Wohnbau in Europa: Mittelfristig keine Belebung


Die europäische Bauwirtschaft steckt in der Krise. Zinswende, Baupreissteigerungen, Inflation und dazu ein mäßiges Wirtschaftswachstum führten laut Euroconstruct schon 2023 zu einem Umsatzrückgang von 1,7 % auf 2,07Bio.EUR. 2024 sollen es nach den Prognosen des Forschungs- und Beratungsnetzwerks in den 19 beobachteten Ländern1) insgesamt noch einmal 2,1 % weniger sein.

Von der Entwicklung abkoppeln kann sich der Tiefbau, der allerdings lediglich ein Fünftel des Gesamtumsatzes ausmacht. Zwischen 2024 und 2026 hält Euroconstruct Umsatzsteigerungen von insgesamt 7,5% für möglich. "Trifft die Prognose zu, so wäre dieser Sektor zehn Jahre in Folge vor einer Marktschrumpfung verschont geblieben", heißt es in einer Zusammenfassung der Ergebnisse der Winterkonferenz des Netzwerks.

Im Großen und Ganzen Stagnation sehen die Experten im Hochbau bei den Nichtwohngebäuden mit Einbußen in 2024 und leichtem Wachstumsraten in den beiden Folgejahren. Hier zeige sich vor allem der Neubau schwach. Bei Geschäfts- und Industriegebäuden wirken nach wie vor Effekte aus der Corona-Pandemie - Stichworte: Homeoffice und Onlinehandel. Bei Lager- und Industriegebäuden kommen eher die angespannten gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum tragen. Profitieren könne der Nichtwohnbau hingegen von staatlichen Investitionen in den Gesundheitssektor sowie einem gestiegenen Bedarf an Versorgungseinrichtungen für eine alternde Gesellschaft.

Für die insgesamt negative Entwicklung und die gedämpften Aussichten verantwortlich ist letzten Endes der Wohnungsbau. "Dieses Bausegment dürfte im vergangenen Jahr um knapp 5% geschrumpft sein. 2024 ist zudem mit einem Rückgang um 5,4 % zu rechnen", so Euroconstruct. Die prognostizierten Steigerungsraten von 0,9 und 1,3 % in den Jahren 2025 und 2026 bezeichnen die Marktforscher als dürftig.

2023 sei das Wohnungsbauvolumen in 16 der 19 Länder gesunken, die positiven Ausnahmen sind Irland sowie in geringerem Maße Portugal und Spanien. 2024 könnte es den Prognosen zufolge lediglich in der Schweiz zu einer Trendumkehr kommen. 2025 wäre dann nur noch in Deutschland, Österreich und Italien die Entwicklung rückläufig.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Wohnungsfertigstellungen. Von 2022 auf 2023 bilanziert Euroconstruct einen Rückgang von 4,7% auf knapp 1,8 Mio. Einheiten in neu errichteten sowie in bestehenden Wohn- und Nichtwohngebäuden; 2024 sollen es sogar 12,2% weniger sein. Sollten sich die Prognosen bis 2026 bestätigen, lägen die Fertigstellungen dann insgesamt um 17,3% unter denen des Jahres 2022.

In Deutschland wären die Einbußen im Fünf-Jahres-Vergleich mit rund 120.000 Wohnungen am höchsten. 2026 würden nur noch 2,1Wohnungen je 1.000 Einwohner fertiggestellt. Das wäre den Bauexperten zufolge der niedrigste Wert seit 2010 - und erheblich weniger als der prognostizierte Durchschnittswert aller 19 Staaten von 3,2 Fertigstellungen je 1.000 Einwohner.

Zumindest einen Silberstreif am Horizont sehen die Marktbeobachter dann doch: "Tatsächlich hält sich der europäische Markt für Wohnungssanierungen deutlich besser als der Blick auf das Gesamtgebiet vermuten lassen würde - 2024 werden nur drei Ländermärkte ein Minus aufweisen." Zwar weise die Statistik ein Umsatzminus von rund 6 % aus. Ohne die Entwicklung in Italien - hier hat ein Corona-Konjunkturprogramm die Zahlen erst nach oben getrieben und nachdem es zurückgefahren wurde für einen entsprechenden Rückgang gesorgt - ergebe sich eine Seitwärtsbewegung.

Förderprogramme der öffentlichen Hand zeigen offensichtlich Wirkung. Aber auch staatliche Vorgaben hinsichtlich energetischer Anforderungen lösen offenbar Investitionen aus. So schreibe etwa in Frankreich der Gesetzgeber für Mietwohnungen bestimmte Energieeffizienzklassen vor. Werden diese nicht erfüllt, sind Mieterhöhungen untersagt oder dürfen Wohnungen im Extremfall gar nicht mehr vermietet werden. Vermieter haben daher ein großes Interesse an energetischer Sanierung.


1) Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Spanien, Tschechien, Ungarn
Wohnbau in Europa: Mittelfristig keine Belebung
Foto/Grafik: SN-Verlag; Quelle: Euroconstruct
Wohnungsfertigstellungen Europa 2022 bis 2026
aus BTH Heimtex 04/24 (Bau)