wir alle termingebunden und -getrieben sind.

BTH Heimtex: Wünschen Sie sich mehr Zeit für Ihre Arbeit?

Teige-Zuzak: Ja, vor allem, wenn es um den echten Wohnraum geht. Für die Fotoinszenierung kann ich simulieren, ich hätte jahrelang Zeit gehabt, den Raum so hinzubekommen wie er jetzt dort gezeigt wird. Für das echte Leben ist es kein gutes Konzept, alles möglichst schnell, perfekt und komplett umzusetzen.

Ich finde, beim Wohnen muss man dem Ganzen Zeit geben, ein Haus, einen Raum wachsen lassen und das Einrichten Stück für Stück umsetzen anstatt die perfekte Komplettlösung zu suchen. Ich bin davon überzeugt, dass das Ergebnis immer besser sein wird.

BTH Heimtex: Welche Rolle spielen Textilien in Ihrem privaten Wohn- und Lebensumfeld?

Teige-Zuzak: Eine sehr große. Wir haben gerade ein neues Haus bezogen und dort sehr viel Teppichboden verlegt. Textilien spielen das Thema Wärme, man kann mit so vielen unterschiedlichen Oberflächen arbeiten. Denn Textilien bieten raue, modulierbare, glatte Oberflächen, Reflektionen oder keine Reflektionen - die Spielmöglichkeiten mit Textilien, Räume zu gestalten und sich einzurichten, sind einfach beispiellos vielseitig.

Die Fragen stellte Michaela Fischer. | michaela.fischer@snfachpresse.de
"Textilien haben eine unglaubliche Gestaltungskraft"
Foto/Grafik: Volker Trost für Bloomon
Immer wieder Textilien als dekorative Elemente, wie hier die Kissen auf einem Foto für einen Online-Blumenshop.
"Textilien haben eine unglaubliche Gestaltungskraft"
Foto/Grafik: Andreas Sibler
Ilka Teige-Zuzak arbeitet als selbständige Stylistin für renommierte Wohnmagazine ebenso wie für Hersteller von Möbeln und Textilien.
"Textilien haben eine unglaubliche Gestaltungskraft"
Foto/Grafik: Wolfgang Zlodej für Kampe 54
Die Auswahl der richtigen Location macht es möglich, über das Foto Räume mit Persönlichkeit zu zeigen.
aus BTH Heimtex 11/20 (Deko, Gardinen, Sonnenschutz)