Kleiner Fehler - Großer Schaden: Untergrund nicht ausgeglichen und egalisiert

Rissbildungen in einem geschliffenen Sichtestrich

Fußbodenkonstruktionen zählen zu den komplexesten und am höchsten belasteten Bauteilen - schon kleine Fehler können hier große Auswirkungen haben. Dabei hat jede Baustelle ihre eigenen Tücken. Oft zeigt sich im Schadensfall erst anhand der Ursachenforschung, worauf ein Verleger alles achten muss. FussbodenTechnik deckt in Zusammenarbeit mit namhaften Sachverständigen anhand realer Schadensfälle mögliche Fehlerquellen auf. Diesmal geht es um Rissbildungen in einem geschliffenen Sichtestrich.

Im Zuge der Um- und Ausbauarbeiten eines Großmaschinenhändlers baute ein Estrichleger in einer Ausstellungshalle auf einem bestehenden Betonuntergrund einen Estrich auf Trennschicht ein, der direkt genutzt werden sollte. Dessen Oberfläche wurde daher zur optischen Gestaltung geschliffen. Die Bodenfläche unterteilten die Verarbeiter durch Bewegungsfugen in gedrungene Teilflächen mit Seitenlängen von ca. 8 m.


Schaden

Mittige Risse zwischen
zwei Bewegungsfugen

Bereits kurze Zeit nach Fertigstellung des Bodens kam es zu einzelnen Rissbildungen. Die Risse traten mittig zwischen zwei Bewegungsfugen von einer Seite ausgehend auf, teilten das jeweilige Estrichfeld aber nicht vollständig. Die Rissenden lagen ungefähr in der Feldmitte bzw. im vorletzten Viertel der Feldbreite.

An einem Riss war deutlich zu erkennen, dass vor dem Schleifen der Estrichoberfläche eine Sanierung mittels Rissverharzung erfolgt war, sich der Riss aber erneut öffnete.


Ursache

Estrich in seiner
freien Verformbarkeit behindert

Bei der Befragung der Beteiligten führten diese aus, dass der Sichtestrich auf einer bestehenden Bodenplatte eingebaut wurde. Aufgrund von vorhandenen Verölungen des Untergrundes schlug der Estrichleger vor, anstelle der geplanten Verbundkonstruktion einen Estrich auf Trennschicht einzubauen. Die im Bestand vorhandene Bodenplatte hatte als Nutzschicht einen Verbundestrich mit geglätteter Oberfläche. In der Fläche vorhandene und nicht weiter benötigte Entwässerungsrinnen schloss der Bauherr in Eigenleistung mit Zementmörtel.

Eine in einer Teilfläche vorhandene Hohllage des Verbundestrichs wurde ausgestemmt. Ein vorhandenes, erst kurz vor dem Umbau eingebautes Einfahrtstor sollte erhalten bleiben. Um an die Bodenanschlagschiene mit dem neuen Sichtestrich oberflächenbündig anschließen zu können, stemmte der Estrichleger zur Sicherstellung der erforderlichen Estrichdicke den vorhandenen Verbundestrich auf einer Teilfläche vor dem Tor ebenfalls aus. Eine Angleichung oder Abschrägung der Abbruchkanten erfolgte nicht. Die Trennschicht aus einer Lage PE-Folie wurde direkt auf diesem Untergrund ausgelegt und danach der Sichtestrich eingebaut.

Die Rissbildungen im Sichtestrich entstanden in unmittelbarer Nähe der Abbruchkanten. Dies bestätigte sich dann auch bei der Herstellung von Kernbohrungen auf dem jeweiligen Riss. Der Bohrkern aus dem Estrich zeigte an der Unterseite die scharfkantige Kontur der Betonoberfläche. Die Skizze zum Querschnitt der Fußbodenkonstruktion (rechts oben) verdeutlicht die Einbausituation noch einmal.

Da eine Estrichplatte über den gesamten Querschnitt schwindet, tritt eine allseitige Verkürzung des Estrichs ein. Der Estrich zieht sich insgesamt zum Schwerpunkt der Fläche hin gleichmäßig zusammen. Wenn sich der Estrich auf dem Untergrund bewegen - gleiten - kann, läuft dieser Verformungsprozess spannungsfrei ab. Dies ist auf einem absolut ebenen, flügelgeglätteten Betonuntergrund mit einer wirksamen Trennschicht möglich. Spannungen können dann nur durch die aus dem Estrichgewicht resultierenden Reibungskräfte entstehen. Bei einem Estrich mit 8 m Seitenlänge auf einer Trennschicht aus doppellagiger PE-Folie sind diese Reibungskräfte vernachlässigbar gering.

Wenn der Untergrund aber wie hier die an den Abbruchkanten vorhandenen Höhenversätze aufweist, ist der Estrich in seiner freien Verformbarkeit behindert. Er verhakt sind in den Vertiefungen und ist dadurch gezwängt. Behinderte Schwindverformungen einer Estrichscheibe erzeugen einen zentrischen Zug im Estrich. Die Festigkeit eines Estrichs bei Einwirkung zentrischer Zugkräfte liegt bei ca. 50 % seiner Biegezugfestigkeit. Wenn die vorhandenen Zugspannungen aus der behinderten Verformung größer sind als die Zugfestigkeit des Estrichs, kommt es zu den hier vorhandenen Rissbildungen.

Da die Estrichfelder nur auf einer Seite durch die Abbruchkanten in der freien Verformung behindert waren und die anderen drei Seiten sich frei verformen konnten, durchtrennten die Risse das Estrichfeld nicht komplett.


Verantwortlichkeit

Estrichleger
hätte Untergrund
ausgleichen müssen

Ein Estrich auf Trennschicht ist grundsätzlich gleichmäßig dick herzustellen. Der tragende Untergrund muss die statischen und konstruktiven Anforderungen erfüllen und eine ebene, gratfreie Oberfläche mit Ebenheitstoleranzen nach DIN 18202 aufweisen. Er darf keine punktförmigen Erhebungen, Rohrleitungen oder ähnliches aufweisen. Diese Grundsätze sind in DIN 18560-4 unter Punkt 4 - Bauliche Anforderungen - eindeutig definiert und wie das Schadensbild zeigt, auch erforderlich.

Der Estrichleger hätte vor Ausführung der Arbeiten den Auftraggeber auf den ungeeigneten Untergrund hinweisen müssen und die Arbeiten nicht ausführen dürfen. Der Untergrund hätte vor dem Einbau des Estrichs auf Trennschicht ausgeglichen und egalisiert werden müssen. Die Ursachen für die aufgetretenen Rissbildungen liegen somit in einer nicht den anerkannten Regeln der Technik entsprechenden Ausführung der Estricharbeiten. Der Schaden liegt im Verantwortungsbereich des Estrichlegers.


Der Autor
Dipl.-Ing. Burkhard Prechel ist von der HWK Dresden ö.b.u.v. Sachverständiger für das Estrichlegerhandwerk und das Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk.

Posottendorfer Straße 7 02827 Görlitz
Tel.: 03581/845160 Mobil: 0157/32803064
sv.prechel@online.de www.sv-prechel-goerlitz.de
Rissbildungen in einem geschliffenen Sichtestrich
Foto/Grafik: Prechel
An einem Riss war deutlich zu erkennen, dass vor dem Schleifen der Estrichoberfläche eine Sanierung mittels Rissverharzung erfolgt war, der Riss sich aber erneut öffnete.
Rissbildungen in einem geschliffenen Sichtestrich
Foto/Grafik: Prechel
In der Nahaufnahme lässt sich die erneute Rissöffnung deutlich erkennen.
Rissbildungen in einem geschliffenen Sichtestrich
Foto/Grafik: Prechel
Um an die Bodenanschlagschiene mit dem neuen Sichtestrich oberflächenbündig anschließen zu können, wurde zur Sicherstellung der erforderlichen Estrichdicke der vorhandene Verbundestrich auf einer Teilfläche vor dem Tor ebenfalls ausgestemmt.
Rissbildungen in einem geschliffenen Sichtestrich
Foto/Grafik: Prechel
Eine Angleichung oder Abschrägung der Abbruchkanten erfolgte nicht.
Rissbildungen in einem geschliffenen Sichtestrich
Foto/Grafik: Prechel
Mit Hilfe von Kernbohrungen bestätigte sich, dass die Rissbildungen im Sichtestrich in unmittelbarer Nähe der Abbruchkanten entstanden.
Rissbildungen in einem geschliffenen Sichtestrich
Foto/Grafik: Prechel
Der Bohrkern aus dem Estrich zeigte an der Unterseite die scharfkantige Kontur der Betonoberfläche.
aus FussbodenTechnik 06/22 (Handwerk)