Wer viel misst, misst Mist
So alt dieser Spruch auch ist, an Aktualität hat er leider nicht verloren: Noch immer werden die elektronischen Feuchtigkeitsmessgeräte von sogenannten Fachleuten eingesetzt, ohne dass sie sich im Vorfeld mit ihrer Funktionsweise auseinandergesetzt haben. Somit kommt es auch regelmäßig zu Fehlinterpretationen der Messergebnisse und daraus folgend zu falschen Entscheidungen - zum Beispiel bei Sanierungen. Der Fall
Blasenbildung nach
zu nasser Reinigung
Im vorliegenden Fall geht es um den Neubau eines Logistikzentrums in Bayern. Neben mehreren Lagerhallen gab es auch ein Verwaltungsgebäude und EDV-Räume. Für diese Serverräume gelten besondere Vorschriften in Bezug auf statische Aufladung: Es müssen Maßnahmen getroffen werden, die das Ableiten von Überspannungen ermöglichen. Bei diesem Objekt wurde in den vorhandenen Serverräumen ein ableitfähiger Kunstharzdispersionskleber auf den Zementestrich aufgebracht, danach ein Linoleumbelag. Am Tag der Übergabe des Objektes fehlten allerdings die Sockelleisten in den betroffenen Räumen. Die beauftragte Reinigungsfirma, die auch in regelmäßigen Abständen die Serverräume reinigte, nahm den Begriff "Nassreinigung" des Bodens etwas zu wörtlich: Über einen Zeitraum von mehreren Wochen lief immer wieder Wasser über den Randstreifen in die Fußbodenkonstruktion und unter den Linoleumbelag. Dies führte zu Blasenbildungen an mehreren Stellen im Randbereich (Bild 1).
Zur Feststellung des Schadens wurde ein Sachverständiger hinzugezogen. Dieser sollte das Ausmaß des Schadens in den betroffenen Räumen feststellen und ob die Blasenbildung aufgrund des Wasserschadens oder eines zu feuchten Untergrundes entstanden ist. Zu diesem Zweck kamen auch elektronische Feuchtigkeitsmessgeräte zum Einsatz, die nach dem dielektrischen Verfahren arbeiten.
Anmerkung
Details beim dielektrischen
Messverfahren beachten
Das dielektrische Messverfahren ist ein zerstörungsfreies elektrisches Messverfahren, das die Dielektrizitätskonstante des Baustoffs über das Hochfrequenzfeld eines Kondensators misst. Die Dielektrizitätskonstante Wasser ist mit 78,6 im Vergleich zu Luft mit 1,0 sehr hoch. Das macht das Messverfahren für die Feuchtigkeitsmessung so interessant. Allerdings darf man nicht außer Acht lassen, dass alle elektrischen Messverfahren sehr empfindlich auf Metalle reagieren. Befindet sich in dem zu messenden Baustoff Metall oder hat er leitende Eigenschaften, können diese Messgeräte nicht eingesetzt werden, da sie zu Fehlinterpretationen führen. Bei den Sensoren der dielektrischen Messgeräte, die mit der sogenannten Kugel ausgestattet sind, ist noch zu beachten, dass sich um die Kugel ein Streufeld einstellt. Das bedeutet: Alles, was sich innerhalb dieses Streufeldes befindet, fließt in das Messergebnis mit ein oder verfälscht es. Unbedingt zu vermeiden ist bei allen dielektrischen Messgeräten die Messung in Ecken und in Bohrlöchern. Das kann bis zu einer Verdoppelung des Messwertes führen.1)
Kommen wir zurück zu dem Wasserschaden in den Serverräumen. Zur Erinnerung: Es wurde ein ableitfähiger Kunstharzdispersionskleber auf dem Estrich aufgebracht. Dem Fachmann müsste bei einem ableitfähigen Kunstharzdispersionskleber klar sein, dass man in diesem Fall die elektronischen Feuchtigkeitsmessgeräte nicht einsetzen kann. Der hinzugezogene Sachverständige packte sein dielektrisches Messgerät aus und hielt die Kugel auf den Kunstharzdispersionskleber. Das Display zeigte Messwerte von 127 Digits an, worauf er schlussfolgerte: Der Estrich ist nass.
Eine zweite Meinung war gefragt. Der Sachverständige vereinbarte einen Termin auf der Baustelle und verschaffte sich einen Überblick des Schadens. Im Anschluss führte er seine eigenen Messungen durch. Die Ergebnisse zeigen die nebenstehenden Fotos: Auf dem Bild 2 erkennt man den hohen Messwert von 169 Digits, gemessen auf dem ableitfähigen Kunstharzdispersionskleber. Auf dem Bild 3 ist ein wesentlich niedriger Wert von 72 Digits auf der Estrichoberfläche gemessen worden. Und Bild 4 zeigt, dass nur der ableitfähige Kunstharzdispersionskleber einem Messwert von 148 Digits aufwies.
Durch Unwissenheit oder manchmal auch Ignoranz, kommt es - wie in diesem Fall - zu kostenintensiven Fehlentscheidungen eines Sachverständigen. In diesem Fall wurde in den Serverräumen der Linoleumbelag inklusive des Kunstharzdispersionsklebers entfernt, weil angeblich der Estrich durch den vermeintlichen Wasserschaden durchfeuchtet wurde. Dabei hätte eine CM-Messung das Gegenteil bewiesen.
Um das Ganze noch zu toppen, wurde von dem Sachverständigen in den Estrich eine 50 mm-Bohrung in der Mitte des Raumes gesetzt und dort mit der Kugel im Bohrloch gemessen. Der ermittelte Messwert lag bei 143 Digits.
Mein Tipp
Der Fachmann präsentiert
das Resultat
Sachverständige kommen ohne die elektronischen Feuchtigkeitsmessgeräte nicht aus. Sie sind der tägliche Begleiter bei der Lokalisation von Bauwerks- und Feuchteschäden. Aber man muss sich bewusst sein, dass es nur Hilfsmittel sind. Bei der Diagnose ist es wie bei einem Arztbesuch: Auf Anamnese folgt Befund und schließlich die Beurteilung.
Resch sagt: "Wir schauen uns den Schaden an, studieren Pläne und Fotos, hören uns Aussagen der Betroffenen an (Anamnese). Danach kommt der Einsatz von Messequipment und des Gehirns (Befund). Anschließend schmeißen wir alles in einen großen Topf, rühren kräftig um und legen unsere Ergebnisse auf den Tisch (Befund). Dabei ist das Entscheidende, dass der Fachmann das Resultat präsentiert und nicht das Messgerät. Leider ist es häufig andersrum: Man glaubt mehr den Messgeräten als dem gesunden Menschenverstand."
aus
FussbodenTechnik 02/22
(Handwerk)