3 Szenarien für das Zuhause 2030

Eine Studie sieht das Zuhause 2030 entweder als einen Ort des Wandels, der gleichberechtigten Selbstverwirklichung oder des systematischen Rückzugs. Eine zumindest teilweise Umkehr des Urbanisierungstrends halten die Experten für möglich.

Es gibt kaum etwas individuelleres als das eigene Zuhause, sowohl was dessen Gestaltung betrifft als auch die Bedeutung für den Einzelnen. Das Spektrum reicht vom repräsentativen Statussymbol über einen Ort der Geborgenheit und das funktionale Homeoffice bist zur schlichten Schlafstätte. Welchen Charakter das Zuhause 2030 haben wird, hat das Center for Sports and Management (CSM) der WHU - Otto Beisheim School of Management im Rahmen einer Delphi-Studie (siehe Kasten) versucht herauszufinden. Ein 60-köpfiges Experten-Panel hat dazu 14 Zukunftsprojektionen evaluiert, die Ergebnisse sind in drei Zukunftsszenarien eingeflossen. Weil die Studie im Auftrag des Werkzeug- und Gartengeräteherstellers Einhell durchgeführt wurde, lag ein Fokus auf den Bereichen DIY und Akkutechnik.

Eine grundlegende Veränderung in der Bedeutung der heimischen vier Wände sehen die Experten nicht: "In einer gefühlt zunehmend unsicher werdenden Welt erwarten sie, dass das Zuhause ein sicherer Rückzugsort sein wird, eine Art Refugium, an dem die Bewohner vielfältige Aktivitäten entfalten können." Zudem bestehe eine vergleichsweise hohe Übereinstimmung darin, dass das Zuhause weiterhin ein Zugehörigkeitsgefühl vermitteln und ihm eine hohe Bedeutung im Ausdruck der eigenen Ideen und Werte zukommen wird.

Szenario 1 sieht das Zuhause 2030 als einen Ort des Wandels: Menschen ziehen vermehrt von der Stadt aufs Land, modernisieren ihr Zuhause, nutzen Smart-Home-Technologien und Akkus für ihre motorbetriebenen Geräte. "Dieses Szenario hat nicht nur die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit aus Sicht der befragten Experten, sondern auch die höchste Wünschbarkeit - nicht zuletzt, weil damit auch eine vermeintlich deutliche Verbesserung der Lebensqualität einhergeht", stellt Prof. Dr. Sascha L. Schmidt, akademischer Leiter des WHU Center for Sports and Management, fest.

Nicht ganz so wahrscheinlich wie Szenario 1, aber "eventuell möglich": Szenario 2, welches das Zuhause als Ort der gleichberechtigten Selbstverwirklichung beschreibt. DIY gehört hier zu den beliebtesten Freizeitaktivitäten. Mann und Frau agieren dabei gleichberechtigt und sind stolz auf das, was sie geleistet haben: "Die eigenen vier Wände werden als wesentliches Statussymbol in den sozialen Medien präsentiert", so Schmidt.

Für insgesamt eher unwahrscheinlich halten die Autoren das dritte Szenario, in dem das Zuhause zu einem Ort des systematischen Rückzugs wird. Die Menschen verbringen die meiste Zeit daheim - auch weil sie hier arbeiten -, der Anteil der Eigenheimbesitzer sinkt und Algorithmen entscheiden eigenständig über Anschaffungen für Wohnung und Haus. Die Feststellung, dass es 2030 nur noch eine standardisierte Akkuplattform für elektronische Geräte gibt, hält die Studie für besonders wünschbar, aber unwahrscheinlich, weil bei den Hersteller das Interesse an wettbewerbs- und/oder industrieübergreifenden Lösungen fehle.

In der Beurteilung der Ergebnisse weist Schmidt insbesondere auf die Einschätzung des Expertengremiums hin, dass es eine gewisse Umkehr des seit langem bestehenden Urbanisierungstrends geben könnte. Gründe dafür sollen anhaltend steigende Immobilien- und Mietpreise in den Städten sein, aber auch ein Streben nach einer Verbesserung der allgemeinen Lebenssituation mit mehr Lebens- und Gestaltungsraum. Vor allem junge Familien seien dafür offen, zumal mit der fortschreitenden Digitalisierung Homeoffice erleichtert und die Versorgung über Lieferdienste ermöglicht werde. "Die meisten Experten differenzieren allerdings zwischen Land und dem sogenannten Speckgürtel der Großstädte, so dass wir keine regelrechte Stadtflucht erwarten sollten."


Zur Methodik der Studie

"Das Zuhause 2030" ist eine Delphi-Studie: Statt anhand messbarer Werte oder Antworten in einer Umfrage sind die Ergebnisse durch eine strukturierte, anonyme Gruppenkommunikation zustande gekommen. Das heißt, Experten haben vorformulierte Aussagen (Projektionen) bewertet hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens (in Prozent) sowie ihrer Wirkung und Wünschbarkeit (Skala von 1 = "sehr gering" bis 7 = "sehr hoch"). Anschließend konnten sie ihre Einschätzungen anhand der Bewertungen der übrigen Experten beibehalten oder revidieren. Durch dieses Vorgehen habe sich die Stichhaltigkeit, Akzeptanz, Plausibilität und Konsistenz zukunftsorientierter Studien nachweislich verbessert, stellen die Autoren fest. Für "Das Zuhause 2030" wurden zunächst 14Projektionen (siehe Übersicht "Die 14Projektionen") entwickelt. 60 Experten aus dem deutschsprachigen Markt mit "einem hohen Kompetenzniveau in den Bereichen Architektur, Beratung, Heimwerker-, Bau- und Gartenmärkte sowie Smart Home" haben diese anschließend bewertet. Die Varianz in den Aussagen der Experten sei relativ hoch gewesen. Ein Konsens wurde daher nur bei fünf Projektionen erzielt. Sechs wurden in einer Kombination aus zu geringer Eintrittswahrscheinlichkeit und Wünschbarkeit abgelehnt. Die Ergebnisse bildeten die Grundlage für drei Zukunftsszenarien, die jeweils drei bis fünf Zukunftsprojektionen umfassen (siehe Grafik).

"Es geht bei Zukunftsstudien nicht primär darum, ob es so kommt, wie und was vorhergesagt wurde, sondern entscheidend ist, dass man sich mit der Zukunft an sich auseinandersetzt und verschiedene Zukunftszenarien und deren Auswirkungen ins Blickfeld nimmt. Die Ergebnisse einer Zukunftsstudie ermöglichen es, sich auf verschiedene Zukünfte besser vorzubereiten", so Prof. Dr. Sascha L. Schmidt vom WHU/CSM.
3 Szenarien für das Zuhause 2030
Foto/Grafik: Quelle: CSM Research Report. Delphi-Studie: Das Zuhause 2030
Die 3 Zukunftsszenarien 2030
aus BTH Heimtex 06/22 (Handel)