Wild Heart Free Soul/Berlin

Kelims als Herzensangelegenheit


Wer durch Berlin-Mitte in Richtung Prenzlauer Berg schlendert, kommt am einladenden Eckladen Wild Heart Free Soul von Beyza Nur Özler vorbei. Sie hat sich auf handgefertigte Vintage-Kelims spezialisiert, die sie auf Ihren Reisen durch Anatolien aufspürt. Oft sind das viele Jahrzehnte alte Familienstücke aus Haushaltsauflösungen oder von Erben, die selbst kein Interesse mehr daran haben. Vor Ort hat sie einen Partner, der sich auch um die Reinigung und Restaurierung kümmert und die Stücke, die anderweitig nicht zu retten sind, zu Kissenbezügen verarbeitet. "Ich finde die alten Muster ganz wunderbar und freue mich, wenn die einzigartigen Teppiche bei meinen Kunden ein zweites Leben bekommen", sagt Beyza Nur Özler, "mehr Nachhaltigkeit geht eigentlich nicht".

Vor 10 Jahren startete Beyza Nur Özler ihr Business. Sie stammt aus einer türkischen Gastarbeiterfamilie und studierte Textilwirtschaft. Nach Jahren in der Mode und mit der Geburt ihrer ersten Tochter kehrte sie der schnelllebigen Branche den Rücken und reiste in die Türkei, auch, um sich mit ihren Wurzeln zu beschäftigen. Aus zwei Wochen wurden zwei Jahre, in denen sie durch Zufall den türkischen Kelim kennen und lieben lernte. Nach ihrer Rückkehr baute sie ihr Geschäft in Berlin sukzessive und organisch auf. "Kelims sind für mich eine Herzensangelegenheit voller Magie, und sie haben mich mit der Textilwelt versöhnt", sagt sie. Gelegentlich eröffnet sie Pop-up-Stores, beispielsweise in Köln und Hamburg. Außerdem verleiht sie ausgewählte Teppiche für Fotoshootings, Events oder Hochzeiten.

Seit März 2023 ist sie am jetzigen Standort und veranstaltet regelmäßig Ausstellungen für ihre Kunden. Im letzten Herbst war es eine Kooperation mit Christopher Farr, den sie zufällig auf der Maison & Objet in Paris kennengelernt hatte, da beide mit dem Besitzer derselben Weberei in Usak befreundet sind. Er besitzt die Rechte an den Entwürfen der Bauhaus-Textildesignerin Gunta Stölzl, die er hat weben lassen. Gleichzeitig ging es um eine Würdigung der Frauen, die hinter dem Webstuhl stehen.

Trotz ihrer begrenzten Ressource plant Beyza Nur Özler eine eigene Kollektion. Damit will sie die handwerkliche Tradition am Leben erhalten und die Weberinnen vor Ort unterstützen. Ihr Ziel: ein für alle Seiten profitables, ausgewogenes Geschäftsmodell mit fairen Bedingungen. Inzwischen hat sie in der türkischen Stadt Uak drei Webstühle gekauft und erste Gespräche mit Knüpferinnen geführt.
Kelims als Herzensangelegenheit
Foto/Grafik: Carina Adam
Christopher Farrs Bauhaus-Teppich (l.) nach einem Entwurf von Bauhaus-Designerin Gunta Stölzl. Rechts daneben: Teppich Equivocal von Bauhaus-Designer Josef Albers.
Kelims als Herzensangelegenheit
Foto/Grafik: Carina Adam
Teppich Freedom von Halime Yildiz in der Ausstellung Women behind the Weave mit eigenen Entwürfen der Bauhausteppich-Weberinnen.
aus Carpet! 04/24 (Handel)