Möbel Schaumann, Kassel
"Die Nachfolge muss sich richtig anfühlen"
Kassel. Dass sie einmal in vierter Generation das Kasseler Möbelhaus Schaumann leiten würde, stand für Lena Schaumann lange nicht fest. Heute fühlt sich die 32-Jährige in ihrer Rolle als Geschäftsführerin richtig wohl.Nachfolge ist zu meinem Herzensthema geworden", sagt Möbelhändlerin Lena Schaumann aus Kassel. Und für das möchte sie gerne auch andere potenzielle Nachfolger in Familienbetrieben begeistern: zum Beispiel durch ihren Podcast "Hermann & ich".
Kann ich in die Fußstapfen meines Vaters treten und trotzdem meine eigenen Spuren hinterlassen? Vor allem diese Frage hat Lena Schaumann bei der Entscheidung, ob sie die Nachfolge im Familienbetrieb antreten soll, umgetrieben. "Über 30 Jahre lang hat mein Papa ein solides Unternehmen aufgebaut und war immer mein großes Vorbild", erklärt sie. 1988 übernahm Hermann Schaumann das 1912 gegründete gleichnamige Möbelhaus von seinem Vater und erweiterte es zu einer weiträumig bekannten Adresse in Nordhessen, mit zwei großen Filialen in Kassel und Korbach und 160 Mitarbeitern.
"Ich war sicher, niemals aus dem Schatten meines Vaters heraustreten zu können", erinnert sich Lena Schaumann. Statt ewig die Tochter von zu sein, beschloss sie, lieber ihr eigenes Ding zu machen, studierte BWL und gründete in Berlin "Lumizil", einen Online-Shop für Möbel. "Plötzlich war klar, dass ich mir genau damit eine Expertise aufgebaut hatte, die im Familienunternehmen in Kassel noch fehlte." Die Folge: Lena Schaumann tat doch, was für sie eigentlich längst vom Tisch war, und stieg im April 2019 in die Geschäftsführung des Familienunternehmens ein.
Zwei Jahre später ist die 32-Jährige mehr denn je überzeugt, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. "Aber ich bin noch lange nicht am Ziel", sagt sie. Der Generationswechsel in einem Familienbetrieb sei ein langwieriger Prozess, der hin und wieder auch mit Schmerzen verbunden sei. Rein formal hält der Senior nach wie vor sämtliche Anteile am Unternehmen. Den Posten des Geschäftsführers teilen sich Vater und Tochter, wobei der Verantwortungsbereich der Juniorchefin sukzessive immer größer wird. Ihr jüngerer Bruder, der mittlerweile ebenfalls in den Betrieb eingestiegen ist, kümmert sich um die "Meine Küche GmbH", die ein eigenständiger Bereich in der Schaumann-Gruppe ist.
"Meinem Vater ist es wichtig, dass die Übergabe klar strukturiert ist", beschreibt Lena Schaumann. Trotzdem bringe ein Generationswechsel in einem Familienunternehmen natürlich auch einiges an Konfliktpotenzial mit sich. "Meine Vision von Möbel Schaumann war von Anfang an klar." Dazu gehörten jede Menge Innovationen, die nicht ausnahmslos den väterlichen Beifall fänden. In ihrem ersten Jahr als Geschäftsführerin hat Lena Schaumann beispielsweise das Warenwirtschaftssystem des Möbelhauses komplett umgekrempelt. Das sei nötig gewesen, um den digitalen Wandel zu vollziehen, was von Seiten des Seniorchefs voll unterstützt wurde.
"Ein großer Punkt war für mich auch, einen Kulturwandel zu vollziehen", so Schaumann weiter. In vielen intensiven Mitarbeitergesprächen sei eine neue Grundlage der Zusammenarbeit und eine gemeinsame Vision von Möbel Schaumann erarbeitet worden. Nicht allen habe das gefallen, einige seien gegangen. Nicht zuletzt die herausfordernde Corona-Zeit zeige aber, dass die Rechnung aufgehe. "Rückmeldungen von Kunden bestätigen uns, dass sich die Atmosphäre im Geschäft zum Positiven gewandelt hat."
Ein besonderes Anliegen ist Lena Schaumann schließlich das Thema Nachhaltigkeit. "Wir haben heute nicht nur die Möglichkeit, sondern die Pflicht, einen bestmöglichen Beitrag für unser Klima zu leisten", ist sie sich ihrer Verantwortung als Unternehmerin bewusst. Unter anderem unterstützt Möbel Schaumann die globale Umweltschutz-Initiative "Plant for the Planet". Aber auch in der alltäglichen Arbeit will die Juniorchefin künftig innovative Wege gehen. "Ich mag den Begriff Sinnwirtschaft", erklärt sie. Konkret bedeute das, dass sie die Arbeit so gestalten wolle, dass die Mitarbeiter auch nach Feierabend noch die Kraft hätten, ihren Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, zum Beispiel indem sie ein Ehrenamt ausübten.
Bei Schaumann Senior stoßen diese Idee nicht nur auf Gegenliebe. "Natürlich findet mein Vater diesen Ansatz auch gut, als Kind seiner Generation steht für ihn aber finanzielle Sicherheit im Vordergrund", erklärt Lena Schaumann. "Ich hingegen habe kein Problem damit, die Rendite voller Überzeugung in für mich wichtige Themen zu investieren." In dem Konflikt sieht die junge Unternehmerin aber kein Problem. "Ein Generationswechsel in einem Familienunternehmen ist immer emotional." Es sei wichtig, Kompromisse einzugehen und nicht jede Kritik zu persönlich zu nehmen.
Dementsprechend lautet der Rat, den die junge Unternehmerin anderen Nachfolgern und Nachfolgerinnen gibt: "Es geht nicht darum, seine Eltern oder Großeltern stolz zu machen." Der Nachwuchs in Familienunternehmen neige dazu, es jedem recht machen zu wollen und sich dabei am Ende selbst am meisten zu enttäuschen. Wer es schaffe, sich davon frei zu machen, habe aber die beste Voraussetzung, seine eigenen Fußstapfen zu hinterlassen. Sich selbst nicht außer Acht zu lassen, sei bei einer Übernahme das Allerwichtigste. "Es muss sich einfach richtig anfühlen", findet Lena Schaumann, dich sich heute als leidenschaftliche Nachfolgerin betrachtet und auch den Nachwuchs anderer Familienunternehmen gern zu dem Schritt ermutigen möchte.
Inspiration bietet Schaumann zum Beispiel mit ihrem eigenen Podcast, in dem sie mit Nachfolgern und Nachfolgerinnen oder Vorgängern und Vorgängerinnen verschiedener Branchen über ihre Wege der Firmenübergabe spricht und dabei zeigt: Es kann funktionieren, zu schätzen, was die Eltern erreicht haben und trotzdem einen anderen, eigenen Weg zu gehen.
aus
Haustex 05/21
(Handel)