Vertragsrecht: Fachanwalt Andreas Becker informiert
Was tun bei Materialpreissteigerung?
Viele Handwerksbetriebe sehen sich momentan mit steigenden Preisen von Verlegewerkstoffen und Bodenbelägen konfrontiert. Unter welchen Voraussetzungen Handwerker diese Kostensteigerungen an ihre Kunden weitergeben können, ohne das ihre eigene Gewinnspanne leidet, erläutert der Fachanwalt Andreas Becker.Die Preise für Baumaterialien befinden sich seit einigen Monaten in einer Aufwärtsspirale. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten infolge der Corona-Krise sowie fehlender Containerkapazitäten auf den Schiffen werden Rohmaterialien, aber auch unfertige Materialien nicht oder nur mit Verzögerungen geliefert. Die Folge der Verknappung von Rohstoffen sind vielfach erhebliche Preissteigerungen.
Die höheren Kosten schlagen sich im fertigen Produkt nieder: So sind im einzelnen Materialpreissteigerungen von 50 %, aber sogar auch von 100 % bekannt. Für den Verlegebetrieb stellt sich die Frage, wie er die Preissteigerungen an seine Auftraggeber weitergeben kann. Bei dieser Problematik gilt es verschiedene Situationen zu unterscheiden:
Bei bereits abgeschlossenen Verträgen gilt, dass ein Vertrag ein Vertrag ist. Der vereinbarte Preis bleibt grundsätzlich bestehen. Dies würde gelten bei Materialpreissteigerungen, aber auch soweit der Materialpreis erheblich sinken würde. Das Risiko, dass sich die Materialpreise verändern, trägt der Auftragnehmer, also der ausführende Betrieb. Erhöhte Materialpreise können also bei bestehenden Verträgen grundsätzlich nicht weitergeben werden.
Hier gibt es mehrere Ausnahmen: Die bekannteste ist eine Materialgleitklausel. Sofern in einem Vertrag eine Materialgleitklausel vereinbart ist, kann der erhöhte Materialpreis weitergegeben werden. Dazu muss eine gültige Vereinbarung im Vertrag vorliegen. Dies wird in den seltensten Fällen der Fall sein. Bei sehr starken Steigerungen der Materialpreise kann auch zu einer sogenannten Störung der Geschäftsgrundlage kommen. Diese wird in § 313 BGB geregelt. Vorangestellt werden muss, dass eine solche Störung der Geschäftsgrundlage selten angewendet werden kann, insbesondere bei Materialpreiserhöhungen. Dazu müsste Folgendes vorliegen:
Es muss eine
Geschäftsgrundlage geben
Geschäftsgrundlage ist nicht das, worüber man sich geeinigt hat, sondern das, was alle Parteien als selbstverständlich angenommen haben. Es wurde zum Beispiel vereinbart, dass ein Boden mit Teakholz hergestellt wird. Dies ist der Vertragsinhalt. Alle Parteien sind davon ausgegangen, dass Teakholz am Markt verfügbar ist. Gestört ist die Geschäftsgrundlage, wenn Teakholz am Markt nicht verfügbar ist. Um den Vertrag zu ändern, müsste die Veränderung so schwerwiegend sein, dass sie erhebliche Belastungen für den ausführenden Handwerker darstellt. Allein die wesentlich kostenträchtigere Beschaffung von Teakholz für den Boden dürfte nicht ausreichend sein, um eine vertragliche Änderung vorzunehmen. Hier wird auf die Risikoverteilung abzustellen sein.
Allerdings ist eine Prüfung für jeden Einzelfall durchzuführen. Deswegen wird dringend empfohlen, eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen.
Ausnahmen:
Geänderte oder zusätzliche Leistungen
Soweit der Auftraggeber eine Leistung ändert oder eine zusätzliche Leistung fordert, kann für diese geänderte oder zusätzliche Leistung ein Nachtragsangebot geschrieben werden. Dieses Nachtragsangebot kann mit einem neuen Preis versehen werden, bei dem die tatsächlichen Mehr- oder Minderkosten mit einbezogen werden. Dies gilt bei Verträgen nach VOB/B, aber auch bei Verträgen auf Basis des BGB.
Ausnahme: verzögerter Baubeginn
Bei Abschluss eines Werkvertrages mit einem vertraglich vereinbarten Ausführungsbeginn können veränderte Einheitspreise geltend gemacht werden, wenn der Beginn der Bauzeit durch den Auftraggeber einseitig geändert wird. Die Änderung des Ausführungszeitraums wird im VOB-Vertrag nach §2, Abs.5VOB/B als eine Änderung des Bauentwurfs zu werten sein, so dass auch hier wieder erhöhte Materialpreisforderungen dem Auftraggeber gegenüber geltend gemacht werden können.
Ein Angebot wurde abgegeben,
aber noch nicht beauftragt
Grundsätzlich ist der Auftragnehmer an sein Angebot gebunden. Auch wenn sich nach der Abgabe des Angebotes die Materialpreise verteuern, bleibt das Angebot weiterhin gültig. Bei einer Auftragserteilung müsste das Angebot zu den dort vereinbarten Preisen ausgeführt werden, unabhängig davon, dass die Materialpreise sich verteuert haben.
Allerdings kommt fast kein Auftrag so zustande, wie das Angebot erstellt worden ist. In der Regel will der Auftraggeber noch Änderungen, hier in Bezug auf den Preis, beispielsweise Skonto. Diese Situation kann genutzt werden, um eventuelle Materialpreisverteuerungen im Verhandlungswege mit in den Vertrag einfließen zu lassen oder den Auftrag nicht anzunehmen.
Ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme zustande. Allerdings muss die Annahme eines Angebotes genauso erklärt werden, wie das Angebot geschrieben wurde. Ein "ja, aber" bedeutet aus juristischer Sicht, dass das vorherige Angebot des Betriebes abgelehnt wurde, und der Auftraggeber beispielsweise mit einer Skontoforderung oder einer veränderten Preisvorstellung ein neues Angebot unterbreitet. Nun wäre es an dem Betrieb, dieses Angebot anzunehmen. Damit besteht die Möglichkeit, nach der Ablehnung des Angebots durch den Kunden, auf den Auftrag ganz und gar zu verzichten oder ein neues Angebot mit höheren Preisen zu unterbreiten.
Tipp:
Diesen Schritt schriftlich dokumentieren
Abgegebene Angebote sind auch nur einen begrenzten Zeitraum gültig. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gibt vor, dass ein Angebot, das einem Anwesenden gegenüber getätigt wurde, von diesem nur sofort angenommen werden kann. Bei schriftlichen Angeboten ist ein Angebot so lange gültig, wie üblicherweise eine Rückmeldung auf dieses Angebot erwartet werden kann. Dies wird, je nach Umfang des Angebots, unterschiedlich lange sein. Bei einem Angebot, das nur einen sehr geringen Umfang hat, wird eventuell eine Zeit von einer Woche als Antwort anzunehmen sein, währenddessen umfangreichere Angebote auch über mehrere Wochen Gültigkeit haben.
Sollte das Angebot außerhalb dieser üblichen Frist, etwa ein halbes Jahr später angenommen werden, so stellt dies aus juristischer Sicht keine Annahme des ursprünglichen Angebotes dar. Der Betrieb ist aber nicht verpflichtet, aufgrund einer verspäteten Annahmeerklärung Tätigkeiten auszuführen.
Befristung der Angebote
Alle Angebote, die jetzt geschrieben werden, sollten befristet werden. In das Angebot kann aufgenommen werden, dass das Angebot beispielsweise zwei Wochen befristet ist. Nach Ablauf dieser Frist wäre das Angebot nicht mehr gültig und es kann auf unvorhergesehene Materialpreisveränderungen Rücksicht genommen werden. Formulierungsbeispiel: "Unser Angebot hat eine Gültigkeit von 14 Tagen ab dem Angebotsdatum."
Stichwort Materialgleitklausel
In manchen Verträgen befinden sich Materialgleitklauseln. Die Rechtsprechung gibt hier an, dass Materialgleitklauseln, die in Form einer allgemeinen Geschäftsbedingung eingebracht wurden, in vielen Fällen unwirksam sind. Insbesondere gegenüber Privatkunden sind Formulierungen unwirksam, die eine Erhöhung des Preises innerhalb von vier Monaten nach Vertragsschluss fordern. Hierzu existiert im §309, Abs.1BGB eine Regelung.
Auch bei weiteren Materialgleitklauseln setzt die Rechtsprechung enge Grenzen. Am einfachsten ist es, dass für jeden Auftrag individuell eine solche Materialgleitklausel in das Angebot hinein formuliert wird. Auch wenn Materialgleitklauseln verwendet werden, so wird wohl immer auf die Materialpreise auf der Kalkulation abgestellt werden, das heißt, dass eine Materialgleitklausel nur Sinn ergibt, wenn vorher eine Kalkulation erstellt worden ist.
Praxistipp: Da viele hier genannte Beispiele mit juristisch bestimmten Begriffen versehen sind, ist zu empfehlen, dass im Zweifel eine juristische Beratung in Anspruch genommen wird, bevor eine konkrete Entscheidung durch den Betrieb getroffen wird.
Andreas Becker zur Person
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Becker-Baurecht
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Tel.: 05 11 / 1 23 137 0
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aus
Parkett Magazin 04/21
(Recht)