Betten-Sievers, Hamburg: Mit Videobotschaften gegen die Corona-Krise
Hamburg. Mit einem Facebook-Video sorgte der Hamburger Bettenfachhändler Peter Witthöft zu Beginn des Lockdowns für viel Aufmerksamkeit. Sein Appell: Die Kunden sollten dem Familienbetrieb die Treue halten und nicht ins Netz abwandern. Haustex wollte wissen: Wie geht es Betten-Sievers heute, ein gutes halbes Jahr später?Bitte vergesst uns nicht!" Es war ein emotionaler Appell an die Kundschaft, den Peter Witthöft im März via Facebook in die Welt schickte. Der Lockdown hatte gerade gegriffen, und der Hamburger Bettenfachhändler und seine Frau verstanden die Welt nicht mehr. Siebeneinhalb Minuten sprach Witthöft in die Kamera. Man sah ihm und seiner Familie, die das Unternehmen in Teamarbeit führt, den Schrecken förmlich an. Fast 250 Mal wurde der Beitrag direkt geteilt, tausende Menschen sahen den Film. Es war die Zeit der großen Ratlosigkeit: Wie lange können wir überleben? Das fragte man sich nicht nur bei Betten-Sievers.
Ein halbes Jahr später wirkt das Händler-Ehepaar fröhlich wie eh und je. "Wenn wir keinen Optimismus hätten, wären wir keine guten Unternehmer", ist Peter Witthöft überzeugt. Witthöfts wollen nicht negativ denken und sich auch in schwierigen Zeiten ihren Humor bewahren. Denn: "Der Kunde muss spüren, wofür wir brennen." Dass sie und ihr Team dies nach wie vor tun, daran lassen die Hamburger keinen Zweifel.
Seit 1936 besteht das Familienunternehmen, eine Institution im Stadtteil. Inhaberin ist Witthöfts Frau Ilka. Als sie das Geschäft übernehmen sollte, war ihr wichtig, es nicht alleine zu führen. So kam Peter Witthöft 2002 dazu, nachdem er zuvor erfolgreich in der Immobilienbranche arbeitete. Heute ist Betten-Sievers nach Karstadt das älteste Geschäft in der Osterstraße, der Lebensader des Hamburger Stadtteils Eimsbüttel. "Wenn es uns nicht mehr gibt, hat die Wirtschaft ein Problem", sagt Witthöft - für ihn ist ein Fachgeschäft wie dieses eine Art Seismograph für die gesamte wirtschaftliche Entwicklung im Lande.
Aktuell läuft es gut, wie fast überall in der Branche. Doch Witthöfts bleiben skeptisch. Am 20. April konnte Betten-Sievers wieder öffnen und macht seither gute Geschäfte. "Natürlich ist viel Geld bei den Kunden vorhanden, aber der Knacks wird noch kommen."
Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie stünden erst noch bevor, "damit werden wir in Deutschland noch die kommenden ein, zwei Jahre zu tun haben", ist das Ehepaar überzeugt überzeugt. In der an sich starken Osterstraße würden bereits die ersten Geschäfte aufgeben. "Natürlich sollten wir jetzt den Moment nutzen, wo es so gut läuft, aber er wird nicht ewig anhalten."
Wer das Fachgeschäft betritt, erlebt trotz Corona eine fröhliche Atmosphäre. Es wird viel gelacht bei Betten-Sievers, die Kundenansprache ist herzlich und geerdet. Das spüren die Menschen auch hinter den Masken, und sie spiegeln es zurück. Schon während des Lockdowns hatte viele von ihnen im Geschäft angerufen, um dem Team Rückhalt zu geben - aber auch um zu kaufen. "Die wollten uns einfach etwas Gutes tun", freut sich Witthöft. Das lag sicher auch an dem emotionalen Facebook-Appell.
Das Video war eine spontane Entscheidung, es entstand ohne Plan oder Drehbuch - Witthöft redete einfach drauflos und sprach, wie ihm zumute war. Die Familie plagten Existenzsorgen, aber für ihn war ebenso klar: "Niemand darf von außen bestimmen, dass hier Schluss sein soll." Und so entschieden sich Ilka und Peter Witthöft, den Kunden ins Gewissen zu reden. Es war die Geburtsstunde einer neuen Kundenkommunikation. "Wir wollten den Kontakt halten, ohne weinerlich zu wirken."
Es folgten weitere Filme, die die Kompetenz des Bettenhauses auf fröhliche Weise transportieren. "Wir machen das einfach so, wie wir sind. Das kommt in den Videos auch authentisch rüber", unterstreichen die Witthöfts, die gemeinsam mit ihrem Sohn in den Filmen agieren. Vieles passiert aus dem Bauch heraus. Dann wird einfach eine GoPro aufgestellt, "und oft stimmt es schon beim ersten Take".
Auch einen Podcast haben Peter Witthöft und sein Sohn Pascal (17) gestartet, in dem der Senior dem Junior die Bettenwelt so erklärt, dass der Endkunde auch etwas davon hat. "Peter ist schon lange im Geschäft und hat auf alles eine Antwort. Pascal kann zwar ebenso schnacken wie sein alter Herr, aber er hat auch noch viele Fragen", heißt es hierzu auf der Homepage.
Die Social-Media-Aktivitäten haben ihre eigene Dynamik. Eigentlich habe man sich von Facebook fast schon verabschiedet, erzählt Witthöft. Instagram und das Podcast-Format schienen vielversprechender. Doch mit dem Lockdown und dem Erfolg der Videos dort sei Facebook wieder zu einem wichtigen Kanal geworden. "Das gesprochene Wort wirkt", so Witthöft. Zwar erreicht Betten-Sievers auch über Instagram 1.500 Abonnenten und damit weit mehr als viele vergleichbare Händler. "Aber es ist sehr schwer, dort kommunikativ zu sein", findet der Fachhändler.
In die kommenden Monate blicken Ilka und Peter Witthöft mit gemischten Gefühlen. "Jetzt kommt die dunkle Zeit", fürchten sie und meinen damit nicht allein die Wintermonate. "Die Auswirkungen der Krise werden wir in aller Dramatik Mitte oder Ende 2021 spüren." Ein geplanter Umbau ist vorerst auf Eis gelegt. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Die Witthöfts glauben an ihr Geschäft und an dessen Zukunft, zumal die nächste Generation mit Sohn Pascal, der gerade eine Tischlerlehre absolviert, bereits auf dem Weg ist. Denn: "Wir haben richtig Bock zu arbeiten und Dinge zu verändern."
aus
Haustex 11/20
(Handel)