Azubi-Suche: Umfrage in Handwerk und Handel
Wie die Generation Z begeistern?
Eine Umfrage unter Raumausstattern und Fachhändlern zeigt: Wer aktiv und vor allem auch digital auf den Nachwuchs zugeht, hat eine Chance auf Resonanz und Auszubildende.Dem Handel und vor allem dem Handwerk fehlt der Nachwuchs: junge Menschen zwischen 15 und Mitte 20, die sich zu Parkettlegern, Bodenlegern, Raumausstattern oder Groß- und Einzelhandelskaufleuten ausbilden lassen wollen. "Wir bilden zurzeit nicht aus, da es keine Bewerber gibt - trotz intensiver Bemühungen", bedauert ein hessischer Raumausstatterbetrieb. Ein weiteres Unternehmen berichtet von "zum Teil abenteuerlichen Lebensläufen" in sehr spät eingereichten Bewerbungen, in denen "viele verschiedene Jobs, angefangene und abgebrochene Ausbildungen" auftauchten.
Entsprechend haben die Betriebe häufig mit jungen Menschen zu tun, die ihre Lehre vorzeitig beenden. "2023 hat eine junge Frau nach vier Monaten aufgegeben, weil sie lieber Innenarchitektur studieren wollte", berichtet Nicole Mayer von Deco & More in Esslingen. " Dafür wäre die Raumausstatter-Ausbildung die perfekte Vorbereitung gewesen."
Dabei ist das Interesse an klassischen Ausbildungsberufen durchaus vorhanden. Eine Online-Umfrage der Wirtschaftsjunioren Deutschland ergab, dass sich grundsätzlich 40 % der gut 1.000 Befragten aus der Generation Z eine Berufsausbildung "durchaus" oder sogar "sehr gut" vorstellen können - bloß für 9 % kam dies überhaupt nicht infrage. Dagegen sprechen den Teilnehmenden zufolge vor allem die als niedriger eingeschätzten Verdienstmöglichkeiten und die vermeintlich geringere Flexibilität bei der Berufswahl. Hier besteht offenbar Aufklärungsbedarf.
Was wünschen sich Berufsanfänger?
Top-Kriterien bei der Berufswahl der Gen-Z waren laut Studie mit Abstand "gute Verdienstmöglichkeit" (81 %), gefolgt von der "Aussicht auf gute Work-
Life-Balance" (74 %) und der "Aussicht auf abwechslungsreiche Tätigkeiten" (71 %). Der gesellschaftliche Sinn und Zweck des Berufs steht ein Stück weiter hinten auf der Prioritätenlisten; 55 % der Befragten ist dies wichtig. Von Vorgesetzten und Ausbildern wünschen sich Berufsanfänger vor allem "Wertschätzung und Lob" (52 %) und "Offenheit sowie Bereitschaft für Veränderungen" (43 %). Beides ist den Befragten sogar noch wichtiger als die "hohe fachliche Kompetenz" ihrer Anleiter (38 %).
Wo informieren sich Digital Natives
über Job-Themen?
Wie spricht man also die Generation Z an, die laut Statista 2023 rund 14 % der deutschen Bevölkerung ausmacht? Als "erste echte Digital Natives" haben diese 12 Mio. Menschen die Welt ohne Internet nie kennengelernt. Entsprechend informieren sie sich hauptsächlich online über berufliche Themen: Der Wirtschaftsjunioren-Umfrage zufolge stehen Online-Jobportale an erster Stelle, Familie und Freundeskreis spielen bei der Ausbildungssuche ebenfalls eine große Rolle. Auch bei der Bundesagentur für Arbeit schauen sich über ein Drittel der Interessierten um; die Sozialen Medien seien "nur" für 22 % relevant.
Ebenfalls wichtig: Die Digital Natives bringen viel wertvolles digitales Wissen und Erfahrung mit, von der die Betriebe profitieren können. "Wir fahren immer noch Ausbildungsabläufe, die einer digitalen Generation nicht mehr gerecht werden" - diese Kritik äußerte Buchautor Felix Behm gegenüber dem SWR1: "Und diese Generation sagt dann: Wir wollen etwas anderes, wir wollen eine Ausbildung, die Spaß macht."
Früh den Direktkontakt suchen
Ein zentrales Problem bei jungen Menschen, die bisher hauptsächlich zur Schule gegangen sind: "Der Raumausstatterberuf ist bei vielen immer noch nicht bekannt", schildert Nicole Mayer von Deco & More die Situation. Um dem entgegenzuwirken, ist der Esslinger Betrieb eine Bildungspartnerschaft mit der Handwerkskammer, den Handwerksjunioren und der Realschule Esslingen eingegangen: "Jedes Jahr bekommen wir dort die Möglichkeit, unseren Beruf und unser Unternehmen vorzustellen." Für dieses und sogar schon für das nächste Jahr sind neue Auszubildende gefunden. "Oft kommen die Jugendlichen auch aufgrund unserer Webseite auf uns zu", sagt Mayer. Auf der Homepage ist eine Bewerbung per Whatsapp möglich.
Raumausstatter Haller aus Baden-Württemberg hat in den letzten 30 Jahren über 50 Auszubildende auf das Berufsleben vorbereitet. Es besteht eine Bildungspartnerschaft mit der Schule in der Gemeinde, wo aktiv Praktika angeboten werden. Auch auf Instagram und Facebook ist man sehr aktiv. "Unsere Lehrstellen sind bereits ein halbes Jahr vorher besetzt", berichtet Olivia Haller. Dafür wurde das Unternehmen als "Ausbildungs-Ass" und "Top-Ausbilder" ausgezeichnet. Prämiert werden beim Top-Ausbilder beispielsweise das Betreuungsverhältnis und Entwicklungsmöglichkeiten wie Auslandspraktika, außerdem fließen Bewertungen durch aktuell beschäftigte Azubis mit ein, ebenso besonderes Engagement.
Gleich 19 Auszubildende starteten 2024 in der Verwaltung und den Fachmärkten des Laminat Depots. "Eine neue Rekordmarke, auf die wir sehr stolz sind", wie Personalleiter André Flack berichtet. Er führt das einerseits auf die umfangreichen Aktivitäten des Filialisten zurück, der im Internet auf Portalen wie Indeed und ausbildung.de, aber auch klassisch mit Aufstellern und Flyern in seinen Geschäften um Nachwuchskräfte wirbt.
Kurzfilm von Schülern für Schüler
Rickmann-Rehage aus Gütersloh hat in Zusammenarbeit mit der Berufsschule einen fünfminütigen Kurzfilm über die Ausbildung zum Maler und Lackierer gedreht und diesen auf seiner Webseite veröffentlicht. Der Film beantwortet Fragen nach den Voraussetzungen bei der Bewerbung, den Übernahmemöglichkeiten, der Bezahlung und den Arbeitszeiten. In einem Interview erzählt eine engagierte junge Auszubildende über ihr erstes Lehrjahr, ihre Motivation und warum sie sich gerade in diesem Betrieb beworben hat. Ihre Antwort: "Weil Rickmann sehr vielfältig ist, viele Tätigkeiten durchführt und viele unterschiedliche Kundenbereiche hat."
Auch der Raumausstattungsbetrieb Schühle Handwerk geht von sich aus auf junge Menschen zu, um sie mit dem Raumausstatter- und Bodenlegerhandwerk vertraut zu machen: "Wir sind aktiv bei Veranstaltungen von Schulen, Städten und Gemeinden dabei", berichtet Geschäftsführer Dieter Schühle. "Ebenso werden wir Schülertage in unserem neuen Betrieb ab Anfang 2025 anbieten." Im Rahmen von Praktika können dann alle Interessierten den Alltag im Beruf kennenlernen.
In den USA trendet das Handwerk
Tatsächlich fängt jenseits des großen Teiches das Handwerk gerade an zu "trenden": "Immer mehr Amerikaner der Generation Z pfeifen auf ein Studium", schrieb das Nachrichtenmagazin Focus im Juli 2024. "Stattdessen begeistern sie sich für Handwerks- und Arbeiterberufe. Dank Beiträgen von Influencern bei ihrer Arbeit auf dem Bau, als Elektriker oder Klempner, gelten Handwerkerjobs in den USA zunehmend als cool." Denn auch das ist erfüllend, gerade in einer zunehmend digitalen Welt: Dinge handwerklich selbst zu erschaffen und sie dann konkret vor sich zu sehen.
Wunschliste der Generation Z
Gute Verdienstmöglichkeiten:81 %
Gute Work-Life-Balance: 74 %
Abwechslungsreiche Tätigkeiten: 71 %
Wertschätzung und Lob: 52 %
Info-Quellen der Generation Z
1. Online-Jobportale
2. Familie und Freundeskreis
3. Bundesagentur für Arbeit
4. Social Media
aus
Parkett Magazin 02/25
(Handwerk)