Kleiner Fehler - Großer Schaden: Sachverständiger attestiert "Gefahr im Verzug"
Fußbodenkonstruktion stand vollständig im Wasser
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um einen Fußbodenaufbau mit zwei Schichten keramischer Fliesen, die aufgrund einer fehlerhaften Abdichtung durch Niederschlagswasser hinterlaufen wurden.Bei der Modernisierung der Dachterrasse eines Wohnhauses erhielt ein Fliesenleger den Auftrag, einen bestehenden Keramikbelag mit einer weiteren Schicht keramischer Fliesen zu belegen. Die Dachterrasse sollte zukünftig als Freifläche für Partys und Events genutzt werden. Die keramischen Fliesen wurden vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt.
Doch es kam anders: Nach Abschluss der Verlegearbeiten stellte der Auftraggeber einen erheblichen Wassereintritt an den Attikawänden (wandartige Erhöhung der Außenwand) der Terrasse und in den Räumlichkeiten unter der Dachterrasse fest. Der Bauherr zeigte dem Fliesenleger den Wassereintritt an. Dieser reagierte nicht und es kam zum Rechtsstreit. Das zuständige Landgericht beauftragte einen Sachverständigen, die Ursachen der Wasserschäden zu ermitteln.
Schaden
Massive Durchfeuchtungen
der Wände und Decken
Der Sachverständige stellte einen Feuchteeintrag und eine massive Durchfeuchtung der Gebäudeecke über zwei Drittel der Fassadenfläche (Fläche ca. 10 m
2) fest, die von der dahinter liegenden Terrassenebene und dem Ablauf nach unten ausging. In den Wohnräumen waren massive Feuchteschäden an allen Wänden sowie Schimmelbildung vorhanden. Der beschädigte Laminatboden war wellig und hatte sich durch den Wassereintrag angehoben. In der Deckenebene sowie der Wand zum Innenhof war über die gesamte Raumlänge ein massiver Feuchteeintrag mit Tapeten-, Farb- und Putzablösungen sowie starker Schimmelbildung zu erkennen.
Der gesamte Fliesenbelag wies kein Gefälle auf, partiell war sogar ein Gegengefälle vom Ablauf weg feststellbar. Eine erforderliche Fugenteilung der Belagsflächen fehlte. Zur Ermittlung der Schadensursachen und Bauteilschichten wurden Bauteilöffnungen vorgenommen und die Fußbodenkonstruktion bis zur Bodenplatte freigelegt.
Die Untersuchungen brachten folgende Erkenntnisse:
-Öffnung 1: Der Bereich um den Bodenablauf herum wurde geöffnet. Die Fliesen waren im Dickbett verlegt, der Dickbettmörtel war 30 mm dick. An den Fliesen haftete kein Verlegemörtel an. Die vor dem Ablauf befindlichen Hohlräume waren nicht fachgerecht mit Bauschaum verfüllt. Die unter den Fliesen befindliche, gummiartige Bahn lag frei und war nicht wasserdicht an den Ablauf angeschlossen. Unter dem Fußbodenaufbau stand zentimeterhoch Wasser. Eine Randaufkantung der gummiartigen Bahn war nicht feststellbar. Sie war nicht nach oben geführt, sondern am Rand weggeschnitten worden.
-Öffnung 2: Der Fugenmörtel der gesamten Fliesenfläche war bröselig, zerfroren und ließ sich ohne Kraftaufwand herauskratzen. Unter dem Fliesenbelag war eine gummiartige Schicht feststellbar, die wassergesättigt und vollständig durchfeuchtet war. Sie haftete zudem nicht am Untergrund. Unter dieser Schicht befand sich ein gerissener Altfliesenbelag. Der Fliesenkleber war ebenfalls stark durchfeuchtet und hatte sich aufgelöst. Unter dem Altfliesenbelag stand Wasser auf dem Estrich.
Ursache
Kein Gefälle, keine Fugenteilung
und vieles mehr
Beim vorliegenden Schadensfall handelt es sich um einen wirtschaftlichen Totalschaden. Der gesamte Terrassenboden, einschließlich der Abdichtung, muss abgebrochen und vollständig neu hergestellt werden. In den unter der Terrasse liegenden Räumen besteht ein erheblicher Sanierungsaufwand. Am Terrassenboden waren diverse Ausführungsfehler feststellbar:
Fliesenbelag ohne Gefälle, Wasserstau und behinderter Abfluss sowie Frostschäden: Der gesamte Fliesenbelag wies kein Gefälle auf, partiell war Gegengefälle vom Ablauf (Hochpunkt) weg feststellbar, was bei Niederschlägen zu einem ständigen Wasserstand, zum Eindringen von Wasser über die Fugen in den Fliesenbelag, zu Frostschäden und letztendlich zu Belagsablösungen führte. Der Fugenmörtel der gesamten Fliesenfläche war nicht frostbeständig. Er war bröselig, zerfroren und ließ sich ohne Kraftaufwand herauskratzen.
Fehlende Fugenteilung der Terrassenfläche: Eine Fugenteilung der Belagsflächen war nicht feststellbar. Dadurch bedingt und wegen der Temperatureinwirkung auf die Terrasse bzw. der daraus resultierenden thermischen Spannungen kam es zu Bewegungen des Belages und zu Ablösungen der Terrassenfliesen.
Nicht hohlraumfreie Verlegung, keine Verlegung im Buttering-Floating-Verfahren: Die Bodenfliesen wurden generell nicht hohlraumfrei bzw. nicht im Buttering-Floating-Verfahren verlegt, was zu großflächigen Hohlstellen zwischen den einzelnen Kleberriefen führte. Beim Buttering-Floating-Verfahren wird der Fliesenkleber sowohl auf dem Untergrund als auch auf der Rückseite der Fliesen aufgetragen. Beim Auftragen des Klebers ist es wichtig, dass man auf dem Untergrund und auf der Fliese mit der Zahnspachtel in die gleiche Richtung kämmt. Dies kann senkrecht oder waagerecht sein, solange die Verzahnung parallel läuft. Eine hohlraumfreie Verlegung wird weiterhin durch die Verwendung verschiedener Zahnspachtel erreicht, z. B. Zahnspachtel für den Untergrund mit 10 mm, Zahnspachtel für die keramische Fliese mit 6 mm. Dadurch ergibt sich eine Mörteldicke von ca. 8 mm und die Hohlräume werden gut verschlossen.
Verlegung der Fliesen im Dickbett, zu dicker Kleberauftrag: Das Kleberbett war zu dick. Im vorliegenden Fall wäre eine Verlegung der Fliesen im Dünnbettmörtel mit einer Schichtdicke von 3 bis 7 mm erforderlich gewesen. Die Dicke des Kleberbettes betrug ca. 30 mm, was zu Spannungen im Kleberbett führte. Fliesen müssen bei darunter liegenden Verbundabdichtungen im Dünnbett verlegt werden, um Materialspannungen und Risse zu vermeiden.
Falscher Ablauf, Hohlräume und nicht funktionstüchtige Abdichtung: Die vor dem Ablauf befindlichen Hohlräume wurden mit Bauschaum verfüllt. Die unter den Fliesen befindliche, gummiartige Bahn lag frei und wurde nicht wasserdicht an den Ablauf angeschlossen, sodass hier bei jedem Regenereignis Wasser in die Hohlräume eindringen und die darunter liegenden Decken und Wände durchfeuchten konnte. Unter dem Fußbodenaufbau stand zentimeterhoch Wasser, das einen hydrostatischen Druck ausübt und in alle angrenzenden Bauteile eindringt. Die im Fußbodenaufbau vorhandene Bahn war porös und nicht dicht. Eine Randaufkantung der gummiartigen Bahn war nicht feststellbar. Sie wurde nicht nach oben geführt und am Rand weggeschnitten, sodass auch über die Ränder Wasser in die Decke eindringen konnte und die angrenzenden Fassaden, Decken und Wände im darunter liegenden Geschoss durchfeuchtet hat.
Im vorliegenden Fall attestierte der Sachverständige "Gefahr im Verzug": Es besteht sofortiger Handlungsbedarf, um weitere Schäden an der Bausubstanz zu vermeiden. Die festgestellten Schäden müssen sofort beseitigt werden, da bei Nichtsanierung massive Schäden am Gebäude und Pilzbefall durch holzzerstörende Pilze zu erwarten sind.
Verantwortlichkeit
Fliesenleger haftet vollumfänglich
Die Schadenursachen beruhen auf den Verlegefehlern des Fliesenlegers: Aus rein technischer Sicht fallen diese zu 100 % in seinen Verantwortungsbereich. Die gesamte Fußbodenkonstruktion, einschließlich Ablauf, muss abgebrochen und erneuert werden, weil sie vollständig im Wasser steht und ständig Wasser in die Wohnräume eindringt. In den unter der Terrasse liegenden Räumen besteht ein erheblicher Sanierungsaufwand, deren Umfang derzeit noch nicht abschätzbar ist.
Die "Geiz ist geil"-Mentalität wird bei diesem Schadensfall richtig teuer. Die ersparten Aufwendungen für einen ordnungsgemäßen Ablauf und die nicht erfolgte Anbindung der Abdichtung an den Ablauf schlagen mit hohen Sanierungskosten zu Buche. Diese liegen sicher bei mehr als 100.000 EUR. Der Rechtsstreit dauert noch an.
aus
FussbodenTechnik 03/25
(Handwerk)