"Wir müssen unseren Kunden nachhaltige Produkte schmackhaft machen"
BTH Heimtex: Zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zur bestanden Raumausstatter Meisterprüfung. Was hat Sie bewogen, in
einer eher schwierigen Zeit den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen?
Daniel Schulze: An der Idee zur Selbständigkeit und zu einem eigenen Laden arbeite ich schon seit Ende 2019. Ursprünglich wollte ich den Meisterkurs bereits 2020 absolvieren, doch der fiel Corona bedingt aus.
Die Pandemie hat gezeigt, wie wichtig ein schönes Zuhause ist und ich bin davon überzeugt, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird und dass die Menschen weiterhin in die Verschönerung ihres privaten Lebensbereichs investieren werden.
Dass der Bedarf da ist, kann ich schon jetzt erkennen, denn ich habe bereits verschiedene Anfragen erhalten - und das, obwohl ich mein Geschäft noch nicht einmal eröffnet habe.
Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf? Gibt es einen Bereich, der Ihnen am meisten liegt?
Daniel Schulze: Am meisten gefällt mir tatsächlich die Vielseitigkeit des Berufs. Man macht jeden Tag etwas anderes, mal die traditionelle, gesteckte Gardine, dann verarbeitet man einen hochmodernen Stoff, der ganz anders dekoriert wird und macht dann womöglich am nächsten Tag Bodenlegearbeiten, die viel Kraft erfordern. Außerdem bin ich sehr gerne bei Kunden, berate sie vor Ort und montiere dann die Produkte. Unser Beruf ist etwas sehr Persönliches, denn man berät den Kunden, was er zu Hause ändern kann und erhält dabei Zutritt zu Räumen, die normalerweise nur Familie und Freunden vorbehalten sind. Bei allem bin ich aber ein Gardinen-Mensch. Alles rund um die Gardine ist mein Ding, das mache ich besonders gerne.
Wie haben Sie die Vorbereitung auf die Meisterprüfung erlebt. Sind die Aufgabenstellungen Ihrer Meinung nach praxisnah genug?
Daniel Schulze: Grundsätzlich finde ich es gut, dass es immer ein konkretes Thema in der Meisterprüfung gibt, zu dem ein Gesamt-Konzept erarbeitet werden muss. In meinem Fall war die Aufgabenstellung, eine Fotobox für ein Musical, eine Oper oder ein Theaterstück zu entwickeln.
In der Umsetzung musste erkennbar sein, um welches Stück es geht, Das setzt voraus, dass man sich im Vorfeld dazu viele Gedanken macht, recherchiert und viele Informationen einholt. Das finde ich sehr praxisnah, denn beim Kunden ist es genauso.
Er hat eine Vorstellung, wie etwas aussehen soll und die Aufgabe des Raumausstatters ist es dann, sich dazu Gedanken zu machen und konkrete Ideen und Vorschläge zu entwickeln.
Wie würden Sie einen jungen Menschen für Ihrem Beruf begeistern?
Daniel Schulze: Ich würde meinen Beruf als einen ausgesprochen vielseitigen Beruf erklären, in dem man die unterschiedlichsten Arbeiten vom Polstern, Nähen, Bodenverlegen bis zur Beratung macht. Das Schöne daran ist auch, dass man die Früchte seiner Arbeit sehen kann.
Musss man Talent mitbringen, wenn man sich für den Beruf des Raumausstatters interessiert?
Daniel Schulze: Ein gewisses handwerkliches Geschick sollte man durchaus haben, denn der Handwerks-Part hat schon einen großen Anteil an unserer Tätigkeit und ist die Basis. Darauf baut sich dann der kreative Teil auf.
Wie wichtig ist daneben auch ein Gespür für Marketing und die richtige Kundenansprache? Ist das Bestandteil der Ausbildung?
Daniel Schulze: Ich halte das für sehr wichtig, denn das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass ein Laden gut funktioniert. Leider werden diese Themen in der Ausbildung allenfalls angerissen. Man lernt einige Begriffe aus dem Marketing kennen nicht aber, wie das Gehörte in der Praxis angewendet wird. Hier könnte definitiv mehr gemacht werden, da ist noch viel Potential. Es wäre beispielsweise gut, mit dem Thema Marketing etwas mehr in die Praxis zu gehen, um so zu zeigen, wie genau gutes Marketing konkret umgesetzt wird. Daher habe ich mich auch entschieden, die Entwicklung von Logo und Website für meinen Betrieb in die Hände von Marketing-Spezialisten zu legen. Auch das Konzept für unsere Social-Media-Aktivitäten wird von Beginn an von einem Spezialisten entwickelt und begleitetet, denn ich halte es für zeitgemäß, nach außen einen ansprechenden Auftritt zu haben.
Welche Rolle spielt Social Mediafür das Raumausstatter-Handwerk?
Daniel Schulze: Social Media ist besonders wichtig für Referenzen, denn heute schauen sich viele Kunden auf Social-Media-Kanälen um. Sie lassen sich dort inspirieren und entscheiden auf dieser Basis, was ihnen gefällt und setzen sich dann mit der jeweilige Firma in Verbindung. Aus diesem Grunde ist das ein sehr wichtiger Bereich, der auf jeden Fall gut gepflegt werden sollte.
Wie wichtig sind oder werden Raumplanungs-Tools für das Beratungsgespräch?
Daniel Schulze: Wir arbeiten jetzt schon mit 3D Planungen für die Kunden und das ist das, was viele Kunden mittlerweile haben möchten. Es kommen auch immer mehr Apps auf den Markt, mit denen ich über mein Smartphone durch meinen Raum gehe und mir beispielsweise mein Wunsch-Sofa anzeigen lassen kann.
Es gibt auch immer mehr Hersteller, die solche Tools anbieten.
Sie haben sich intensiv mit dem Thema Ladenbau befasst. Nach welchen Kriterien sind Sie dabei vorgegangen?
Daniel Schulze: Wir arbeiten mit dem Ladenbau-System von Jab Anstoetz, zu dem auch ein Planungs-Service gehört. Da meine Lebensgefährtin Innenarchitektin ist, haben wir die Planung in Eigenarbeit gemacht. Ein weiterer hilfreicher Support, gerade wenn man sich selbständig macht, ist das Finanzierungs-Konzept von Jab Anstoetz.
Gibt es Themen, die Ihnen für Ihre Tätigkeit besonders am Herzen liegen?
Daniel Schulze: Das Thema Nachhaltigkeit ist mir sehr wichtig. Ich werde beispielsweise in meinem Fuhrpark ein E-Lasten-Bike haben. Da werden Ware und Akkuschrauber vorne reingelegt und damit fahre ich dann zum Kunden. Natürlich funktioniert das nicht mit jedem Auftrag aber Termine zum Ausmessen kann ich problemlos auch mit dem Fahrrad absolvieren, da muss es nicht immer das Auto sein. Und sobald das Geschäft angelaufen ist, wird auch im KFZ-Bereich ein E-Fahrzeug zum Einsatz kommen.
Außerdem finde ich es gut, dass die Hersteller immer mehr in Sachen Nachhaltigkeit machen und mehr anbieten. Die Stoffe werden immer besser und damit immer verkäuflicher. Es ist wichtig, dass die Lieferanten bei dem Thema mitgehen, mehr machen und das Thema fördern, damit die Raumausstatter diese Produkte gerne verkaufen. Und wir müssen unseren Kunden nachhaltige Produkte schmackhaft machen, denn es ist nicht eine Frage des Preises. Jetzt sind wir gefordert, die Kunden darauf aufmerksam zu machen, dass es auch nachhaltige Stoffe gibt.
Was wünschen Sie sich für Ihren Betrieb?
Daniel Schulze: Ich wünsche mir, dass wir einen guten Start haben und es dann gut vorangeht. Vor allem hoffe ich, dass es keinen weiteren Lockdown gibt.
| Die Fragen stellte Michaela Fischer
aus
BTH Heimtex 07/21
(Handwerk)