Recht: Verbraucherwiderrufsrecht
Fehlende Belehrung verlängert Frist
Handwerkern ist vielfach nicht bewusst, dass das aus dem Online-Handel bekannte Verbraucherwiderrufsrechtauch ihren Kunden zustehen kann, sofern Verträge per Telefon, E-Mail oder auch direkt auf der Baustelle abgeschlossen werden. Fachanwalt Andreas Becker schildert die Rechtslage und gibt Tipps.Bei Verträgen mit Verbrauchern steht diesen ohne Angabe von Gründen nach § 312g BGB ein gesetzliches Widerrufsrecht von 14 Tagen zu, wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume eines Unternehmens geschlossen wurde. Zudem betrifft dies sogenannte Fernabsatzverträge, also vor allem online oder telefonisch geschlossene Verträge sowie sogenannte Haustürgeschäfte. Der Widerruf hat grundsätzlich zur Folge, dass das Vertragsverhältnis sich juristisch betrachtet in ein sogenanntes Abwicklungsverhältnis umwandelt. In dem Fall müssen grundsätzlich bereits getätigte Leistungen der jeweils anderen Vertragspartei zurückgewährt werden.
Erhält der Verbraucher bei Vertragsschluss eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung, kann er dieses Recht zwei Wochen lang ausüben und muss zugleich Wertersatz für die bis dahin angefallenen Material- und Arbeitskosten leisten bzw. die Ware zurückgeben.
Erfolgt keine entsprechende Belehrung durch den Handwerker, verlängert sich das Widerrufsrecht um ein Jahr. Dessen Kunde kann dann den Vertrag also ein Jahr und zwei Wochen lang widerrufen. Außerdem - und das ist der entscheidende Unterschied - muss der Auftraggeber bei fehlender Widerrufsbelehrung auch keinen Wertersatz für die bis dahin erbrachten Leistungen zahlen. Die Konsequenz: Der Kunde kann zwar die von dem betroffenen Handwerker erbrachte Leistung behalten, Letzterer muss aber gleichwohl den geleisteten Werklohn vollständig zurückzahlen.
Es wird nicht unterschieden, ob ein Kaufvertrag, ein Werklieferungsvertrag oder ein reiner Werkvertrag vorliegt. Verträge über Bau- und Handwerkerleistungen außerhalb des Verbraucherbauvertrages sind hingegen Verträge im Sinne von § 357 BGB. Bei Widerruf dieser Verträge besteht ein Wertersatzanspruch für die nicht mehr rückgabefähigen Bauleistungen nur dann, wenn eine ordnungsgemäße Information des Kunden erfolgt ist oder eine der unten stehenden Ausnahmen greift, etwa der Unternehmer durch ausdrückliche Leistungsaufforderung des Auftraggebers schon vor Ablauf der Widerrufsfrist mit den Arbeiten hat beginnen müssen. Fehlt es an einer Belehrung des Auftraggebers, steht dem Handwerker auch kein Wertersatzanspruch für die bis zum Widerruf erbrachten Leistungen zu (§ 357 BGB). Der Unternehmer ist dann vielmehr zur Rückzahlung verpflichtet und geht ohne zutreffende Belehrung seinerseits komplett leer aus.
Praxisbeispiel
Ein Bauherr beauftragt Bodenbelagsarbeiten in seiner Wohnung und leistet eine Anzahlung. Eine Widerrufsbelehrung durch den Handwerker erfolgt nicht. Nach Ausführung der Arbeiten widerruft der Kunde den Vertrag und verlangt den bereits gezahlten Vorschuss zurück. Der Handwerker wird zur Rückzahlung des Vorschusses verurteilt, da dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zustand. In dem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob die Arbeiten fachgerecht und mangelfrei erfolgten. Das Widerrufsrecht besteht unabhängig von etwaigen Gewährleistungsansprüchen.
Der Fall zeigt, wie wichtig es für Handwerksbetriebe ist, über das Widerrufsrecht Bescheid zu wissen und ihre Kunden korrekt darüber zu informieren. Ein Widerrufsrecht des Verbrauchers scheidet aus folgenden Gründen aus:
Vertragsschluss innerhalb von Geschäftsräumen des Unternehmers
Bei dringenden Reparaturen und Instandhaltungsmaßnahmen, für die der Kunde den Unternehmer ausdrücklich angefordert hat (§ 312g Abs. 2 Nr. 11BGB)
Bei Verträgen über Waren, die nicht vorgefertigt sind oder deren Herstellung auf die persönlichen Bedürfnisse des Kunden zugeschnitten sind, zum Beispiel nach Kundenwünschen individuell gefertigte Schmuckstücke, die online verkauft werden (§ 312g Abs. 1 Nr. 1BGB)
Wenn die Ware nach ihrer Lieferung untrennbar mit anderen Gütern vermischt wird. Das betrifft vor allem Werkmaterialien und Baustoffe.
Erlöschen des Widerrufsrechts
Nach § 356 Absatz 4 BGB erlischt das Widerrufsrecht bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen, wenn der Handwerker die Dienstleistung vollständig erbracht und mit der Ausführung der Dienstleistung erst nach ausdrücklicher Zustimmung des Kunden begonnen hat. Außerdem muss der Auftraggeber vor Ausführung der Dienstleistung seine Kenntnis davon bestätigt haben, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert.
Mit einigen Abweichungen hierzu gilt das Widerrufsrecht gemäß § 650l BGB auch bei einem Verbraucherbauvertrag. Bei Verbraucherbauverträgen besteht das gesetzliche Widerrufsrecht ohne jede Ausnahme, also auch bei in den Geschäftsräumen des Unternehmers abgeschlossenen Verträgen. Im Unterschied zu anderen Vertragsarten steht bei Verbraucherbauverträge nach § 650i BGB dem Unternehmer ein Wertersatzanspruch stets zu. Wurden bereits Leistungen erbracht, sollte der Verbraucher also gut abwägen, ob er den Vertrag tatsächlich widerrufen möchte.
Tipp:
Musterwiderrufsbelehrungen benutzen
Der Handwerker sollte seinen Kunden vorab klar über sein Widerrufsrecht informieren und die entsprechende Belehrung vornehmen. Musterwiderrufsbelehrungen erhalten Handwerker über die zuständigen Innungen und die Handwerkskammern. Auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) stellt Handwerksbetrieben entsprechende Musterformulierungen zur Verfügung. Aus Beweisgründen sollten keine separaten Blätter für die Widerrufsbelehrung erstellt werden, sondern diese sollte besser in das Angebot integriert werden.
Dierechtlicheinzig sichere Möglichkeit ist, dass derVertragsschluss in den Geschäftsräumen des Handwerkersstattfindet.
Der Autor
Andreas Becker ist Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht.
Becker-Baurecht
Nienburger Str. 14a 30167 Hannover
Tel.: 0511/1231370 www.becker-baurecht.de
info@becker-baurecht.de
aus
Parkett Magazin 06/24
(Recht)