"Den eindeutigen Tapetentrend gibt es nicht"

Natürliche Muster und Farbtöne sind nach Meinung von Experten derzeit beliebt. Sie schaffen eine ruhige und entspannte Atmosphäre. Designer Bernhard Holzapfel ruft die Industrie zu stärkerer Positionierung auf.

Wer einen Tapetendesigner nach Trends fragt, bekommt einen ganzen Strauß an Dessins und Farbtönen serviert. Kein Wunder, schließlich gibt es schon lange nicht mehr den einen Trend, sondern lediglich Richtungen, die gerade en vogue sind. Einig sind sich die von BTH Heimtex befragten Experten aber darin, dass individuelle Gestaltung dem Zeitgeschmack entspricht. Im Mittelpunkt stehen nach ihrer Einschätzung helle, natürliche Farbtöne, die in unsicheren Zeiten für Ruhe und Entspannung im eigenen Heim sorgen.

Nach Einschätzung von Felix Diener, Chefdesigner der Marburger Tapetenfabrik in Kirchhain, geht es um Farben, die erden und eine Atmosphäre der Ausgeglichenheit schaffen. Muster seien unaufgeregt und fast subtil. Aber die Menschen seien nicht gleich, entsprechend unterschiedlich auch ihre Wände. "Für jene, die gerne Akzente setzen, bieten schimmernde Oberflächen eine Möglichkeit, dem Zuhause einen Hauch von Glamour zu verliehen. Eine nicht minder reizvolle Facette der aktuellen Tapetenmode sind Wandkleider, die eine Hommage an die 50er und 70er Jahre darstellen", erläutert Diener.

Individualität steht hoch im Kurs

Auch Rüdiger von Preen erkennt einen klaren Hang zur Individualität sowie die Ausrichtung auf natürliche Farbtöne und Dessins. "Wir sehen einen deutlichen Wunsch zu natürlichen Motiven und natürlich anmutenden Oberflächen", sagt der Leiter Atelier-Produktmanagement bei A.S. Création in Gummersbach. Im Mittelpunkt stünden großformatige botanische Designs sowie romantisch anmutende Ranken mit Blüten. Ergänzt werde die Palette durch Holz-, Stein- und Betonoberflächen. Farblich dominierten Töne wie Grün, Petrol, Grau, Beige und Creme.

"Es gibt nicht den eindeutigen Trend", meint Bernhard Holzapfel. Generell aber hält auch er natürliche Farbigkeiten für angesagt - von Offwhite bis zu vielfältigen Grüntönen. Grau habe Beige abgelöst. "Wichtig ist es, beim Design Naturstrukturen zu zeigen oder flächiges, eher grafisch geometrisch geordnete Muster zu entwerfen, die an die Welt der 90er Jahre erinnern", meint der Designer.

Im preiswerteren Segment finden Verbraucher nach Ansicht Holzapfels vor allem simple und "saubere" Wandstrukturen. Vielseitiger werde es dann im mittleren Preissegment mit Stilrichtungen in Naturanmutungen, Industrial Chic, Referenzen an die 80er und 90er Jahre, Glamour oder Shabby Chic. Er bedauert, dass der hochwertige Bereich in diesem Jahr auf der Messe Heimtextil nicht präsent gewesen sei. Hersteller solcher Wandbekleidungen hätten sich neue Marktplätze gesucht wie die einschlägigen Messen in Paris und Mailand. Im Großen und Ganzen sei das Angebot auf der Messe gleichförmig gewesen, charismatische Produkte hätten gefehlt.

Breite Palette für jeden Geschmack

Von Preen stuft das auf der Messe gezeigte Angebot naturgemäß anders ein als der freie Designer. "Die teilnehmenden Aussteller konnten die unglaubliche Vielfalt und Kreativität der Tapeten klar präsentieren. Und das Feedback der Kunden war durchgehend mehr als positiv." Dem Atelierleiter aus Gummersbach zur Seite springt Felix Diener. "Das, was ich gesehen habe, lässt sich mit vielfältig beschreiben." Jeder Hersteller achte darauf, eine breite Palette an Designs und Materialien bereitzuhalten, um jeden Geschmack abzudecken.

Genau daran übt Holzapfel beharrlich Kritik. Er hält es für ein Manko, dass die deutschen Tapetenhersteller es in den vergangenen zehn Jahren versäumt hätten, ihre Marke und Kernkompetenz deutlich zu zeigen. "Eindeutige Positionierung ist gefragt. In einem schrumpfenden Markt ist es wichtig, eine Leuchtturmfunktion zu entwickeln", fordert er. Die Tapetenindustrie müsse wieder lernen, für ihr Produkt zu begeistern. Um dieses wieder als Modeprodukt und Designobjekt bekannt zu machen, sei es wichtig, aus dem Verborgenen hervorzutreten und interessantes Marketing zu erstellen - auch in den sozialen Medien.

Allerdings zeigt sich derzeit, dass viele Menschen ihr Zuhause während der Corona-Lockdowns renoviert haben und eine weitere Neugestaltung deshalb nicht planen. "Dass sie schon jetzt wieder tapezieren, wäre ungewöhnlich und würde auch nicht dem entsprechen, was wir über den Rhythmus des Tapezierens wissen", erklärt Diener. Hinzu kommt nach Auffassung Holzapfels: "Durch Inflation, Mangel an Wohnraum oder gestiegene Mieten in den vergangenen Jahren geht selbst dem dekorationswütigen Verbraucher die Luft aus. Das Geld wird festgehalten." Einzig die Tourismusbranche boome noch.
| Cornelia Küsel
"Den eindeutigen Tapetentrend gibt es nicht"
Foto/Grafik: Holzapfel
"Eindeutige Positionierung ist gefragt. In einem schrumpfenden Markt ist es wichtig, eine Leuchtturm-Funktion zu entwickeln. Die Tapetenindustrie muss wieder lernen, sich für ihr Produkt zu begeistern."

Bernhard Holzapfel,
Holzapfel Design Köln
"Den eindeutigen Tapetentrend gibt es nicht"
Foto/Grafik: A.S. Création
"Die Aussteller auf der Heimtextil konnten die unglaubliche Vielfalt und Kreativität der Tapeten klar präsentieren. Und das Feedback der Kunden war durchgehend mehr als positiv."

Rüdiger von Preen,
Leiter Atelier-Produktmanagement A.S. Création
"Den eindeutigen Tapetentrend gibt es nicht"
Foto/Grafik: Marburger Tapetenfabrik
"Schimmernde Oberflächen sind eine Möglichkeit, dem Zuhause einen Hauch von Glamour zu verliehen. Eine reizvolle Facette der aktuellen Tapetenmode sind Wandkleider als Hommage an die 50er und 70er Jahre."

Felix Diener,
Chefedesigner Marburger Tapetenfabrik
aus BTH Heimtex 03/24 (Tapeten, Wandbeschichtungen)