Industrie sieht bei Nachhaltigkeit noch Potenzial
Von den Rohstoffen über die Herstellung und die Produkte bis zu den Präsentationsmaterialien - die Industrie hat viele Möglichkeiten, nachhaltig zu agieren. Sie tut es auch und vergisst dabei nicht, die Kunden zu dem Thema zu informieren."Das Thema Nachhaltigkeit ist enorm vielschichtig und natürlich erklärungsbedürftig." Davon ist Frank Selbeck, Marketingleiter bei Gerflor Mipolam, überzeugt. Wie viele Lieferanten informiert der Bodenbelagshersteller den Groß- und Fachhandel deshalb umfassend über die Nachhaltigkeitsaspekte seiner Produkte, damit dieser seine Kunden am Point of Sale thematisch umfassend beraten kann.
Damit aber nicht genug. Die überwiegende Zahl der Industrieunternehmen stellt - wie unsere Umfrage unter Herstellern von Bodenbelägen, Farben, Tapeten, Stoffen und Sonnenschutz ergab - nicht nur umweltschonende Produkte her, sondern betrachtet Nachhaltigkeit auch als Bestandteil der Unternehmensphilosophie. So verschicken die Hamelner Teppichwerke (Vorwerk Flooring) bereits seit 1996 Umweltberichte als PDF an Raumausstatter und Händler, in denen unter anderem ressourcenschonende Maßnahmen sowie alle Emissions- und Abgaswerte detailliert und transparent dargestellt werden. Dies schärft das Bewusstsein für Nachhaltigkeit im B2B-Bereich und führt dazu, dass das Interesse am Thema verstärkt wird, wovon letztlich der Endkunde durch umfassendes Wissen seines Händlers profitiert. "Um unsere Kunden umfassend zu informieren, stellen wir Fact Sheets zu allen relevanten Themen bereit", berichtet Joseph Wheeler, Geschäftsführer Sales & Marketing bei Dekostoffhersteller Neutex. "Wir verstärken die Kommunikation in Richtung Fachhandel und Handwerk, um diese über die Möglichkeiten des Einsatzes von attraktiveren, nachhaltigen Produkten zu informieren", erklärt Jörg von Rhade, Geschäftsführer des Farbenproduzenten Südwest.
Alle Kommunkiationskanäle
nutzen
Tapetenhersteller A.S. Création hat im vergangenen Jahr seine Einlegezettel umstrukturiert, auf denen nun die vier Bereiche Nachhaltigkeit, Qualitätsversprechen, Recycling und Verarbeitungshinweise dargestellt werden, um diesen die freiwilligen und verpflichtenden Siegeln zuzuordnen. Die Meffert AG bezieht die sozialen Medien mit ein: "Neben den Signets und Auslobungen auf unseren Produkten nutzen wir jeden Kommunikationskanal, der unsere Zielgruppe erreicht", betont Benedikt Merz, Vertriebsleiter Großhandel für die Farben der Marke Profitec.
Marie De Laet, Nachhaltigkeitsmanager bei Teppichfliesenhersteller Modulyss, ist davon überzeugt, dass die Entscheidungsfindung durch gezielte Information über Nachhaltigkeitsaspekte erleichtert wird. "Wir liefern Zahlen und Fakten zu unseren Produkten, stellen aber auch allgemeine Inhalte zum Thema Nachhaltigkeit zur Verfügung - online wie offline."
Entwicklungspotenzial
bei den Produkten
Alle Unternehmen sehen aber noch Entwicklungspotenzial auf der Produktseite. Bei Neutex wird der Fokus nach Angaben von Joseph Wheeler auf natürlichen und synthetischen Materialien liegen. "Gleichzeitig werden die Ansprüche an synthetische Materialien deutlich steigen", sagt er und verweist darauf, dass sie abbaubar, recycelbar und wiederverwendbar sein müssen. "Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit wird sich kontinuierlich weiter entwickeln", ist sich der Geschäftsführer sicher.
Auch Jörg von Rhade sieht für seinen Produktbereich noch Optimierungsmöglichkeiten und nennt die Stichworte Lösungsmittel, Biozide sowie anteilig Rohstoffe aus nachwachsenden Materialien oder mit Recyclinganteil. Eine besondere Rolle spielen für ihn auch die Gebinde für mineralische Beschichtungen. Die bestehen bereits aus Recycling-Kunststoff. Da setzt die Marke Profitec ebenfalls an: "Wir sind die ersten Hersteller der Branche, die für den Profi-Maler Produkte in Eimern mit Kunststoffbügel abfüllen. Diese Gebinde sind anteilig aus recyceltem Material und selbst wiederum bis zu 100 % recycelbar", sagt Benedikt Merz.
Insgesamt geht es darum, Ressourcen schon im Produktionsprozess zu schonen und möglichst kreislauffähige Produkte herzustellen. Kreislauffähigkeit ist nach Ansicht von Frank Selbeck inzwischen ein echter Wettbewerbsvorteil. "Denn diesen ganzheitlichen Ansatz können asiatische Hersteller oder deren europäische Vertriebsgesellschaften nicht bieten", meint der Gerflor-Marketingleiter.
Kreislaufwirtschaft im Fokus
Die Hamelner Teppichwerke verweisen darauf, dass sie schon seit Jahren recyceltes Material verwenden. "Unsere Rücken bestehen zu 100 % aus recyceltem PET-Material", macht Erik Fricke klar und bezeichnet das Econyl-Garn von Aquafil als bekanntestes Beispiel für derartige Vorprodukte; es wird aus ausrangierten Fischernetzen und Industrieabfällen hergestellt. "Die Zahl der Teppichböden in unserem Sortiment mit diesem besonderen Garn nimmt ständig zu", weiß der Marketingchef.
Bei A.S. Création steht Recyclingfähigkeit ebenfalls hoch im Kurs. Aber das Unternehmen geht wie viele andere noch weiter. "Wir setzen uns ehrgeizige Ziele zur Reduzierung unseres CO-Fußabdrucks im Unternehmen und entlang unserer gesamten Lieferkette", erläutert Marketingleiter Stefan Gauger. Ziel sei es, bis 2023 eine Reduktion von 30,6 % des CO-Ausstoßes pro produzierter Tapetenrolle im Vergleich zu 2020 zu erreichen.
Für Ulf Kattelmann steht das Zusammenspiel von Design, Qualität und Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. "Es zieht sich wie ein grüner Faden durch die Kollektionen", erklärt der Geschäftsführer des Sonnenschutzherstellers Kadeco. Durch Recycling- und Upcycling-Prozesse oder den Einsatz von alternativen Ressourcen entstünden nachhaltige Stoffe und Gewebe mit hochfunktionalen Produkteigenschaften.
Das Bemühen der Industrie um Nachhaltigkeit setzt sich fort bis hin zu den Beratungsmitteln, die die Hersteller ihren Kunden im Fachhandel zur Verfügung stellen. So fokussieren sich die Hamelner Teppichwerke auf hohe Qualität ihrer VKF-Mittel, inklusive Kollektionskoffer und Deckenanhänger, damit sie über Jahre am PoS genutzt werden können. Ähnlich geht Gerflor vor. "Allerdings können wir eherlicherweise auch noch einiges verbessern", räumt Frank Selbeck ein. Seiner Meinung nach könnte über eine Art Rücknahmesystem nachgedacht werden, um Ressourcen und CO einzusparen.
Modulyss und Neutex halten digitale Elemente für zukunftsweisend, durch die weniger Papier verwendet werden müsste. Die Marke Profitec lässt ihren Flyer auf Papier aus nachwachsender Grasfaser drucken. Die Unternehmen haben also schon einiges in Gang gesetzt und entwickeln weitere Ideen, um die Umwelt auch in Bezug auf Infomaterial zu schützen.
| Cornelia Küsel
aus
BTH Heimtex 05/24
(Nachhaltigkeit)