Ukraine-Krieg trifft Branche hart
Der kriegerische Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 hat weitreichende Folgen für die deutsche Bau- und Einrichtungsbranche. Die großen Verbände des Baugewerbes rechnen mit deutlichen Preissteigerungen und sich verschärfenden Lieferengpässen bei der Rohstoffversorgung. Es gibt hierzulande aber auch große Zeichen der Solidarität mit dem Not leidenden ukrainischen Volk.Die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs in der Ukraine treffen die deutsche Bauwirtschaft mit großer Härte, berichten Branchenverbände übereinstimmend. "Aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine und der weltweiten Sanktionen gegen Russland kommt es jetzt zu massiven Lieferengpässen und deutlichen Preissteigerungen bei vielen Baustoffen", teilte etwa der Landesverband Bayerischer Bauinnungen Anfang März 2022 mit. "Die aktuelle Destabilisierung der Rohstoffkosten betrifft nahezu jedes Bauvorhaben. Wir appellieren an öffentliche und gewerbliche Bauherren, in dieser sehr schwierigen Situation, die noch viele Monate andauern wird, mit den Bauunternehmen zu kooperieren, um die Bautätigkeit in Bayern zu sichern", betonte der Hauptgeschäftsführer des Landesverbands, Andreas Demharter. "Laufende Verträge müssen individuell angepasst werden. Neue Verträge müssen die extreme Unsicherheit bei den Baustoffpreisen unbürokratisch und kooperativ berücksichtigen."
Und der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB), Felix Pakleppa, betonte: "Die deutschen und europäischen Sanktionen gegen Russland sind richtig und werden von der deutschen Bauwirtschaft nachdrücklich unterstützt. Die Sanktionen führen aber auch zu Belastungen der heimischen Bauwirtschaft, die getragen werden müssen." Die Folgen des russischen Krieges auf die Bautätigkeit in Deutschland werden von Tag zu Tag sichtbarer. "Es ist daher ein Gebot der Vernunft, die negativen Auswirkungen auf heimische Betriebe und Arbeitsplätze so gering wie möglich zu halten", sagte Pakleppa.
Bauunternehmen erhalten
oft keine Lieferzusagen mehr
Auch der ZDB-Hauptgeschäftsführer sprach von drohenden Lieferengpässen und deutlichen Preissteigerungen bei vielen Baustoffen. Unternehmen berichten, dass sie für Bauanfragen nur noch tagesaktuelle Preise und oftmals keine Lieferzusagen mehr bekommen. Hinzu kommen die steigenden Kraftstoffpreise, die gerade für die überregional tätigen Unternehmen zu einer besonderen Kostenbelastung werden. Die Bauwirtschaft als transportintensivste Branche sei besonders von den Preissteigerungen bei Kraftstoffen betroffen, sagte Pakleppa. Auch auf Lieferengpässe, die z. B. aufgrund fehlender ukrainischer Lkw-Fahrer entstehen, haben die Unternehmen keinen Einfluss.
"Vor dem Hintergrund dieser Situation brauchen wir unbürokratische Maßnahmen zur Sicherung der Bautätigkeit in Deutschland." Notwendig sei daher die sofortige Einführung von Stoffpreisgleitklauseln, auch für laufende Verträge, um wichtige Bauaufgaben fortführen zu können. "Wir brauchen daher schnell vertragsspezifische Lösungen, um der aktuellen Destabilisierung durch die Rohstoffkosten entgegenzuwirken. Schlussendlich müssen wir uns aber, wie bei Gas, von der Abhängigkeit von wenigen Anbietern befreien. Dies muss dringend in einer nationalen Rohstoffstrategie münden", forderte Pakleppa. Er schlug einen Runden Tisch vor, an dem Vertreter der Bauwirtschaft und der Bundesregierung beraten sollen, wie man die Auswirkungen dieser Krise minimieren könne. "Ansonsten bleiben die großen Bauvorhaben der Regierung auf der Strecke," erklärte der ZDB-Hauptgeschäftsführer abschließend.
Geld- und Sachspenden
aus der Branche
Der Krieg und die damit verbundenen Bilder von Leid und Flucht führen in Deutschland aber auch zu einer starken Solidarisierung mit den Ukrainern: So spendete beispielsweise die Uzin Utz Group 120.000EUR an humanitäre Einrichtungen und unterstützt damit die Menschen im ukrainischen Kriegsgebiet. Finanzvorstand Heinz Leibundgut prognostizierte, dass der Krieg sicherlich das Osteuropa-Geschäft der Ulmer betreffen werde, auf den Konzernumsatz jedoch keinen wesentlichen Einfluss haben werde. Der Verlegewerkstoffhersteller Bostik organisierte einen ganzen Lastwagen für Geflüchtete aus der Ukraine. Die 35 Paletten und rund 7,5 Tonnen Hilfsgüter wurden nach Rybnik, nahe der polnischen Stadt Kattowitz, gebracht, weil in Polen viele Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet ankommen.
Das ostwestfälische Familienunternehmen Windmöller startete eine kurzfristige Spendenaktion, die mehr als 15.000 EUR einbrachte. Über ein Tochterunternehmen in Polen kann unter anderem der direkte Kontakt zu dortigen Flüchtlingsunterkünften hergestellt werden. Unterstützt werden vor allem Mütter mit ihren Kindern, die beispielsweise in Turnhallen untergebracht sind.
Die Deutsche Messe, Veranstalterin der Domotex, richtete eine Messehalle als Behelfsunterkunft für Geflüchtete her. "Wir bereiten in enger Abstimmung mit der Feuerwehr Hannover die Messehalle 27 für zunächst 800 und später für weitere 400 Personen vor", berichtete der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Messe, Dr. Jochen Köckler. Weitere deutsche Messegesellschaften schlossen sich den Sanktionen gegen Russland und Belarus an: So entschied die Messe Frankfurt, bis auf Weiteres Aussteller aus diesen beiden Staaten nicht mehr auf ihren Veranstaltungen zuzulassen. Zuvor hatte sie entschieden, ihre Veranstaltungen in Russland bis auf Weiteres auszusetzen.
GHF: Holzwerkstoffe
von Sanktionen massiv betroffen
Während deutschlandweit solche Solidarisierungs-Aktionen und Demonstrationen für den Frieden stattfinden, verschärft der Krieg die seit der Corona-Pandemie eh schon stark angespannte Versorgungssituation mit Baumaterialien weiter. Wie der Bundesverband Großhandel Heim & Farbe (GHF) dazu mitteilte, seien Holzwerkstoffe von den verhängten Sanktionen massiv betroffen. Dazu gehört auch Parkett: Die Produktionsstätten sowie der Rohstoff befinden sich zu einem großen Teil in Russland, der Ukraine und in Belarus. Die Parketthersteller haben nach GHF-Angaben bereits Preisvereinbarungen aufgekündigt und Lieferungen storniert. Unklar sei demnach, wie es in den kommenden Wochen weitergehe und ob es Ersatzrohstoffe in ausreichender Menge geben werde. Preiserhöhungen von bis zu 100 % seien nicht ausgeschlossen, sofern Ware überhaupt geliefert werden könne. Die Lager der Händler seien gut gefüllt, sodass eine Verfügbarkeit von drei bis vier Wochen gewährleistet werden könne, berichtete der GHF.
Holz aus Russland und Belarus
jetzt "Konfliktholz"
Sämtliches Holz aus Russland und Belarus gilt zudem ab sofort als "Konfliktholz". Es kann daher nicht mehr für PEFC-zertifizierte Produkte verwendet werden. Das stellte der PEFC-Vorstand in einer außerordentlichen Sitzung am 4. März klar, um die Integrität seiner Produktketten-Zertifizierung zu gewährleisten. Die Entscheidung gilt zunächst für sechs Monate. PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) ist die größte Institution zur Sicherstellung und Vermarktung nachhaltiger Waldbewirtschaftung durch ein unabhängiges Zertifizierungssystem.
Der Europäische Verband der holzverarbeitenden Industrie (CEI-Bois) und die Europäische Organisation der Sägewerksindustrie (EOS) warnen vor einem "Schock in der Wertschöpfungskette für Holzprodukte" infolge des Ukraine-Krieges. Offiziellen Statistiken zufolge stammten im Jahr 2021 etwas weniger als 10 % des in Europa verbrauchten Nadelschnittholzes aus Russland, Belarus oder der Ukraine. Im Laubholzbereich hat ukrainische Eiche einen erheblichen Anteil - dort seien Engpässe zu erwarten. Das gelte ebenso für Schnitt- und Birkensperrholz, die im Bau verwendet werden, sowie für Holzpaletten, auf denen verschiedene Güter transportiert werden.
Obi und Ikea
stellen Russlandgeschäfte ein
Exemplarisch für die Auswirkungen auf den DIY-Bereich stellte die Obi-Gruppe ihre Russlandgeschäfte ein. Die Tengelmann-Tochter betreibt in Russland 27Märkte mit rund 4.900 Mitarbeitenden. Gemessen an der Gesamt-Belegschaft macht Russland etwa ein Zehntel aus: Obi hat rund 48.000 Beschäftigte und 670 Märkte in elf Ländern - Schwerpunkt ist Deutschland. Zuvor hatten sich bereits andere Handelskonzerne bis auf Weiteres aus Russland zurückgezogen, darunter der schwedische Möbelhändler Ikea.
Auch für die Tapetenhersteller war Russland bisher ein wichtiger Markt, einige wie A.S. Création aus Gummersbach und Erisman aus Breisach haben dort sogar eigene Werke. Von den Unternehmen sind mit Ausnahme von Gebr. Rasch aus Bramsche (siehe Kasten) bis Redaktionsschluss noch keine Statements eingegangen.
aus
BTH Heimtex 05/22
(Bodenbeläge)