Domotex: Messerundgang Parkett, Holz-, Laminat-, Kork- und Designböden
Blick in die Bodenbelags-Zukunft
Dass die Bodenbelagsbranche derzeit mit hartem Gegenwind kämpft, war auf der Domotex 2024 deutlich zu spüren. Trotz des vehementen Engagements und intensiver Vorarbeit des Messeteams blieben große Lücken unter den Ausstellern. Dabei gab es durchaus Spannendes zu sehen und Ideen davon mitzunehmen, was künftig in der Produktentwicklung wichtig wird und wohin die Reise geht; ein wesentliches Thema waren neue Rohstoffe, Verbundwerkstoffe und Materialkompositionen."Innovationen, Inspirationen und Networking" hatte sich die Domotex 2024 auf die Fahnen geschrieben und hielt dieses Versprechen ein - auch wenn es bestimmt Stimmen gibt, die dagegen argumentieren würden. Innovationen und Inspirationen, die durchaus deckungsgleich sein können, fanden sich zahlreich in der Messe-Sonderschau "The Green Collection" und bei Ausstellern wie Amorim, Classen, Lico, IPC, Meisterwerke, Swiss Krono, Välinge, I4F und Kaindl (mehr darüber auf den Folgeseiten). Für Networking bot sich wie immer auf den Gängen reichlich Gelegenheit; außerdem hatte die Domotex mit der täglichen Happy Hour und der "Italian Night" am zweiten Messetag zusätzliche Möglichkeiten geschaffen, sich in geselliger Atmosphäre zu treffen und auszutauschen.
Wie die Messemacher in Hannover überhaupt immense Anstrengungen unternommen haben, um ihr Format wieder zu einem echten Branchenevent zu machen - mit einem bunten Rahmen- und Vortragsprogramm, Award-Verleihungen und dem neuen "Retailers Park" zusammen mit der Einkaufskooperation Decor Union und dem bundesweit agierenden Maler- und Bodenbelagsgroßhandel Mega. Die als "Marktplatz der kurzen Wege" konzipierte Sonderfläche sollte das gesamte Spektrum der Raumausstattung abbilden - und auch den einen oder anderen Bodenbelagsanbieter zurückholen - und damit gezielt Besucher aus dem Einzelhandel und dem Handwerk ansprechen. Das Konzept ging durchaus auf und soll fortgesetzt und ausgebaut werden.
Kaum Parkett auf der Domotex
Ließe sich diese Kernidee weiterspinnen für den Parkettbereich? Denn trotz des unermüdlichen Einsatzes von Sonia Wedell-Castellano, Global Director Domotex, und ihres Teams war die Branche in Hannover so gut wie nicht präsent - zumindest nicht die relevanten Namen aus der DACH-Region und Skandinavien, Polen und Italien. Die Flagge hoch hielten einige wenige, die oben schon genannt worden sind - und Jaso hatte sich in einer Ecke auf dem Murexin-Stand eingerichtet. Dabei war die asiatische Konkurrenz nicht mehr zwischen den europäischen Ausstellern verteilt, sondern in einer Halle konzentriert worden, wie vor allem aus dem deutschsprachigen Raum gewünscht worden war, so dass die Europäer unter sich waren. "Die Europäer" heißt in diesem Fall hauptsächlich kroatische, litauische, niederländische, belgische Unternehmen.
Überraschend ist die Parkett-Abstinenz nicht. Parkett ist von der derzeitigen Krise besonders gebeutelt. 2023 war eins der schwierigsten Jahre der letzten Dekaden. Der Europäische Verband der Parkettindustrie (FEP) schätzt, dass der europäische Parkettmarkt um 30 % eingebrochen ist, einzelne Länder wie Deutschland noch stärker. Hierzulande werden die Absatzverluste auf ca. 38 % taxiert. Eine unglückliche Gemengelage aus Bauflaute, hohen Zinsen, Marktsättigung aus den Vorjahren, daraus resultierender Nachfrageschwäche einerseits und vollen Lagern durch Überbevorratung andererseits brachte den Verkauf fast zum Stillstand, schürte den Wettbewerbs- und Preisdruck, ließ Umsätze und Ergebnisse in den Keller rutschen.
Produktionskürzungen, Stellenabbau, Umstrukturierungen
Im ersten Schritt versuchten die Unternehmen mit Kurzarbeit, der Anpassung von Produktionsabläufen durch weniger Schichten oder tageweisen Stillstand, der Trennung von Leiharbeitern und Einsparungen im Einkauf - die Rohstoffpreise haben wieder etwas nachgegeben - zu überbrücken. Zugleich - das lässt sich schon seit einiger Zeit beobachten - nehmen viele Hersteller Komplexität aus ihren Sortimenten, straffen die Kollektionen, vermindern die Anzahl der SKU und streben an, auf einer Produktbasis möglichst viele verschiedene Varianten fertigen zu können.
Nachdem das alles nicht ausreichte, mussten manche harte Konsequenzen ziehen. Weitzer Parkett reduzierte Personal an drei Standorten, Kährs strich 250 Stellen, die Meisterwerke mussten deutlich ihre Belegschaft verkleinern, Hamberger legt Kapazitäten zusammen und passt seine Organisationsstruktur an, was mit dem Abbau von über 150 Arbeitsplätzen in Stephanskirchen und Rohrdorf verbunden ist. Ein schmerzlicher Aderlass vor allem für Familienunternehmen mit oft langjährigen Mitarbeitern.
Inzwischen sind die Lagerbestände im Handel weitgehend abgeflossen, es könnte also wieder geordert werden... wenn es Nachfrage seitens des Endkunden gäbe. Doch der ist weiterhin kaufunlustig und hält sein Geld zusammen. Nur für den Urlaub zückt er großzügig das Portmonee: 2023 haben die Deutschen so viel wie nie zuvor für ihren Urlaub ausgegeben, pro Kopf 1.538 EUR, hat die Stiftung für Zukunftsfragen ermittelt. Allerdings darf man auch nicht außer acht lassen, dass in den Corona-Jahren zuvor viel in das eigene Zuhause investiert wurde, ergo eine gewisse Sättigung eingetreten ist.
Talsohle scheint erreicht
Die FEP geht für 2024 davon aus, dass der Verbrauch auf einem niedrigen Niveau verharrt, aber auch nicht weiter absackt. "Die Talsohle scheint erreicht, könnte jedoch noch einige Zeit anhalten." Das ist unisono der Tenor nicht nur bei Parkett, sondern in der gesamten Bodenbelagsbranche.
Währenddessen sind neue Herausforderungen im Asiengeschäft entstanden. Importe aus Asien verteuern sich wieder, weil die Huthi-Miliz im Jemen durch Angriffe auf internationale Handelsschiffe im Roten Meer die Passage durch den Suez-Kanal erschwert. 12 % des Welthandels werden über diese Route abgewickelt. Kaum eine Reederei riskiert, dass ihre Frachter beschossen oder entführt werden, sondern schickt sie stattdessen über den deutlich längeren Weg um das Kap der Guten Hoffnung. Der Umweg schlägt sich auf die Transportkosten nieder; im Januar hatten sich die Containerraten mehr als verdoppelt, inzwischen sprechen manche sogar von einer Vervierfachung. Dies in die Preiskalkulation einzubeziehen, ist angesichts der derzeitigen Marktlage mehr als schwierig. Temporäre Frachtzuschläge sehen einzelne Anbieter als Lösung.
Neue Designbelagsproduktionen in Europa
Als im Zuge der Corona-Pandemie die Lieferketten stockten oder zeitweise ganz unterbrochen wurden, war viel von einer Rückverlagerung der Produktion nach Europa die Rede. Oder war es nur eine Hoffnung? "Made in Europe" sollte wieder an Gewicht und Marktanteile zurückgewinnen. Im Prinzip ist das Gegenteil eingetreten, die asiatischen Importe nehmen wieder und weiter zu. Und es tauchen sogar noch mehr neue Player auf und wollen vom Designboden-Boom profitieren, der bis auf die konjunkturbedingte noch keinerlei Abschwächung erkennen lässt.
Nun macht sich auch noch eins der Schwergewichte der europäischen Parkettindustrie für den Markteintritt bereit: Nach unbestätigten Informationen will der polnische Parketthersteller Barlinek, den viele für den größten in Europa halten, mit einem deutlich zweistelligen Millionenbetrag eine eigene Designbelagsproduktion samt Digitaldruck aufbauen. Auch in der Türkei sollen nennenswerte Kapazitäten entstehen. Das wird spannend - zumindest für den deutschen Markt, den Barlinek ist hierzulande mit seinen Parkettböden gut vernetzt und verbreitet.
Neue Rohstoffe, Verbundwerkstoffe
und Materialkompositionen
Was die Produkte betrifft, ließen sich auf der Domotex klar Tendenzen ablesen, die nicht neu sind und die wir schon im vergangenen Jahr identifiziert haben, die sich aber eindeutig verstärken - und die sich alle unter dem Dach der Nachhaltigkeit subsumieren lassen.
Ein wesentliches Thema sind neue Rohstoffe, Verbundwerkstoffe und Materialkompositionen. Besonders innovativ ist von jeher Lico. Edwin Lingg, Gründer und kreativer Kopf des Schweizer Herstellers mit Südtiroler Background, beschreitet immer wieder neue, unkonventionelle Wege und lässt sich nicht beirren, auch wenn eine Idee mal nicht sofort greift. Nachhaltigkeit steht dabei für Lico im Vordergrund, ist aber kein Selbstzweck: "Alle unsere Böden sind voll funktionsfähig, erst kommt die Technologie, dann die Ökologie." Das gilt für Fibrano, den kunststofffreien Designboden aus Lederresten aus der Taschenfertigung, vor drei Jahren vorgestellt, genauso wie für den neuen Denim Floor aus recycelten Jeans. "Das ist auch ökonomisch, nicht nur ökologisch", so Lingg mit Blick auf die 80.000 t Alt-Jeans, die allein in Deutschland jährlich anfallen. Weltweit seien es Millionen von Tonnen. Ein Pilotprojekt hat Lico mit C & A realisiert, aus deren entsorgten Jeans ein neuer Fußboden entstand, der in C & A-Filialen verlegt wird. Die nächste Innovation,die in Müstair in der Pipeline ist, könnte Coffee Floor heißen, denn die Basis bilden Kaffeekapseln.
Auch Amorim setzt auf natürliche und recycelte Materialien und kommunizierte an seinem großen, rege frequentierten Stand explizit: "Alles PVC-frei!" Der portugiesische Konzern verfolgt eine stringente Nachhaltigkeitsstrategie und richtet sich konsequent auf die sich verändernden Markt- und Produktanforderungen aus: "Wir sind bereit für eine klimaneutrale Zukunft", bekräftigte Deutschland-Geschäftsführer Tomas Cordes. Besonders viel verspricht man sich von vier neuen Kollektionen, weitgehend aus Kork. Highlight ist Bionatural, ein CO-neutraler Designbelag, der zu gut 100 % aus natürlichen Rohstoffen besteht. Besonderheit ist der patentierte Bio Rigid Core aus Kork und Zuckerrohr-Überschüssen. Den lässt Amorim über I4F übrigens auch lizensieren.
Andere Anbieter argumentieren, dass auch Kunststoffbeläge nachhaltig sein können. IPC beispielsweise hat vier Jahre Entwicklungszeit in seinen PVC-freien Designbelag Terra aus thermoplastischen Polymeren mit bis zu 30 % Recyclinganteil investiert - "eine andere Rohstoffbasis als herkömmliche PP-Produkte", betonte Vertriebsleiterin Heike Wever. Das sortenreine Material könne zu 100 % recycelt werden, ist in der Kategorie Schadstoffe und Luftqualität mit dem höchstmöglichen Gütesiegel "TÜV Proficert Premium qualitätsgeprüftes Produkt" ausgezeichnet und entspricht den Anforderungen an das QNG-Siegel "Nachhaltiges Gebäude".
I4F-CEO John Rietveldt berichtete in Hannover von dem US-amerikanischen Designbelagsspezialisten HMTX, in Europa unter Aspecta unterwegs, der thermoplastisches Polyurethan aus reycelten Flaschen extrudiert und auf der Hot Press verpresst - "20 Flaschen ergeben 1m
2. Auch die großen asiatischen Hersteller haben das Thema im Blick: So zeigte CFL Flooring auf seinem Stand einen PVC-freien Kunststoffboden mit einem "hohen Anteil an recycelten und natürlichen Materialien"
Classen wiederum ist überzeugt von seinem nachhaltigen, recycelbaren Werkstoff Ceramin, der auch prompt mit dem Green Collection Award ausgezeichnet wurde. "Es zahlt sich aus, dass wir in F & E investieren", freute sich Céline Quervel, Vertriebsgeschäftsführerin und Head of Marketing darüber.
So lobenswert alle Initiativen und Anstrengungen sind: Für den Handel, die Verarbeiter und erst recht den Endkunden wird diese Materialvielfalt immer unübersichtlicher und schwerer verständlich. Hier sind dringend Aufklärung und Transparenz vonnöten.
Furnierboden erfährt Wiederbelebung
Für Verbraucher, die nicht nur Holzoptik, sondern echtes Holz wollen, denen ein Parkettboden aber zu teuer ist, hat die Branche den Furnierboden wiederentdeckt, der viele Jahre in der Versenkung verschwunden war. "Ressourcenschonend, authentisch, strapazierfähig, gutes Preis-Leistungs-Verhältnis" sind die Argumente, mit denen ihm neues Leben eingehaucht werden und das angekratzte Image verbessert werden soll. Die Meisterwerke betonen, dass ihr Natureflex HD 100 mit gebürsteter Oberfläche und Ultramatt-Versiegelung nicht mit den Furnierböden von früher vergleichbar sei und platzieren ihn im Preiseinstiegs-Segment. Auch die Swiss Krono Group und Kronospan setzen bei "Corepel Evolution Pure" und "Organic Veneer Parquet" wenn auch nicht au den klassischen Furniereboden, so doch auf Echtholz-Oberflächen.
Wandpaneele nehmen Fahrt auf
Und dann gehen immer mehr Bodenbelags- und Leistenanbieter die Wand hoch: Wandpaneele finden zunehmend in den Sortimenten Eingang und werden nicht nur mit ihrer schalldämmenden Funktion, sondern auch als dekorative Elemente vermarktet, zum Beispiel aus Massivholz (FN Neuhofer). In schmalerer Ausführung in nur 60 cm Höhe sind sie gezielt für Küchenrückwände konzipiert (Zipse). Ganz neu sind digital bedruckte Wandverkleidungen als Wärmequelle mit einer integrierten stromleitenden Heizschicht. Da sie mit Niederspannung arbeiten, ist für die Installation kein Elektriker notwendig. Auch dahinter steht die Innovationsschmiede Lico.
Etwas irritiert nahm mancher wahr, dass auf der Domotex für die nächste Veranstaltung im Januar 2025 geworben wurde; denn im Herbst hatte die Deutsche Messe einen Zwei-Jahres-Turnus verabschiedet. Das gilt für die "große" Domotex mit dem kompletten Ausstellungsprogramm an abgepassten Teppichen, Bodenbelägen und Anwendungstechnik. Die beiden letzteren Sortimente finden tatsächlich erst wieder 2026 in Hannover statt.
Blackforest Woodfloors: Geschäftsführer Michael Schmid (re.) und Gunthard Klatt, Verkaufsberater Berlin und Ost, hatten sich mit Blackforest Woodfloors als Unteraussteller am Stand von Murexin eingerichtet - und vertraten damit als einer der wenigen die deutsche Parkettindustrie. Blackforest Woodfloors ist die prägnante Marke der beiden Schwesterunternehmen Jaso und Trumpf, die im badischen Kippenheim und im schwäbischen Rottenburg qualitätsvolle Parkettböden herstellen und dabei auf Nachhaltigkeit in der gesamten Produktionskette achten. Zusätzlich unterstützen sie aus Überzeugung Projekte zum Umweltschutz und gegen den Klimawandel.
Egger: Wasserfestes Verlegesystem verträgt sogar den Dampfreiniger
Das Messeteam von Egger präsentierte die Aqua Clic it-Laminatkollektion mit dem wasserfesten Verlegesystem Aqua Clic it, Quellstop-Trägerplatte und Kantenquellschutz - empfohlen werden die Böden mit 24-Std.-Schutz vor eindringendem Wasser auch für die Verlegung in feuchtigkeitssensiblen Räumen wie Küche und Bad. Speziell für die anspruchsvolle gewerbliche Nutzung rät Egger zum Premium-Pendant Aqua+, das sogar für Dampfreiniger geeignet ist und bis zu 72 Std. vor eindringender Nässe und Feuchtigkeit schützen soll. Gleiches gelte für den holzbasierten Designboden Green Tec mit Nutzungsklasse 33 und integrierter Korkunterlage.
aus
Parkett Magazin 02/24
(Handel)