Kleiner Fehler - Großer Schaden: Estrich "schief" eingebaut
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Die Bauherren bemängelten im vorliegenden Fall die Ebenheit in den Fluren, dadurch kamen die eigentlichen Fehler zum Vorschein.Ein Estrichleger erhielt den Auftrag, einen Zementestrich als Heizestrich in einem gehobenen Einfamilienhaus einzubauen. Die Vorleistungen wie Dämmarbeiten, Heizrohrverlegung wurden bauseits, bzw. durch die Heizungsfirma, erstellt. Nach Inaugenscheinnahme der Vorleistungen begann der Estrichleger mit seiner Arbeit.
Bei dem zweistöckigen Gebäude mit Kellergeschoss handelte es sich um ein Objekt in Massivbauweise mit Stahlbetondecken. Zentral im Gebäude wurden Fertigteiltreppen verbaut, die noch mit einem Belag versehen werden sollen. Nach dem Estricheinbau und entsprechender Wartezeit konnten die Bauherren bereits beim ersten Begehen feststellen, dass der verbaute Estrich "schief" war. Bei der nachfolgenden Überprüfung der besagten Bereiche mittels Richtscheits und Wasserwaage bestätigte sich der Verdacht. Sowohl im Erd- als auch im Obergeschoss war der Estrich an den Treppen sehr stark "verzogen" worden.
Begründung des Estrichlegers hierfür war die Annahme, dass die Fertigteiltreppe 2 cm zu tief eingebaut wurde. Daher habe er, um das Ausgleichen der Treppenstufen zu verhindern, eben den Heizstrich der Treppe angepasst. Da das Vertrauen der Bauherren in den Estrichbetrieb nicht mehr vorhanden war, wurde beratend der Sachverständige hinzugezogen. Er sollte beantworten, inwieweit der Estrich nachgearbeitet werden könne und welche weiteren Fehler vorhanden waren.
Schaden
Unsachgemäße Fugen,
Risse und Unebenheit
Die eigentliche Beauftragung erfolgte aufgrund der vorhandenen Unebenheiten im Estrich. Der erste Ortstermin fand bereits 14 Tage nach dem Estricheinbau statt. An diesem Termin kamen weitere handwerkliche Fehlleistungen an den Estrichen ans Tageslicht.
Bezüglich der Estrichhöhe erklärte der Estrichleger, dass er davon ausging, dass die Fertigteiltreppe mit einem Fliesenbelag in gleicher Dicke wie der geplante Parkettboden belegt werden würde. Hierzu wurde vom Architekten berichtigt, dass die Treppe ebenfalls mit Parkett belegt werde, die Treppenstufen jedoch 2 cm dicker sein werden als der Parkettbelag. Dadurch hätte sich am Übergang vom Estrich zur Treppe ein Höhenversatz von ca. 20 mm ergeben sollen. Diesen glich der Estrichleger aber gutmeinend aus, indem er den Estrich auf eine Länge von 2 m um 2 cm fallen und auf 0 mm auslaufen ließ. Zwangsläufig wurde dadurch die Estrichdicke umliegend zur Treppe gemäß der DIN 18560 deutlich unterschritten.
Obwohl die Baustelle im Sommer ausgeführt wurde und es draußen sowieso schon sehr warm war, war die Temperatur im Gebäude noch um einiges höher. Auf Nachfragen wurde durch den begleitenden Architekten mitgeteilt, dass man bereits mit dem Aufheizen des Estrichs begonnen habe, um Zeit für die Nacharbeiten zu sparen und gleichzeitig überprüfen könne, ob es zur Rissbildung im Estrich komme. Der 14 Tage alte Zementestrich, der mit 40° C Oberflächentemperatur extrem warm war, zeigte mitten im Wohnzimmer eine Spontanfuge (Riss). Zur Überraschung war dieser vorhandene Riss bereits wieder durch den Estrichleger mit Kunstharz verschlossen worden. Der Estrichleger teilte mit, dass er den Riss am Vortag schon verschlossen habe, da ja der Gutachtertermin anstan.
Gemäß sämtlicher Normen und Hinweisblätter der Fachverbände sind Scheinfugen und Risse erst nach Erreichen der Belegreife mit Kunstharz fachgerecht zu verschließen. Hierzu der Auszug aus dem Kommentar zur DIN 18365:
3.1.1 Risse im Untergrund
Risse im Untergrund können verschiedene Ursachen haben. Insbesondere bei einem zementgebundenen Estrich sind diese nach dem Stand der Technik nicht auszuschließen. Durch entsprechende Sanierungsarbeiten können nach dem Erreichen der Belegreife die Risse fachgerecht (kraftschlüssiges Verbinden) mit geeigneten Kunstharzmaterialien geschlossen werden, um die einwandfreie Beschaffenheit des Estrichs in diesem Punkt zu gewährleisten. Danach ist der Estrich in Bezug auf Risse mangelfrei.
Beim Begehen der Flächen fielen dem Sachverständigen die sehr geraden Bewegungsfugen im Objekt auf. Die Überprüfung zeigte einen weiteren Verarbeitungsfehler auf.
In der DIN 18560-2 wird hierzu folgende Regelung getroffen:
Die Herstellung von Fugen ist aus bauphysikalischen Gründen erforderlich. Entsprechend ihrer Funktion haben die Fugen folgende Aufgaben: Bewegungsfugen nehmen Formänderungen des Estrichs in alle Richtungen auf;
BEB 5.2 Hinweise für Fugen in Estrichen
4.2 Bewegungsfugen
Bewegungsfugen werden ausgeführt, um Verformungen bzw. Bewegungen des Estrichs, z. B. infolge Schwindens, Temperatureinwirkung oder Belastung sowohl in waagerechter als auch in senkrechter Richtung zu ermöglichen. Bewegungsfugen sind fluchtgerecht mit der üblichen handwerklichen Genauigkeit anzulegen. Bewegungsfugen sind von der Oberfläche des Estrichs bis auf den tragenden Untergrund oder bis auf die Abdeckung der Dämmschicht auszubilden.
Ursache
Handwerkliche Fehlleistungen
und mangelnde Kommunikation
Die Ursache, der im Bauvorhaben entstandenen Schäden sind größtenteils in der fehlerhaften Ausführung des Estrichlegers begründet. Die verbauten Fugen entsprachen nicht den Regelwerken und waren lediglich optisches Beiwerk. Das Verharzen des Risses wurde deutlich zu früh durchgeführt, da der Estrich noch lange nicht belegreif war. Das vorzeitige Aufheizen mit Vorlauftemperaturen von 55 °C wurde durch den Architekten veranlasst.
Bei üblichen Zementestrichen wird nach den Angaben der Schnittstellenkoordination bei beheizten Fußbodenkonstruktionen erst nach 21 Tagen mit dem Funktionsheizen begonnen. In diesem Fall war bereits nach 15 Tagen die max. Vorlauftemperatur von 55 °C erreicht worden.
Verantwortlichkeit
Estrichleger trägt Großteil der Schuld
In diesem Fall ist die Zuordnung für die Schadensursache sehr eindeutig. Der Planer hat zu früh die Fußbodenheizung in Betrieb genommen, was mitunter zur Rissbildung im Wohnzimmer führte. Die hauptsächliche Verantwortung jedoch lag beim Estrichleger, da dieser eigenmächtig ohne Rücksprache den Estrich um 2 cm verzogen hatte. Bei den Fugen wurden grobe Fehler gemacht, da sie nicht ihre Funktion erfüllen konnten.
Die Fugenprofile wurden lediglich 2 cm tief eingelegt und gemäß DIN 18560-2 über den gesamten Querschnitt verbaut. Dadurch konnte die Funktion als Bewegungsfuge nicht erfüllt werden.
Positiv war, dass sich der Estrichleger einsichtig bezüglich seiner handwerklichen Fehler zeigte und nachbesserte. Nachdem alle Mängel behoben waren, konnte die vertragliche Beschaffenheit des Estrichs durch den Sachverständigen bestätigt und zeitnah mit den Belagsarbeiten begonnen werden.
Georg Kuntner - der Autor
Gutachter Georg Kuntner ist von der HWK Manhheim Rhein-Neckar-Odenwald ö.b.u.v. Sachverständiger für das Estrichlegerhandwerk.
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aus
FussbodenTechnik 03/21
(Handwerk)