Fehlerhaftes und zu frühes Aufheizen: Vollständig zerrissener Heizestrich

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um einen nachträglich aufgebrachten Verbundestrich auf einem Heizestrich, der fehlerhaft aufgeheizt wurde.

Ein Estrichleger erhielt den Auftrag, in dem Neubau eines Wohnhauses einen Calciumsulfat-Heizestrich (CAF) zu verbauen. Auf Kundenwunsch sollte im Erdgeschoss ein 35 mm dicker Natursteinbelag verlegt werden. Demzufolge wurde ein Dünnschichtsystem ebenfalls auf CAF-Basis ausgewählt. Aus Liefer- und Kostengründen entschieden sich die Bauherren dann doch um, sodass durch den Estrichleger auf den bereits verlegten Heizestrich nochmals ein Verbundestrich in rund 30 mm Dicke verlegt wurde.

Die Ausführung des nachträglichen Verbundestrichs erfolgte nach einem planmäßigen Belegreifheizen, einer erfolgreichen CM-Messung und einer Untergrundvorbereitung mit Diamantschleifen, industriellem Absaugen und ordnungsgemäßer Grundierung. Der Estrichleger entschied sich für eine mineralischer Haftbrücke mit einem Calciumsulfatfließestrich aus einem Fahrmischer in der vorgesehenen Estrichdicke von 30 mm. Beim Einbau gab es keine negativen Zwischenfälle.

Schaden

Risse im Heizestrich

Bereits zwei Tage nach dem Einbau des Estrichs kam der Anruf des Bauherrn, dass der Estrich völlig zerrissen sei. Der Estrichleger hatte hierzu kurzfristig den Sachverständigen um Unterstützung gebeten, sodass noch am selben Tag der erste Ortstermin stattfand. Tatsächlich wies die Esrichoberfläche eine schollenartige Riss- und Kraterbildung auf. Überraschenderweise aber konnte am ersten Ortstermin keine einzige Hohllage am Estrich festgestellt werden.

Der Sachverständige wurde beauftragt, eine Abschätzung des Schadensbildes abzugeben. Es galt abzuwägen, ob der Estrich verbleiben konnte oder zurückgebaut werden musste. Alle Beteiligten verständigten sich, dass der Estrich vorerst bestehen bleiben und das ordnungsgemäße Heizprotokoll des Herstellers durchlaufen sollte. Bei der Bestimmung der Restfeuchte und der Gitterritzprüfung erfolgte die Freigabe zur Haftzugprüfung am Verbundestrich.

Ursache

Viel zu frühes und nicht
normkonformes Aufheizen

Mit Hilfe einer Bauteilöffnung zeigte sich, dass die Rissbildung nur in der oberen Schicht vorlag. Die am zweiten Ortstermin durchgeführten Prüfungen ergaben weiterhin einen vollflächigen Verbund der oberen gerissenen Estrichschicht, eine ausreichende Oberflächenfestigkeit sowie gute bis sehr gute Haftzugfestigkeiten. An allen Prüfstellen konnte festgestellt werden, dass die Rissbildung nur in der oberen Schicht vorlag. Als Ursache konnte der Sachverständige nachvollziehen, dass ein viel zu frühes und nicht normkonformes Aufheizen seitens des Bauherrn durchgeführt worden war.
Exemplarische Temperaturmessungen 36 Stunden nach dem Estricheinbau ergaben Werte von 38,6 °C als Oberflächentemperatur am Estrich. An einem vorläufigen mobilen Heizgerät im Keller, Hotmobil genannt, konnten 51 °C Vorlauftemperatur gemessen werden. Hotmobile werden eingesetzt, solange eine klassische Heizanlage noch nicht verbaut ist. Meistens werden diese Gräte mit Starkstrom betrieben und sind wie eine kleine Heizanlage zu sehen. Für den Sachverständigen war eindeutig erkennbar, dass die gewählten Vorlauftemperaturen kein schonendes und ordnungsgemäßes Aufheizen darstellten, sondern deutlich zu hoch ausgewählt worden waren.

Orientierung für ein korrektes Aufheizen bietet die "Schnittstellenkoordination Flächenheizung Bestand" aus dem Jahr 2023. Diese führt unter Punkt 1.5.7 "Aufheizen der Konstruktion" folgende Regeln aus:

1.5.7 Aufheizen
der Konstruktionen

1.5.7.1 Funktionsheizen/Funktionskühlen

Bei Fußboden-, Decken-, und Wandkonstruktionen dient das Funktionsheizen und -kühlen nach DIN EN 1264-4 als Nachweis der Erstellung eines mangelfreien Gewerks für den Heizungsbauer und Estrichleger und nicht als Aufheizvorgang zum Erreichen der Belegreife.

Den meisten beteiligten Gewerken an der Erstellung einer Fußbodenheizung ist das "Aufheizen" ein Begriff. Die Notwendigkeit, dass Calciumsulfat- und Zementestriche vor der Verlegung von Bodenbelägen aufgeheizt werden müssen, ist bekannt. Allerdings ist das klassische Aufheizen in Funktions- und Belegreifheizen getrennt worden. Das Funktionsheizen hat nach der allgemein spezifischen Liegezeit des Estrichs zu erfolgen, bei Zementestrichen frühestens nach 21 Tagen und bei Calciumsulfatestrichen frühestens nach 7 Tagen (bzw. nach Herstellerangaben). Die einzuhaltenden Vorlauftemperaturen und die jeweilige Dauer sind im Protokoll P2 und P2.1 zu finden. Das Funktionsheizen und -kühlen dient dem Heizungsbauer als Nachweis für die mängelfreie Erstellung seines Gewerks. Darüber hinaus wird durch das Funktionsheizen schon ein Teil des Überschusswassers aus der Estrichherstellung entfernt, wodurch die Wartezeit bis zur Belegreife verkürzt wird. Es ist nicht gewährleistet, dass damit die notwendige Belegreife zur Verlegung des gewünschten Oberbodenbelags erreicht wird. Bei fehlendem Funktionsheizprotokoll muss der Bodenleger nach DIN 18365 Bedenken anmelden.
Bei Wand- und Deckenheizsystemen erfolgt eine Funktionsprüfung nach Protokoll P4.

P7 Protokoll zum Belegreifheizen des Estrichs - Anforderungen

Das Belegreifheizen ist im Rahmen der Anforderungen der Ablaufprotokolle NB1 und NB2 durchzuführen. Dabei ist nach den folgenden unter Dokumentation aufgeführten Schritten vorzugehen.

Das Belegreifheizen soll in der Regel direkt im Anschluss an das Funktionsheizen durchgeführt werden. Die Heizung soll dabei nicht abgeschaltet bzw. die Vorlauftemperatur nicht abgesenkt werden. Der Zementestrich ist dann in der Regel mindestens 28 Tage, der Calciumsulfatestrich mindestens 14 Tage alt. Diese Tage müssen zu den unten angegebenen Tagen des Belegreifheizens hinzugerechnet werden, wenn die Zeitdauer bis zur Belegreife abgeschätzt wird. Im Allgemeinen ist für das Belegreifheizen bei Estrichdicken bis 70 mm eine Zeitspanne von mindestens 14 Tagen einzuplanen, bei Estrichdicken über 70 mm entsprechend längere Zeiträume.


Verantwortlichkeit

Bauherr haftet

Der Bauherr selbst ist verantwortlich, weil er die Fußbodenheizung zum Belegreifheizen des Estrichs zu hoch eingestellt hat. Er muss die Kosten zur Schadenssanierung selbst tragen.


Der Autor
Gutachter Georg Kuntner ist von der HWK Mannheim
Rhein-Neckar-Odenwald öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Estrichlegerhandwerk.

In den Rotwiesen 25 69242 Mühlhausen
Tel.: 0 62 22 / 9 38 63 70
Mobil: 01 70 / 4 43 67 07
sv-kuntner@web.de
www.boden-gutachter.com
Fehlerhaftes und zu frühes Aufheizen: Vollständig zerrissener Heizestrich
Foto/Grafik: Kuntner
So sah der vollständig zerrissene Heizestrich zwei Tage nach dem Einbau aus.
Fehlerhaftes und zu frühes Aufheizen: Vollständig zerrissener Heizestrich
Foto/Grafik: Kuntner
Die vorhandenen Risse in dem beschädigten Heizestrich waren bis zu 1 mm breit.
Fehlerhaftes und zu frühes Aufheizen: Vollständig zerrissener Heizestrich
Foto/Grafik: Kuntner
Schollenartige Rissbildung und Kraterbildung an der Estrichoberfläche. Jedoch zeigte sich am ersten Ortstermin keine einzige Hohllage am Estrich. Die Beteiligten entschieden, dass der Estrich vorerst bestehen bleiben sollte.
Fehlerhaftes und zu frühes Aufheizen: Vollständig zerrissener Heizestrich
Foto/Grafik: Kuntner
Mit Hilfe einer Bauteilöffnung konnte nachvollzogen werden, dass die Rissbildung nur in der oberen Schicht vorlag.
Fehlerhaftes und zu frühes Aufheizen: Vollständig zerrissener Heizestrich
Foto/Grafik: Kuntner
Die am zweiten Ortstermin durchgeführten Prüfungen ergaben weiterhin einen vollflächigen Verbund der oberen gerissenen Estrichschicht, eine ausreichende Oberflächenfestigkeit sowie gute bis sehr gute Haftzugfestigkeiten.
aus FussbodenTechnik 04/24 (Handwerk)