Fachanwalt Andreas Becker informiert
Dreh- und Angelpunkt des Bauvertrags: die Abnahme
DerAbnahmesehen Handwerksbetriebe als Auftragnehmer meist ebenso entgegen wie deren Kunden (Auftraggeber). Das liegt aber nicht nur daran, dass die Bauarbeiten dann endlich abgeschlossen sind. Auch rechtlich hat die Abnahme eine große Bedeutung, da von ihr unterschiedliche Rechtswirkungen ausgehen.I. Begriff Abnahme
Unter einer rechtsgeschäftlichen Bauabnahme wird die körperliche Entgegennahme der Leistung verstanden, verbunden mit der Erklärung des Auftraggebers, dass er das hergestellte Werk als im Wesentlichen vertragsgerecht billigt.
Neben der ausdrücklichen bzw. förmlichen Abnahme gibt es noch die sogenannte stillschweigende oder konkludente Abnahme. Aus einem tatsächlichen Verhalten des Auftraggebers wird objektiv eine Billigung der Leistung abgeleitet - etwa bei Ingebrauchnahme der Werkleistung oder Zahlung der vereinbarten Vergütung. Hiervon zu unterscheiden ist die sogenannte fiktive Abnahme (§ 12 Abs. 5 Nr.1 und Nr. 2 VOB/B, § 640 Abs. 2 BGB), bei der die Abnahmewirkungen unabhängig vom Willen des Auftraggebers eintreten.
II. Fälligkeit der Vergütung
Im Rahmen eines typischen Werkvertrags kann der Auftragnehmer - mangels anderer Regelungen in dem Vertrag - die Vergütung mit Abnahme der Werkleistung verlangen (§ 641 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Insofern ist die Abnahme auch eine Voraussetzung für deren Fälligkeit, der es nur dann nicht bedarf, wenn die erbrachte Werkleistung abnahmereif ist, also keine "wesentlichen Mängel" aufweist und eine Abnahmeverweigerung durch den Auftraggeber unberechtigt ist. Die Abnahme kann nur bei Vorliegen wesentlicher Mängel verweigert werden. Sind Abschlagszahlungen vereinbart, ist die Abnahme dann Voraussetzung für die Fälligkeit der Schlussrechnung.
III. Gewährleistung
nach Abnahme
Ob ein Werk mangelfrei ist, beurteilt sich grundsätzlich erst im Zeitpunkt der Abnahme. Vor der Abnahme kann der Auftraggeber keine Gewährleistungsansprüche geltend machen. Er hat allenfalls einen Anspruch auf Erfüllung gemäß § 631 BGB und ggf. Ansprüche aus dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht. Bei Mangelhaftigkeit des Werkes kann der Auftraggeber das ihm zustehende Leistungsverweigerungsrecht (§§ 641 Abs. 3, 632a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB) ausüben. Ein sich daraus ergebender angemessener Einbehalt entspricht in der Regel dem Doppelten der für die Beseitigung der nicht vertragsgemäßen Leistung erforderlichen voraussichtlichen Kosten (§ 641 Abs. 3 BGB).
Der Auftraggeber kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - vor allem Nachfristsetzung - ausnahmsweise Gewährleistungsansprüche nach §§ 634 ff. BGB auch ohne Abnahme geltend machen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Januar 2017 - VII ZR 301/13), wenn er nicht mehr die Erfüllung des Vertrags verlangen kann und das Vertragsverhältnis in einAbrechnungsverhältnis übergegangen ist. Ein solches Abrechnungsverhältnis wird angenommen, wenn der Auftraggeber gegenüber dem Unternehmer nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes geltend macht, die Minderung des Werklohns erklärt oder vom Werkvertrag zurücktritt. Verlangt wird zudem, dassder Auftragnehmerdas Werk als fertiggestelltzur Abnahme angebotenhat. Allein das Verlangen eines Vorschusses für die Beseitigung eines Mangels im Wege der Selbstvornahme (§ 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, 3 BGB) genügt dafür allerdings nicht. In diesem Fall entsteht ein Abrechnungsverhältnis gleichwohl, wenn der Besteller ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck bringt, unter keinen Umständen mehr mit dem Unternehmer, der ihm das Werk als fertiggestellt zur Abnahme angeboten hat, zusammenarbeiten zu wollen.
Folgende Rechte des Auftraggebers aus der Gewährleistung (§§ 634 ff. BGB) ergeben sich, wenn ein Mangel und die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen:
- Nacherfüllung bzw. Nachbesserung (§ 635 BGB)
- Rücktritt vom Vertrag (§636 BGB)
- Selbstvornahme (§ 637 BGB)
- Vergütungsminderung (§638 BGB)
- Schadenersatz bzw. Ersatz für vergebliche Aufwendungen (§ 636 bzw.281-285 BGB)
IV. Verjährung
Mit der Abnahme der Werkleistungen beginnen auch die Verjährungsfristen für Mängel zu laufen. Die Verjährung solcher Ansprüche beginnt einheitlich und frühestens mit der Abnahme oder mit dem Entstehen eines Abrechnungsverhältnisses - regelmäßig sind dies fünf Jahre (§ 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB). Da jedoch im Rahmen eines VOB/B-Vertrags auf Verlangen des Auftragnehmers auch in sich abgeschlossene Teilleistungen besonders abzunehmen sind, beginnen in einem solchen Fall die Verjährungsfristen für Mängelansprüche mit der jeweiligen Teilabnahme mit dann unterschiedlichen Laufzeiten für die Teilleistungen.
V. Rechtsverlust bei
fehlendem Vorbehalt
Nimmt der Auftraggeber ein mangelhaftes Werk ab, obwohl er den Mangel kennt, so stehen ihm die in §634Nr. 1 bis 3 bezeichneten Gewährleistungsrechte nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält (§640 Abs. 3 BGB). Enthält der Werkvertrag zudem eine Regelung zu Vertragsstrafen wegen verspäteter oder mangelhafter Leistung, so muss sich der Auftraggeber bei der Abnahme auch die Geltendmachung der Vertragsstrafe vorbehalten (§ 341 Abs. 3 BGB).
VI. Übergang der
Vergütungs- und Leistungsgefahr
Mit der Abnahme gehen Leistungs- und Vergütungsgefahr auf den Auftraggeber über. Unter der Vergütungsgefahr versteht man das Risiko des Auftraggebers, die vereinbarte Vergütung zahlen zu müssen, obgleich sich die Werkleistung verschlechtert hat oder sogar untergegangen ist. Als Leistungsgefahr wird das Risiko des Auftragnehmers verstanden, das durch Zufall oder höhere Gewalt beschädigte Werk neu herzustellen oder reparieren zu müssen, auch wenn den Auftragnehmer kein Verschulden trifft.
VII. Umkehr der Beweislast
Eine weitere Rechtsfolge der Abnahme betrifft die sogenannte Beweislastumkehr (§ 363 BGB). Bis zum Zeitpunkt der Abnahme trägt der Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast für die Mangelfreiheit seiner Werkleistung. In Bezug auf Mängel, deren Beseitigung sich der Auftraggeber vorbehält, kommt es nicht zu einer Beweislastumkehr.
VIII. Dokumentation
Zur ordnungsgemäßen Dokumentation der Abnahme sollte ein Abnahmeprotokoll gehören. Gibt es trotz Fertigstellung einige Leistungen, die noch auszuführen sind bzw. sind einige unwesentliche Mängel zu beheben, werden diese im Abnahmeprotokoll erfasst (Abnahme unter Vorbehalt). Sofern es über die Mangelhaftigkeit unterschiedliche Auffassungen gibt, sollte dies bereits im Abnahmeprotokoll vermerkt werden. Der Auftragnehmer muss zeitnah die gerügten Mängel beseitigen. Auch die Abnahme der Mangelbeseitigung ist zu dokumentieren.
Der Autor
Andreas Becker ist Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.
Becker-Baurecht
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aus
FussbodenTechnik 06/24
(Recht)