Fachanwalt Andreas Becker informiert

Baustelle mit Mitarbeitern unterbesetzt – Kündigung rechtens?

Der vereinbarte Termin zu Beginn der Bautätigkeiten schiebt sich nach hinten - das ist der Alltag für bodenverlegende Handwerker. Der eigentliche Termin der Fertigstellung der Leistungen soll dennoch eingehalten werden, obwohl dieser bei Beginn der Tätigkeiten verstrichen ist. Fachanwalt Andreas Becker erklärt im folgenden Beitrag in diesem Zusammenhang das Mittel des Abhilfeverlangens.

Um die Verspätung der handwerklichen Leistung abzumildern, greift die Bauleitung oft zum Mittel des sogenannten Abhilfeverlangens. Dies ist in § 5 Abs. 4 der VOB/B geregelt. Die Regelung in der VOB soll für eine zügige fristgerechte Fertigstellung des Bauvorhabens sorgen. So können Abhilfeverlangen vom Auftraggeber ausgesprochen werden, wenn der Auftragnehmer den Beginn der Ausführung verzögert oder mit der Vollendung der Bauausführung in Verzug gerät.

Weiterhin kann durch den Auftraggeber gerügt werden, wenn nicht genügend Arbeitskräfte, Geräte, Gerüste, Stoffe oder Bauteile zur Verfügung stehen, sodass die Ausführungsfristen nicht eingehalten werden können. Der Auftragnehmer muss dann unverzüglich Abhilfe schaffen.

Beim Abhilfeverlangen wird eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt und in der Regel angedroht, dass mit Ablauf der Frist der Vertrag gekündigt wird. Weiterhin besteht die Gefahr, dass der Auftragnehmer sich Schadensersatzansprüchen des Auftraggebers wegen seiner Pflichtverletzung gegenübersieht. Besonders häufig wird bemängelt, dass die Baustelle mit zu wenig Mitarbeitern besetzt sei, oder dass nicht genügend Geräte eingesetzt werden.

Fall:

Ein Vertrag über Bauleistungen wurde mit einem Fertigstellungstermin zum 29. November geschlossen. Es kam zu Verzögerungen bei der Vorbereitung des Baugrundes, sodass der Fertigstellungsermin zum 29. November nicht haltbar war. Die Parteien tauschten sich darüber aus, den Termin zu verlängern. Als Fertigstellungstermin dachten die Parteien an den März oder April des Folgejahres.

Am 7. Januar überreichte der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kündigungserklärung aus wichtigem Grund. Sie nahm dabei Bezug auf zwei Anwaltsschreiben vom 18. und 27. Dezember. In dem Schreiben vom 18. Dezember beanstandete die Auftraggeberin, dass "seit nunmehr etwa 14 Tagen" die Zahl der vor Ort tätigen Mitarbeiter zurückgegangen sei, außerdem seien keine Bautagebücher vorgelegt worden.

Der Auftraggeber gab an, dass eine deutliche Aufstockung der Kapazitäten wichtig sei, um angesichts des inzwischen eingetretenen weiteren Leistungsverzuges des Auftragnehmers die Leistung baldmöglichst fertigzustellen. Der Aufraggeber nannte dazu einen Mindestbedarf von mindestens 22 gewerblichen Mitarbeitern, einem Bauleiter und einem Projektleiter. Er behauptete, dass in den vorherigen Tagen nur zwischen fünf und sieben Mitarbeiter auf der Baustelle tätig waren.

Es wurde eine Frist gesetzt, die Baustelle zum 23. Dezember um 10 Uhr entsprechend zu besetzen und es wurde eine Kündigung angedroht. Mit einem Anwaltsschreiben vom 27. Dezember wurde bemängelt, dass am 23. Dezember nur eine Arbeitskraft auf der Baustelle war und am 24. und 27. Dezember nur zwei Arbeitskräfte.

Erneut wurde aufgefordert, die Baustelle entsprechend den Vorstellungen des Auftraggebers zu besetzen und wieder wurde eine Kündigung angedroht. Nachdem Anfang Januar die Baustelle auch nicht mit 22 gewerblichen Mitarbeitern besetzt war, wurde die Kündigung erklärt mit dem Argument, dass man der Aufstockung zur Baustellenbesetzung nicht nachgekommen sei.

Nach der Kündigung wurde ein anderes Unternehmen beauftragt, das die Baustelle fertigstellte. Die Mehrkosten in Höhe von etwas über 400.000 EUR sollte der Auftragnehmer zahlen.

Entscheidung des Gerichts:

Einen Anspruch auf Zahlung eines solchen Betrages besteht, wenn der Auftraggeber ein Recht zur fristlosen Kündigung hatte. Dieses Recht besteht, wenn der Auftragnehmer entsprechend der obigen Ausführungen zu § 5 Abs. 4 VOB/B den Beginn der Baustelle verzögerte. Oder mit der Vollendung in Verzug geriet und nicht genügend Arbeitskräfte, Gerüste etc. einsetzte.

Das Gericht prüfte, ob dem Auftragnehmer eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung gesetzt wurde und ob für den Fristablauf die Auftragsentziehung angedroht wurde. Das Gericht untersuchte außerdem, ob der Auftragnehmer mit der Fertigstellung der Leistung in Verzug geriet, weil er nicht genügend Mitarbeiter einsetzte.

Das Gericht stellte fest, dass ein Verzug, hier eine verspätete Fertigstellung des Bauvorhabens, nicht zur Debatte stand. Es wurde zwar ein Fertigstellungstermin zum 29. November vereinbart, aber aufgrund von Verzögerungen, die nicht durch den Auftragnehmer verursacht wurden, musste beiden klar sein, dass dieser Termin nicht eingehalten werden konnte.

Aus diesem Grunde wurde abgeschätzt, dass die Leistung im März/April des Folgejahres fertiggestellt werden würde. Der Auftraggeber forderte mit seinem Schreiben vom 18. und 27. Dezember lediglich unter Fristsetzung dazu auf, die Kapazitäten in Form der Anzahl der Mitarbeiter zu verstärken. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, unverzüglich Abhilfe zu schaffen, wenn Arbeitskräfte, Geräte, Gerüste usw. unzureichend sind, sodass die Ausführungsfristen nicht eingehalten werden können.

Tatsächlich war der Gesamtfertigstellungstermin am 29. November schon zum Zeitpunkt des Schreibens vom 18. Dezember überholt. Da die Parteien keinen neuen Fertigstellungstermin als Vertragsfrist vereinbart hatten, konnte der Auftragnehmer auch nicht mit der Fertigstellung in Verzug geraten. Die besondere Abhilfepflicht des Auftragnehmers findet nicht schon Anwendung, wenn nicht genügend Arbeitskräfte auf der Baustelle sind, sondern zusätzlich wird noch gefordert, dass wegen des zu geringen Arbeitskräfteeinsatzes die Ausführungsfrist nicht eingehalten werden kann.

In diesem Fall gab es jedoch keine vereinbarte Ausführungsfrist, sodass die Kündigung letztendlich unbegründet war. Der Auftragnehmer musste keine Kosten in Höhe von 400.000 EUR zahlen.

Praxistipp:

Abhilfeverlangen werden häufig eingesetzt. Diese müssen in jedem Falle kritisch geprüft werden, da es auch Situationen gibt, bei denen Abhilfeverlangen berechtigt sind. Wird einem berechtigten Abhilfeverlangen nicht nachgekommen, kann es durchaus zu einer Kündigung kommen.


Der Autor
Andreas Becker ist Rechtsanwalt und Fachanwalt
für Bau- und Architektenrecht.

Becker-Baurecht Nienburger Str. 14a 30167 Hannover
Tel.: 0511/1231370
www.becker-baurecht.de info@becker-baurecht.de
aus FussbodenTechnik 05/22 (Recht)