Renovierung statt Neubaugeschäft: Ein Lagebild aus dem Handwerk

Im Neubau herrscht Flaute. Renovierungen und Sanierungen könnten die Lücken in den Auftragsbüchern des Handwerks füllen. Wir haben mit Firmen und Verbänden über die aktuelle Situation gesprochen. Und wir stellen Produkte für das Renovieren im Bestand vor.

Auch wenn die Meldungen zu den erteilten Genehmigungen im Wohnungsbau zuletzt wieder Hoffnung machen, dass die Talsohle durchschritten ist: Die Nachwirkungen des stetigen Rückgangs zwischen April 2022 und November 2024 wird die Branche noch eine Weile zu spüren bekommen. Von bereits aufgegebenen, aufgeschobenen oder reduzierten Projekten - auch im Wirtschaftsbau - infolge der gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten gar nicht zu reden. Das Neubaugeschäft, insbesondere der Wohnungsbau, sei stark rückläufig, berichtet etwa der Bundesverband Parkett und Fußbodentechnik (BVPF): "In den großen Städten wie Berlin, Dresden, Frankfurt am Main, München entstehen zwar noch größere Neubauprojekte, die erzielbaren Preise sind zum Teil aber nicht auskömmlich. Ein- und Zweifamilienhäuser werden so gut wie nicht mehr fertiggestellt. Und wenn, werden die Ausbaugewerke oft in Eigenhilfe erstellt."

Lara Droll vom Malergeschäft Rinderspacher in Bretten-Neibsheim erlebt den harten Kampf um die wenigen verbliebenen Großprojekte so: "Mir sind in diesem Jahr schon Mitbewerber begegnet, die für Objekte 22 % Rabatt einräumen. Das zeigt, wie schwer es die Branche derzeit hat." Ihr Betrieb sei aber derzeit in der Lage, die fehlenden Industriekunden und Großprojekte über Sanierungen und Renovierungen auszugleichen.

Für das Malerhandwerk bildet dies ohnehin das Kerngeschäft. "Unsere aktuelle, noch unveröffentlichte Konjunkturbefragung zeigt, dass unsere Maler- und Lackiererbetriebe auch in diesem Jahr einen Großteil ihres Umsatzes mit Renovierungen und Sanierungen erwirtschaften werden. So entfallen mehr als 85 % auf Arbeiten an Bestandsgebäuden - Tendenz steigend", erklärt Guido Müller, Präsident des Bundesverbands Farbe Gestaltung Bautenschutz. Sowohl bei Firmen mit weniger als zehn als auch bei Unternehmen ab 19 Beschäftigten habe sich der Umsatz dorthin verschoben.

Müller bezeichnet die Diversität der Geschäftsfelder aktuell als Vorteil für die Malerbetriebe. Bei der Umsatzverteilung spielen Arbeiten im Innenbereich unverändert mit rund 59 % die wichtigste Rolle. "Die Anteile von Malerarbeiten (29,9 %), Tapezierarbeiten (11,4 %) und Bodenbelägen (7,6 %) sind in diesem Geschäftsfeld im Vergleich zum Vorjahr stabil", so der Verbandspräsident. Die restlichen rund 10 % erwirtschaften die Firmen mit Trockenbau, Putz/Stuck und Bodenbeschichtungen. "Einen leichten Rückgang von 1,4 % können wir hingegen bei Malerarbeiten im Außenbereich feststellen. Dieser ist gleichmäßig auf Fassadenbeschichtungen, WDVS sowie Putz und Stuck verteilt", interpretiert Müller die aktuellen Zahlen.

Konzepte
statt Einzellösungen

Wie bei Rinderspacher richtet sich auch bei vielen anderen Handwerksbetrieben der Fokus gerade auf Renovierungen und Modernisierungen. Hier werde noch investiert, heißt es beim Zentralverband Raum und Ausstattung (ZVR), auch aufgrund von staatlichen Förderungen zur energetischen Sanierung, dem wachsenden Wunsch nach Wohnkomfort sowie der Notwendigkeit, Bestandsgebäude an veränderte Klimabedingungen anzupassen. Der ZVR sieht darin eine große Chance für raumausstattende Betriebe: "Die Nachfrage nach hochwertigen, nachhaltigen und multifunktionalen Lösungen für Sonnenschutz, Wärmeschutz, textile Raumgestaltung und smarte Wohnkonzepte wächst. Besonders gefragt sind individuelle Konzepte zur Verbesserung des sommerlichen Wärmeschutzes sowie ganzheitliche Raumlösungen mit ästhetischem Anspruch", erklärt Sven Meißner, Raumausstatter und Vorsitzender des Ausschusses für Öffentlichkeitsarbeit.

"Der Kunde, der noch kauft, freut sich über Gesamtkonzepte", bestätigt Katja Schulze. Die Raumausstatterin aus Loxstedt beklagt allerdings insgesamt einen Rückgang bei der Nachfrage handwerklicher Dienstleistungen und gibt zu bedenken: "Wir haben unser Firmengebäude gerade vor zwei Jahren für eine siebenstellige Summe neu gebaut und die Planzahlen hierfür sahen anders aus " Ins Boxhorn jagen lassen will sich die umtriebige Geschäftsfrau dadurch aber nicht, trägt die Situation mit Humor - "unser Personalproblem ist eigentlich gar kein Problem mehr, denn die Anfragen, was das Handwerk angeht, sind extrem zurückgegangen" - und hält es ansonsten mit Wilhelm Hachtel, dessen Zitat "Zuversicht ist Unternehmerpflicht" sie sich zum Leitspruch gemacht hat. Schulze positioniert sich als Einrichterin und teilt ihr Wissen und ihre Erfahrungen inzwischen in Workshops.

Auch bei Jan-Gerrit Viehl ist es aufgrund der Bauflaute ruhiger geworden. Mit seiner Firma Aspect Interior Design in Bad Vilbel ist er vor allem in der hochwertigen Erstausstattung aktiv. Vom erstarkten Renovierungsgeschäft profitiert er daher kaum: "Viele Kunden nutzen vorhandenes Mobiliar weiter und ergänzen lediglich punktuell - etwa durch einen neuen Teppich oder ausgewählte Einzelstücke." Unter dem Strich ist er dennoch zufrieden. Nicht nur, weil er sein Unternehmen mit einem dreiteiligen Konzept aus Raumausstattung, Möbelhaus und derzeit deutlich wachsendem Onlineshop gut positioniert sieht, sondern auch, weil er seit Jahresanfang eine spürbare Belebung der allgemeinen Anfragen feststellt - "das stimmt uns vorsichtig optimistisch".

Spezialisten für Renovierungen profitieren

Anders ist die Situation bei Parkett Interfloor in Düsseldorf, wo man sich mit der Verlegung von Parkett und Bodenbelägen auf die Umgestaltung und Modernisierung von Räumen spezialisiert hat. Entsprechend erfreut ist Jan Loosen vom Renovierungstrend: "Unsere Kunden legen großen Wert auf Qualität und individuelle Beratung, was uns von Anbietern unterscheidet, die hauptsächlich über den Preis konkurrieren. Besonders gefragt sind derzeit Bodenbeläge und maßgeschneiderte Raumkonzepte."

Bei Raum & Farbe Andreas Schmitt in Bad Camberg machen sie seit Januar ebenfalls fast ausschließlich Renovierungen, "angefangen bei den Wänden, die bei uns überwiegend tapeziert werden, über Boden jeglicher Art - Teppichboden, Parkett, Designbelag, Kork - bis hin zur Fensterdekoration, die in diesem Jahr bis jetzt auch sehr textillastig ausfällt", berichtet der Inhaber. Er sieht diese Entwicklung positiv, "da im privaten Renovierungsbereich ein größerer Wert auf unsere Kreativität und unser Können gelegt wird, wo hingegen im Neubausektor meist die Innengestaltung schon vom Bauträger vorgegeben wird und dies sich auf Fliesen oder Designbelag, Malervlies oder gar Raufaser mit weißem Anstrich beschränkt."

Renovierung lukrativer -
oder nicht?

Schmitt nennt noch einen weiteren Vorteil: "Grundsätzlich umfassen Renovierungen ein größeres Budget, sodass die Auftragslage für uns rentabler ist." Diese Einschätzung teilt Lara Droll nicht, die sogar meint, "dass diese Projekte oft weniger Umsatz bringen, dabei aber den gleichen Aufwand für die Projektverantwortlichen bedeuten: Angebot, Beratung, Farbwahl, Baustellenplanung, Nachkalkulation."

Bei MYR - Deco & More in Esslingen-Zell sind die Umsätze 2024 jedenfalls um gut 20 % gestiegen. "Da wir schon vorher im hochwertigen Privatkundenbereich unterwegs waren, sind es einfach Neukunden, die ihre Räume komplett von uns ausstatten lassen", ordnet Nicole Mayer diese Entwicklung ein. Auch in ihrem Betrieb machen sie größtenteils Renovierungen, weil den Erstausstattern häufig das Geld für eine hochwertige Einrichtung fehle.

Ähnliches berichtet Marianne Schönauer aus Raubling: Den Otto Normalverbraucher gebe es als Kunden kaum noch; Accessoires wie Decken oder Handtücher verkauften sich immer schlechter. Ihre Kundschaft sei jedoch bereit, Geld für teure Stoffe auszugeben. "Immer mehr Leute gönnen sich auch einen maßgefertigten Sonnenschutz." Und so sind die Auftragsbücher bei Schönauer Raumausstattung im Werkhaus "noch zufriedenstellend gefüllt".

Gute Erfahrungen hat Marianne Schönauer in der Zusammenarbeit mit einem Schreiner und anderen Gewerken gemacht: "ein lukratives Standbein". Derartige Kooperationen empfiehlt auch Sven Meißner vom ZVR, um sich im Renovierungsmarkt stärker zu positionieren.

Probleme auch im Renovierungsgeschäft

Also trotz Neubauflaute doch alles eitel Sonnenschein? Nein. "Auch im Bereich der Renovierung spüren unsere Mitglieder Auftragsrückgänge, wenn auch nicht in dem Maße wie im Bereich des Neubaus", lässt uns der BVPF wissen. Allerdings gebe es regional und bei den einzelnen Betrieben erhebliche Unterschiede. Im Einzugsgebiet der Großstädte sei die Auftragslage noch befriedigend, im ländlichen Bereich die Entwicklung bei einzelnen Firmen schon existenzbedrohend: "Große Auftraggeber wie die öffentliche Hand lassen aufgrund der eigenen desolaten Haushaltslage eher reparieren, als das erneuert wird. Dazu kommt, dass die Baustellenabläufe immer unberechenbarer werden. Auch große Projekte werden kurzfristig auf unbestimmte Zeit verschoben. Als Begründung wird häufig genannt, dass Vorgewerke aufgrund unzureichender Baustellenbesetzung nicht fertig geworden sind."

Die BVPF-Mitglieder forderten letztendlich verlässliche politische Rahmenbedingungen. Behördliche Aufzeichnungs- und Nachweispflichten müssten auf ein vertretbares Maß heruntergeschraubt werden. Unternehmerisches Handeln müsse sich auch für Handwerksbetriebe wieder lohnen, heißt es vom Verband.

Auf die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen haben wir keinen Einfluss. Aber wir können Ihnen Produkte vorstellen, welche die Industrie für die Renovierung und Neugestaltung von Räumen und Gebäuden empfiehlt, teils auch speziell entwickelt hat. Sie erkennen sie in dieser Ausgabe am roten Sticker "Renovieren im Bestand".

Thomas Pfnorr
Renovierung statt Neubaugeschäft: Ein Lagebild aus dem Handwerk
Foto/Grafik: Malergeschäft Rinderspacher
"Größere Betriebe wie wir stehen meist auf mehreren Standbeinen und konnten den Investitionsstopp noch gut auffangen."
Lara Droll, Malergeschäft Rinderspacher
Renovierung statt Neubaugeschäft: Ein Lagebild aus dem Handwerk
Foto/Grafik: BV Farbe / Sebastian Bolesch
"Mehr als 85 % der Umsätze im Malerhandwerk entfallen auf Arbeiten an Bestandsgebäuden – Tendenz steigend."
Guido Müller,
Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz
Renovierung statt Neubaugeschäft: Ein Lagebild aus dem Handwerk
Foto/Grafik: Sven Meißner
"Kooperationen mit verschiedenen Gewerken ermöglichen eine starke Positionierung im Renovierungsmarkt."
Sven Meißner, ZVR
Renovierung statt Neubaugeschäft: Ein Lagebild aus dem Handwerk
Foto/Grafik: Manuela Schönau-Jahn
"Der Kunde freut sich über Gesamtkonzepte."
Katja Schulze, Katja Schulze Raumausstattung
Renovierung statt Neubaugeschäft: Ein Lagebild aus dem Handwerk
Foto/Grafik: Schönauer Raumausstattung
"Es ist tatsächlich so, dass sehr viele Kunden weiterhin renovieren."
Marianne Schönauer, Schönauer Raumausstattung
aus BTH Heimtex 05/25 (Handwerk)