Kleiner Fehler - Großer Schaden: Wenn der Bauleiter unbelehrbar ist
Zeitdruck, falscher Einbau und keine Kommunikation
Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal trifft diese Aussage exakt zu: Bemängelt wurde durch die Bauherren die Ebenheit in den Fluren, dadurch kamen die eigentlichen Fehler zum Vorschein.Bei der Verlegung von keramischen Fliesen im Neubau eines Bürogebäudes in Süddeutschland kam es zu Unstimmigkeiten bei den Estricharbeiten und den anschließenden Nacharbeiten. Es zeigten sich starke Aufschüsselungen an dem eingebauten Zement-Heizestrich. So kam es zum Beispiel beim Einschneiden der geschüsselten Flächen zum Schaden an der Fußbodenheizung, da eine Heizrohrleitung eingeschnitten wurde. Aufgrund des auf der Baustelle üblichen Zeitdrucks und da die Fliesenverlegung bereits im vollen Gange war, wurde ein kurzfristiger Ortstermin vom Bauherrn vereinbart. Seitens des Generalunternehmers war dieser zuvor mehrfach vertröstet und ruhiggestellt worden.
Beim ersten Ortstermin mit den Bauherrn stellte der Sachverständige fest, dass die Zementestriche von dem Fliesenleger bereits an den Fugen mit einem Diamantschneider eingeschnitten und durch Auflast gebrochen worden waren. Die Einschnitte waren überwiegend mit einem Kunstharz geschlossen worden. Im zweiten Obergeschoss war die Fliesenverlegung bereits im vollen Gange.
Schaden
Aufgeschüsselter Estrich gebrochen, Fußbodenheizung zerstört
Unsachgemäße Nacharbeiten durch den Fliesenleger führten zu großen Verlegefehlern und Normverletzungen. Beim Begehen der Flächen stellte der Sachverständige eine Vielzahl von Abweichungen zur normativen Ausführung fest - und das bereits ohne zerstörende Bauteilprüfungen und -öffnungen. Aufgelistet sind die zahlreichen Fehler des Fliesenlegers und die dazugehörenden Fundstellen in den Hinweisblättern des Bundesverbandes Estrich und Belag (BEB) sowie in der Normung:
•Abschneiden des Randdämmstreifens vor der Fliesenverlegung: Im BEB-Hinweisblatt Nummer 8.5 heißt es unter Punkt 3.6 "Abschneiden des Randstreifens": Der überstehende Randstreifen darf keinesfalls vor dem Verfugen abgeschnitten werden. Falls dieser abgeschnitten wurde, ist ein neuer Randstreifen zu setzen (besondere Leistung).
•Einschneiden der aufgeschüsselten Zementestrichbereiche umliegend zu den Bewegungsfugen: Im BEB-Hinweisblatt Nummer 6.3 heißt es unter "Allgemeine Bemerkungen": Keinesfalls dürfen aufgeschüsselte Bereiche (z. B. Ecken), durch den Auftraggeber bzw. bauseits abgeschlagen, abgebrochen oder abgetragen werden.
•Überbelastung des Heizestrichs durch viele Europaletten mit Fliesen: Im BEB-Hinweisblatt Nummer 6.3 heißt es unter 7 "Belastung durch Gerüste und Baumaterial": Grundsätzlich dürfen Estriche nicht über die vertraglich festgelegte Belastung hinaus beansprucht werden.
•Unsachgemäßes Verharzen der Schnittfugen: In DIN 18560-2 heißt es unter Punkt "5.3.3 Estrichfugen": Nach dem Erhärten und Austrocknen des Estrichs sollten Scheinfugen kraftschlüssig, z. B. durch Vergießen mit Kunstharz, geschlossen werden. Die derart hergestellten und geschlossenen Scheinfugen müssen nicht beim Einbau der Bodenbeläge berücksichtigt werden, d. h. sie müssen nicht deckungsgleich in die Bodenbeläge übernommen werden.
•Nicht deckungsgleiches Verlegen der Fliesen zu den Fugen. Im BEB-Hinweisblatt Nummer 8.5 heißt es unter "5.3.2 Bewegungsfugen": Fugen aus dem Estrich sind deckungsgleich zu übernehmen. Über Bewegungsfugen im Estrich ist die Breite der Bewegungsfuge im Belag zu übernehmen.
•Planschleifen mittels Diamantschleifen der Aufschüsselungen in den Türlaibungen: Im BEB-Hinweisblatt 6.3 heißt es unter "Allgemeine Bemerkungen": Keinesfalls dürfen aufgeschüsselte Bereiche (z. B. Ecken) durch den Auftraggeber bzw. bauseits abgeschlagen, abgebrochen oder abgetragen werden.
•Nicht Einhalten der Randfugen mit dem Fliesenbelag: Im BEB-Hinweisblatt 5.2 heißt es unter "4.3 Randfugen": Der Randdämmstreifen ist erst nach der Fertigstellung des Fußbodenbelages bzw. bei textilen und elastischen Belägen erst nach Erhärten der Spachtelmasse abzuschneiden.
Aufgrund der enormen Regelverletzungen verständigten sich die Beteiligten vor Ort darauf, die Bauleitung telefonisch zu kontaktieren, da diese zum Ortstermin nicht dazukommen wollte. Im Gespräch empfahl der Sachverständige dringend, die weitere Fliesenverlegung zu stoppen und gemeinsam nach fachgerechten Lösungen zu suchen. Auf Drängen der Bauherrn wurde mit dem Bauleiter für den folgenden Morgen ein weiterer Termin vereinbart. Mit Erstaunen stellte der Sachverständige ca. 24 Stunden später fest, dass über Nacht das gesamte erste Obergeschoss gefliest worden war. Laut dem Bauherrn hatten die Fliesenleger eine Nachtschicht eingelegt.
Der Bauleiter betonte in mittlerweile gewohnt lässiger Art, dass seine Fachkräfte alle angeführten Kritikpunkte sofort fachgerecht nachgearbeitet hätten und somit der weiteren Fliesenverlegung nichts im Wege stand. Überhaupt stünde die Übergabe des Objekts kurz bevor und keiner hätte Zeit für "Pingeligkeiten".
Ursache
Planerische und
handwerkliche Fehlleistungen
Die Ursache der im Bauvorhaben entstandenen Schäden liegen vor allem an der ungenügenden Bauleitung. Während des Ortstermins zeigte sich, dass ein Funktions- und Belegereifheizen gemäß DIN 1264 nicht stattfand. Aufgrund von Materialknappheit wurde die vorgesehene Wärmepumpe viel zu spät geliefert und montiert. Dieser Tatsache geschuldet, stellte der Bauleiter die Anlage sofort mit maximaler Vorlauftemperatur ein, um "Zeit gutzumachen". Der Zementestrich verformte sich daraufhin extrem stark.
Seitens der Fliesenleger wurden keinerlei CM-Messungen durchgeführt, da der Estrichleger keine Messstellen markiert hatte. Hierzu äußerte sich der Bauleiter wie folgt: Er mache das immer so und der Estrich sei ja auch schon fünf Wochen alt. Der Sachverständige kam zu einem anderen Urteil: Nach dem Erscheinungsbild und dem Grad der Randverformung war davon auszugehen, dass der Estrich zum Zeitpunkt der Fliesenverlegung noch nicht belegereif war.
Verantwortlichkeit
Bauleiter stellt
"eigene Vorschriften" auf
Wie so oft ist auch in diesem Fall sehr nachlässig gearbeitet worden. Zum einen hat bei diesem Bauvorhaben der Generalunternehmer mit einem Bauleiter gearbeitet, der seine eigenen Vorschriften aufstellte und die Regelwerke "sehr flexibel" auslegte. Zum anderen arbeiteten auch alle Handwerker nicht fachgerecht. Der Heizungsbauer markierte keine Messstellen zur CM-Messung und hatte keine Höhennivellierung zur Dämmungsverlegung durchgeführt. Daher kam es vereinzelt zu Unterdicken im verbauten Estrich. Dies hätte der Estrichleger anzeigen müssen. Auch die nicht vorhandenen Messpunkte hätte er monieren müssen. Gleiches gilt für den Fliesenleger, der auf Anweisung des Bauleiters zahlreiche technische Verarbeitungsfehler ausführte. Der Bauherr schließlich ließ sich vom Generalunternehmer überreden, die Flächen so zu belassen und mit einer Gewährleistungsverlängerung und einem finanziellen Nachlass zu leben.
Wie leider so oft, siegte auch in diesem Objekt der zeitliche und finanzielle Druck. Letztlich scheute sich der Bauherr, einen Rechtsstreit zu beginnen und die Baustelle fachgerecht herzustellen. Trotz der eindeutigen Auffassung des Sachverständigen, dass es im Zuge der Nutzung zu weitreichenden Schäden am Boden kommen wird, ließ der Bauherr auch das noch ausstehende Erdgeschoss in gleicher Weise fertigstellen. Wenige Wochen kamen bereits die Möbelpacker der zukünftigen Nutzer.
aus
FussbodenTechnik 03/22
(Handwerk)