Optimismus für 2022 – Nachhaltigkeit weiterhin das Mega-Thema
Gravierende Rohstoff-Verteuerungen, fragile Zulieferketten und daraus resultierende Beschaffungs-Probleme sowie in dieser Dimension nie dagewesene Preiserhöhungen bei den Transportkosten - die Deko-Branche steht weiterhin vor massiven Herausforderungen. Dennoch ist die Stimmung unter den Marktteilnehmern überwiegend positiv, wie unsere Befragung zeigt. Ende Januar/Anfang Februar hat BTH Heimtex Hersteller, Faseranbieter, Textilverlage und Lieferanten um ihre Markteinschätzung gebeten. Dabei wollten wir unter anderem wissen, wie das vergangene Jahr für die befragten Unternehmen gelaufen ist, mit welchen Erwartungen sie ins Jahr 2022 gestartet sind und wo sie die gravierendsten Herausforderungen für das laufende Jahr sehen. Zum Zeitpunkt unserer Befragung standen insbesondere die Auswirkungen der pandemiebedingten Lockdown-Maßnahmen im Jahr 2021 und die Absagen sämtlicher Messe-Veranstaltungen zu Jahresbeginn im Fokus. Auch Aspekte wie die explodierenden Energiekosten und die steigende Inflation spielten eine Rolle. (Anmerkung der Redaktion: Die Situation in der Ukraine und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft waren zum Zeitpunkt unserer Befragung noch nicht akut.)
Das Jahr 2021 bewerten die befragten Unternehmen alles in allem positiv. Pandemiebedingte Schließungen während des Lockdowns haben zwar zu einer enormen Planungsunsicherheit geführt, dennoch ist die Einrichtungsbranche in der Gesamtheit eher als Gewinner aus der Corona-Krise herausgegangen. "Insgesamt können wir auf ein turbulentes aber erfolgreiches Jahr 2021 zurückblicken", resümiert Hendrik Unland (Unland). "Die Schwierigkeiten lagen in der ständigen Anpassung an die Regularien im Zusammenhangmit den COVID Maßnahmen und den damit teilweise schlechten Endverbraucherfrequenzen im Einzelhandel. Positiv war, dass das Interesse für unsere Produkte in diesen Zeiten ungebrochen war und in den Zeiten der unregulierten Einkaufsmöglichkeiten gute Umsätze zu verzeichnen waren."
Ein positives Resümee zieht auch Claus Anstoetz (JabAnstoetz), der eine steigende Wertschätzung der Verbraucher in Sachen Einrichten feststellt: "Wir sind umsatzbezogen mit dem Jahr 2021 sehr zufrieden. So wie wahrscheinlich die gesamte Branche, die davon profitiert hat, dassdie generelle Wertschätzung der Konsumenten gegenüber dem Wohnen nachhaltig gestiegen ist." Anstoetz ist davon überzeugt, dass auch das Jahr 2022 ein gutes Einrichtungsjahr wird. "Im ersten Halbjahr wird keine große Reisewelle eintreten, daher werden sich viele Konsumenten weiterhin mit dem Thema Wohnen beschäftigen. Außerdem wird weiterhin fleißig gebaut."
Auch Apelt bewertet das vergangene Jahr in der Gesamtheit positiv, differenziert dabei allerdings nach Kunden:" Durch die Schließung unserer stationären Kunden bis in den Mai 2021 hinein konnten wir dort keine Umsätze generieren, wobei die Umsätze mit unseren Raumausstatterkunden wirklich zufriedenstellend waren.", fasst Donata Apelt-Ihling zusammen.
Trevira sieht nach einer herausfordernden Zeit insbesondere für den Objektmarkt positive Signale. Der Faseranbieter hatte zu Beginn der Pandemie zu spüren bekommen, dass die Märkte für Objekttextilien, hier insbesondere der Hotel- und Veranstaltungsbereich sowie die Kreuzschifffahrt unter Druck geraten waren. "Die Corona-Pandemie trübte zwar einzelne Geschäftsbereiche ein, brachte aber gleichzeitig auch viel Veränderungspotenzial mit sich. Das vermehrte Arbeiten von Zuhause sowie der längere und häufige Aufenthalt in den eigenen vier Wänden hat zu einem Perspektivwechsel geführt. Die Gestaltung des Wohnraums hat insgesamt eine "Aufwertung" erfahren", sagt Anke Vollenbröker.
Messen sind eine wichtige Plattform
für neue Produkte
Die Tatsache, dass im Januar sämtliche Branchenmessen aufgrund der zu diesem Zeitpunkt unsicheren Pandemielage gestrichen werden mussten, hat insbesondere die Unternehmen getroffen, die sich für eine Messeteilnahme in Frankfurt, Köln oder Hamburg entschieden hatten. Möbelstoff-Hersteller Rohleder hatte allein im Januar und Februar sechs Messeauftritte geplant, nun hofft Geschäftsführer Hans Schüssel, dass zumindest ein Teil der Messen im Sommer stattfinden wird: "Wir haben eine großartige neue Kollektion und hoffen, dass die Messen, die auf den Sommer verschoben wurden, jetzt auch tatsächlich stattfinden werden. Das wichtigste für neue Produkte ist eine gute Plattform und eine entsprechende Präsentation."
Auch Thomas Schmölz (Kobe) vermisst die Messen als Stimmungsbarometer für neue Kollektionen: "Da es bis Mai 2022 keine Messeformate gibt, auf denen wir die Neuheiten testen können, reisen wir mit viel Energie und hoffen, auch auf diese Weise unsere Kunden inspirieren zu können. Zu den Herausforderungen zähle ich weiterhin die schwierige Prognose hinsichtlich des Verlaufs der Pandemie."
So schwer die durch Corona bedingten Einschnitte für die Branche auch waren, bewerten die von uns befragten Unternehmen positiv, dass die Zeit von den Kreativ- und Marketing-Teams genutzt wurde, um Projekte voranzutreiben, Konzepte zu schärfen, das Portfolio zu überarbeiten und nach neuen Formaten für die Gestaltung von Kundenbeziehungen zu suchen. Anstrengungen in Digitalisierung und Nachhaltigkeit sind hier neben Logistik-Verbesserungen und dem Ausbau der Kollektionen die meist genannten Punkte.
"Aufgrund der deutlich höheren Präsenz im Unternehmen konnten wir Projekte deutlich schneller voranbringen", fasst Andreas Klenk (Saum & Viebahn/Heco) für seine Unternehmen zusammen. "Wir haben die Zeit genutzt, um unsere Zwei-Marken-Strategie voranzutreiben und Zukunftsprojekte anzusetzen, um für 2022 und darüber hinaus gut aufgestellt zu sein."
Besonderes Augenmerk hat das Gros der Unternehmen in den zurückliegenden Monaten auf die Sicherung der Lieferfähigkeit und den Ausbau von Lagerkapazitäten gelegt. "Die Rohstoff- und Transportkosten haben sich explosionsartig vervielfacht. Eine vorausschauende, strategisch gut durchdachte Planung und Organisation sind in einer solchen Situation unabdingbar", sagt Lars Maier (Höpke). "Wir haben unsere Lagerkapazitäten entsprechend hochgefahren. Dadurch können wir unseren Kunden gewährleisten, dass sie sich keine Sorgen um Warenverfügbarkeit oder Lieferfähigkeit machen müssen. Grundsätzlich ist es unsere oberste Priorität, weiterhin ein zuverlässiger und bewährter Lieferant für unsere Kunden zu sein. Gerade zu Zeiten, in denen Themen wie Rohstoffmangel, deutlich längere Transportwege und steigende Kosten leider noch immer präsent sind, soll unser bewährter Servicestandard für Sicherheit und Stabilität sorgen."
Gute Lagerhaltung
ist das A&O zur Sicherung
der Lieferfähigkeit
Auch für Heinz Fleischmann (Englisch Dekor) hat das Thema Lieferfähigkeit oberste Priorität. "Der Engpass in den Lieferketten und die extremen Preiserhöhungen prägten das vergangene Jahr. Diese haben wir durch die Aufstockung unseres Lagers abfedern können. Wir haben unser Lager um 38 % aufgestockt. Unsere Kunden und Partner suchen in diesen turbulenten Zeiten verlässliche Partner und Englisch Dekor konnte hier vermutlich punkten. Das Jahr 2022 wird sicher ein herausforderndes Jahr - die Lieferprobleme werden sich zuspitzen und auch die Preise werden leider weiter steigen und die Lieferfähigkeit wird zu einer großen Herausforderung."
Ähnlich formuliert es Ralph Lutz (Schmidtgard): "Die größten Herausforderungen in 2022 liegen in der Preisstabilität und in der Beschaffungskontinuität. Enge Partnerschaften mit sämtlichen Teilnehmern entlang der Supply-Chain sind wichtiger denn je."
Hayo Steghuis (Kendix) ergänzt, dass durch das gestiegene Interesse der Verbraucher und die erhöhte Kaufbereitschaft bei Kendix die Kapazitäten erhöht wurden: "Wir erwarten auf jeden Fall noch bis Sommer gute Ergebnisse und haben deshalb unsere Kapazität erhöht und neue Mitarbeiter eingestellt. Die größte Herausforderung ist aus unserer Sicht nicht so sehr der Verkauf, sondern die stark gestiegenen Kosten im Energiebereich sowie die Sicherung der Garnbeschaffung. Wir haben uns gut bevorratet und hoffen, dass die aktuelle Situation nicht zu Engpässen führt."
Nachwuchsproblem
in Handel und Handwerk
Neben der allgemeinen Problematik um Preiserhöhungen und Lieferketten blickt Claus Anstoetz mit Sorge auf den Fachkräftemangel, der zwischenzeitlich an vielen Stellen im Markt offenkundig wird. Sein Appell richtet sich in diesem Kontext an die Politik: "Natürlich ist das Thema Fachkräftemangel überall präsent und viele Kundenhätten in 2021 viel mehr Umsatz machen können, wenn Sie das entsprechende Personal in der Beratung und in der Montage gehabt hätten.Hier muss es ein deutliches Zeichen aus der Politik geben, damit die Handwerksbetriebe mehr Nachwuchs bekommen."
Das Thema Nachhaltigkeit zählt zweifellos zu den Gewinnern der Pandemie. In nahezu allen von uns befragten Unternehmen wurde die Zeit während und zwischen den Lockdowns aktiv genutzt, um die unterschiedlichsten Konzepte für nachhaltige Produkte in die Kollektionen einfließen zu lassen. "Der grundlegende Wandel hin zu nachhaltigen Produktionsmethoden und Materialien und die Bedeutung der Rückverfolgbarkeit von Produkten über die gesamte Produktionskette sind unbestreitbar", fasst Joseph Wheeler (Neutex) zusammen. " Das Thema Nachhaltigkeit ist inzwischen viel mehr ein Lebensgefühl als ein Trend: Für uns ist diese Entwicklung ein ganz klarer Wegweiser deshalbsetzen wir verstärkt auf gute Qualität und Langlebigkeit."
Katharina Geilfuß (Geos-Geilfuß) ergänzt: "Wir sehen das Thema Nachhaltigkeit und Produktion in Deutschland bzw. Europa. Der Konsument erwartet zukünftig von seinen Textilien eine gewisse Nachhaltigkeit und eine Nachvollziehbarkeit derer. Es fängt in der Kleidungsbranche an und wird nach und nach immer mehr Einzug und Nachfrage auch bei den Heimtextilien finden. Gerade der Aspekt Made in Germany oder Made in Europe erfreut sich stetig steigender Nachfrage - kurze Transportwege, lokale Unternehmen, keine enorm langen Wartezeiten aufgrund von Lieferverzögerungen wegen fehlender Kontainerplätze sind nur einige Stichworte in diesem Zusammenhang."
Für Hans Schüssel ist in diesem Kontext neben der Produkt-Herkunft auch der verantwortungsvolle Umgang mit Ressourcen aus Unternehmenssicht ein relevanter Aspekt: "Für uns als Unternehmen mit Produktionsstandort Deutschland sind die Themen Produktherkunft und Nachhaltigkeit fest in unserer DNA verankert - ein schonender Umgang mit unserer Erde und Ihren Ressourcen ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Denn egal, ob ein Produkt zwei oder fünfzehn Jahre in Gebrauch ist: die Ressourcen für die Herstellung sind verbraucht worden. Deswegen sind wir der Meinung, ein Produkt sollte eine möglichst große Lebensspanne haben und entsprechend auch nach vielen Jahren in Gebrauch noch schön aussehen und funktional sein."
Einig sind sich die Befragten darin, dass mit einem breiten Produkt-Angebot, das die relevanten Themen der Zeit berücksichtigt, die Verbraucher auch langfristig am Thema Einrichten interessiert bleiben, selbst wenn Reisen wieder mehr oder weniger problemlos möglich ist. Die Tendenz zu qualitativ höherwertigen textilen Einrichtungsprodukten ist da und der Markt kann die Nachfrage nach schönen, zeitgemäßen Produkten zur Gestaltung eines gemütlichen Zuhause mit einer Vielfalt an Kollektionen bedienen. Hersteller und Lieferanten haben ihre Hausaufgaben gemacht, bleibt zu hoffen, dass die insgesamt positive Stimmungslage in der Branche anhält.
| Michaela Fischer
aus
BTH Heimtex 03/22
(Deko, Gardinen, Sonnenschutz)