Der Fachhandel in der Corona-Krise

Licht am Ende des Tunnels

Hamburg. Wie ist die Stimmung im Bettenfachhandel nach monatelangen Schließungen, wo liegen die größten Herausforderungen für die Unternehmen angesichts der ersten Öffnungsschritte? Wir haben zahlreiche Händlerinnen und Händler gefragt.

Wir sind mit einem blauen Auge durch die Corona Krise gekommen.Die Umsatzeinbußen sind spürbar, aber die neu dazugewonnen Kunden auch", sagt Andreas Kramer von Betten Hottmann in Tübingen. Fragt man Händler wie Eckhard Hillebrand, Heinz Lüke oder Burkhard Nolten heißt es unisono: 2020 war das beste Jahr der Firmengeschichte. Also alles halb so wild?

Keineswegs. Der Boom nach dem ersten Lockdown hat vielen Händlern ein Polster für die monatelange Schließung seit Dezember verschafft, mehr aber nicht. Gleichwohl scheint die Stimmung in der Branche vergleichsweise gut zu sein. Viele Händler berichten, wie sie mit Hausberatungen, ständiger Erreichbarkeit, Onlineshops und anderen Maßnahmen den Kontakt zu den Kunden halten konnten.
Trotzdem bleiben Verunsicherung und Skepsis: "Die Stimmung bei den Kunden ist eher durchwachsen und ich bezweifle, dass es nach diesem Lockdown eine ebenso positive Aufbruchstimmung und Konsumfreude gibt, wie nach dem letzten Lockdown", mahnt beispielsweise Fachhändlerin Ines Reusch aus Düsseldorf.

Sorgen bereitet das Thema Lieferfähigkeit. "Inzwischen nehme ich auch verstärkt Bettgestelle ans Lager, damit ich auch hier flexibel und schnell reagieren kann", sagt Fachhändler Thomas Deisler aus Gundelfingen. Auch die Konkurrenz im Netz treibt viele um. "Hier einen Teil wieder zurück ins stationäre Geschäft zu bekommen, wird für uns, für unsere Branche und für den gesamten Innenstadthandel eine der größten Herausforderung werden", erklärt Fachhändlerin Sandra Kuhr aus Melle.
Heinz Eisner aus dem österreichischen Graz fürchtet: "Viele der Betriebe in Österreich werden in diesem Jahr in Konkurs gehen, und sehr viele Menschen werden Ihre Arbeit und somit Ihr Einkommen verlieren." Eine Aussicht, die auch in Deutschland so mancher fürchtet.

Martin Weber, Inhaber mehrer Bettenfachmärkte in NRW, bleibt trotzdem Optimist: "Man sieht ja jetzt ganz klar das Licht am Ende des Tunnels" sagt er. "Jeder, der in unserer Branche seine Hausaufgaben gemacht hat, hat große Chancen, auch weiterhin erfolgreich zu sein!"

Alle Statements der Händler finden Sie auf haustexmagazin.de



Bardo Hildmann
Betten Zellekens, Frankfurt
Ich sehe die größte Herausforderung darin, dass sich das Kaufverhalten aufgrund des Lockdowns verändert hat. Wir haben einen stärkeren Trend zum Onlinekauf, da die Geschäfte zwangsweise geschlossen waren. Diese Kunden zurückzugewinnen wird in vielen Fällen schwierig werden.

Stepahnie Ruyter,
Betten Kösters, Gescher
Erst waren Bedenken da, ob die Kunden bereit sind, ein negatives Testergebnis vorzulegen. Nach einer Woche hatten sich die Kunden daran gewöhnt und nehmen die Möglichkeit des Shoppens beziehungsweise der Beratung auch mit Testergebnissen wahr. Die größte Herausforderung ist momentan die Beschaffung von Ware. Es sind durchweg in allen Bereichen längere Lieferzeiten als gewohnt. Da wird Fingerspitzengefühl gegenüber der Kundschaft gefragt sein.

Lars Benke,
Betten Benke, Hamburg
Die größte Herausforderung für den stationären Einzelhandel sehe ich darin, seine Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Onlinehandel zu digitalisieren und damit die Weichen für seine Existenzberechtigung der nächsten fünf bis zehn Jahre zu stellen. Wer dies noch nicht begonnen hat, muss nun dringend Gas geben. Fördermittel, wie zum Beispiel "Digital Jetzt" vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, oder auch die Förderfähigkeit der Investition über die Überbrückungshilfe III, sollten zusätzlichen Anreiz geben.

Sven Seeberger,
Vanoni Lebensräume, Günzburg
Anfang Mai setzte Corona einen großen Teil unserer Mitarbeiter außer Gefecht. Und das, obwohl wir uns alle zwei- bis dreimal die Woche testen ließen. Die englische Variante schlug dermaßen schnell zu und legte nahezu alle umsatzbringenden Bereiche lahm. Aufgrund des krankheitsbedingten Personalmangels heißt es nun, mit extrem wenig Mitarbeitern das Geschäft am Laufen und die Kunden bei Laune zu halten. Mit viel Optimismus und Willenskraft meistern wir auch das.

Thomas Deisler,
Betten Deisler, Gundelfingen
Seit März 2021 hat unser Geschäft fast durchgehend geöffnet, da wir in unserem Landkreis sehr niedrige Inzidenzen hatten. So arbeiten wir gerade nur mit einem sehr kleinen Umsatzminus im einstelligen Bereich gegenüber 2020.Die Werbung habe ich von Print komplett auf Online umgestellt, der Onlineshop wurde sehr gut geklickt. Die größte Herausforderung lag bei mir im privaten Bereich, da unsere drei Kinder von den Schul-und Kindergartenschließungenkomplett betroffen sind. Homeschooling und Kinderbetreuung war nur durch einen enormen Kraftakt meiner Frau möglich.

Eckhard Hillebrand, Hillebrand Liegen+Sitzen, Kassel
"Man sollte ein mutiges Werbepaket vorbereitet haben"
In der aktuellen Lage muss man den Mut haben, trotzdem etwas zu unternehmen. Zum Beispiel mit Hausberatungen und zur Öffnung nach dem Lockdown mit auffallenden Anzeigen allen Kunden zeigen, dass wir zur Stelle sind und uns um sie kümmern, bevor sie vielleicht doch online kaufen. Der Bedarf der Kunden, vor allem unserer Zielgruppe, ist sehr groß, und sie sind sehr dankbar, wenn man ihnen gute Lösungen anbietet. Da wir im Moment nicht wie üblich Betten vermessen können, muss es eben auch mal ohne gehen, vor allem durch Hausberatungen, die möglichst einfach gehalten und auf konkrete Produkte und Problemlösungen ausgerichtet sind.

Wenn man in den Hausberatungen mit guten Argumenten nur eine Matratzenserie anbietet, kann man die einzelnen Matratzen nach einfachen Kriterien wie Körpergewicht und Schulterbreite usw. verkaufen. Das ist leicht zu kommunizieren und der Kunde kann sich leichter entscheiden. Außerdem bieten wir an, zum Beispiel Produkte bei Nichtgefallen großzügig umzutauschen und das Anmessen zum Einstellen der Unterfederungen nachzuholen, wenn es wieder möglich ist.

Zudem sollte man ein mutiges Werbepaket vorbereitet haben, damit man sofort starten kann, sobald wir wieder öffnen dürfen. Wenn es soweit ist, werden wir, wie auch schon bei der kurzzeitigen Öffnung Mitte März, mit zwei ganzseitigen Zeitungsanzeigen und einem Flyer starten, die sowohl auf rückenfreundliche Bettsysteme als auch Seniorenbetten ausgelegt sind. Das hat im März auch schon hervorragend geklappt, so dass wir einen großen Teil des verlorenen Umsatzes aufholen konnten.

Ute Stumpf,
Betten Stumpf, Aglasterhausen
Die größe Herausforderung wird sein, dem Endverbraucher klarzumachen, dass er nicht sein ganzes Geld sofort und komplett in Urlaubsreisen investieren sollte, sondern dabei zu bleiben, seine direkte Umgebung/Wohnung in einen guten Zustand zu versetzen.

Burkhard Nolten,
Bettenstudio Nolten, Essen
Im Februar konnten wir eine Sondergenehmigung erwirken und gelten seitdem als systemrelevant. So dürfen wir zumindest immer einen Kunden gleichzeitig mit Click & Meet & Test bedienen. Dies hat uns in den letzten Wochen und Monaten doch etwas geholfen, auch wenn dies nichts mit einem normalen Geschäft zu tun hat. Für uns war es wichtig, nie den Mut zu verlieren und weiterhin optimistisch in die Zukunft zu schauen, denn wir haben gemerkt: Das Fachgeschäft lebt und hat an Bedeutung noch mehr gewonnen!

Ines Reusch,
Betten Hönscheid, Düsseldorf
Die mangelnde Planungssicherheit, die teilweise nicht nachzuvollziehenden Maßnahmen und Regelungen stellen sowohl mich selbst, als auch meine Mitarbeiter und auch die Kunden vor eine große Herausforderung. Personalplanung, Warenbestellung und Investitionen erfolgen ja eher nach einem kurzfristigen Bauchgefühl und einem gesunden Optimismus, als auf irgendeiner realistischen Basis. Teilweise wissen wir Freitagmittag noch nicht, was ab Montag bei uns gilt. Das erfordert schon eine Menge Flexibilität bei allen Beteiligten.

Heinz Lüke,
Bettenhaus Lüke,
Schloß Holte-Stukenbrock
Bis April 2021 sind wir noch recht zufrieden, aber jetzt wird es nicht so einfach werden: Wir müssten wieder zeitnah dahinkommen, unsere Kunden im Geschäft beraten zu können.Uns stört es, dass man nicht vernünftig planen kann, seit Monaten.

Martin Weber,
Bettenwelt, Lippstadt
Wir hatten 2020 unser bestes Jahr in unserer Firmengeschichte, 2021 ist die Situation nicht ganz so einfach. Aber im großen und ganzen scheint die Situation doch noch ganz gut beherrschbar zu sein. Man sieht ja jetzt ganz klar das Licht am Ende des Tunnels. Uns hat natürlich enorm die Möglichkeit der Kurzarbeit geholfen, und da muss man unserer Regierung auch mal ein Lob aussprechen. Ist nicht alles so schlecht, wie es dargestellt wird.

Andreas Kramer,
Betten Hottmann, Tübingen
Mit den sich ständig ändernden Bedingungen (wir haben auch drei Kinder) klarzukommen und möglichst richtig zu reagieren, ist die größte Herausforderung. Während des Tübinger Modellversuchs "Öffnen mit Sicherheit" musste ich zum Beispiel jeden Abend auf der Facebookseite des Oberbürgermeisters schauen,wen wir unter welchen Bedingungen am nächsten Tag empfangen dürfen.
aus Haustex 06/21 (Handel)