Ralph Schneppensiefen aus der Sachverständigenpraxis

Ungewöhnliche Schadensfälle

Wenn Fachleute zu Rate gezogen oder vom Gericht bestellt werden, geht es mitunter um ungewöhnliche Schadensfälle und Streitigkeiten. "Alltägliche Fälle aus meiner Praxis zum Grübeln und Schmunzeln", nennt Parkettlegermeister Ralph Schneppensiefen, Sachverständiger der Handwerkskammer Köln, sechs Beispiele seiner Tätigkeit.

Dunkelverfärbung von Eiche

Gegen eine Reinigungsfirma ging der Prozess um ein dunkel verfärbtes Zweischicht-Eicheparkett mit Fugen. Die Leisten an den Außenwänden waren dunkler. Der Gutachter fand ein gleichmäßiges Schadensbild in allen Räumen, maß 17 °C als Raumtemperatur, 45 % relative Luftfeuchte, bei Darrprobe eine Holzfeuchte von 8,7 bis 9,4 % sowie eine minimale Restkonzentration von Ammoniak. Viereinhalb Jahre war kaum gelüftet worden. Das führte zur Vermutung, dass aus dem Untergrund ausgasendes Ammoniak in Langzeitwirkung die Verfärbung verursacht hatte. Ammoniak findet sich in verschiedensten Baumaterialien, u.a. in Dämmstoffen, Kaschierungen, Estrichzusatzmitteln und Wandputz. Das ist bei üblicher Inbetriebnahme und Lüftung meist kein Problem, doch im vorliegenden Fall konnte sich das basische Gas aufgrund von mangelndem Luftaustausch anreichern und langfristig auf die Umgebung einwirken. Reinigungsmittel sind nicht immer verantwortlich.

Massivdielen-Recycling
ohne Höhenausgleich

Erst gab es einen Wasserschaden, der zum Teilaustausch des Massivdielenbodens führte, danach eine Reklamation wegen starker Hohlstellen und Ablösungen. Nun kam der Chef persönlich und baute einen neuen Boden ein. Diesmal entstanden Absenkungen und Rampen. Der Fehler: Die ausgebauten 20 mm dicken Dielen waren rückseitig auf 16 mm herunter gehobelt und ohne Höhenausgleich wieder eingeklebt worden. Ein weiteres Problem: Von den ursprünglich drei verschiedenen Breiten der Diele war die 205mm-Variante beim Hersteller nicht mehr verfügbar.

Ist Fichte als Bodenholz geeignet?

Statt die alten Dielen abzuschleifen, bot eine Malerfirma bei der Komplettsanierung eines Mehrfamilienhauses die Parkettneuverlegung mit einer lackierten Fichte-Massivdiele in A-Sortierung an. Über die Eigenschaften von Fichte war der Auftraggeber jedoch nicht ausreichend informiert worden. Nachdem er gesehen hatte, welche Spuren Rollcontainer und Schwingstühle auf dem Holz hinterließen, kam die Reklamation über zu weiches Holz. Das Gericht wollte nun wissen: Ist Fichteboden in einem stark beanspruchten Wohnhaus überhaupt geeignet? Ja, erklärte der Sachverständige, denn dafür gibt es europaweit genug Beispiele. Aber der Handwerker hat eine Beratungspflicht.

Holländische Verlegetechnik

Eine Endkundin kaufte in Holland eine für Fußbodenheizung freigegebene Landhausdiele und ließ sie von einem niederländischen Verleger installieren, schleifen, einfärben und lackieren. Später kam es zu Verformungen, Schüsselung und Ablösungen. Der Verleger bot an, den Boden abzuschleifen und neu zu lackieren. Die Kundin war skeptisch und wendete sich an einen deutschen Gutachter. Dessen Einschätzung gelang zum Hersteller der Landhausdielen, der wiederum einen eigenen Sachverständigen einschaltete. Der niederländische Experte kam zum Schluss, eine zu hohe Temperatur der Fußbodenheizung sei Grund für das Problem. Nach korrekter Einstellung der Heizung könne der Boden geschliffen, mit Leim gekittet und neu oberflächenbehandelt werden. Der Erfolg sei dann garantiert. Das Ende der Geschichte bleibt offen. Einen Haken hat die Sachlage noch: Im Obergeschoss gibt es das gleiche Schadendensbild, aber keine Fußbodenheizung.

Rollstuhlfahrer
auf 6,7 mm Laminat

2011 zog ein Rollstuhlfahrer in eine behindertengerecht ausgebaute Mietwohnung. Vier Jahre später waren an dem verlegten, 6,7 mm dicken Laminatboden Dekorabplatzungen, Fugenbildung und Kantenüberstände entstanden. Dielen ließen sich einfach auseinanderschieben, um einzelne herauszunehmen. Der Vermieter sah den Rollstuhl als Verursacher, der Gutachter wurde zudem gefragt, ob ungeeignete Reinigungsmittel den Klebstoff der Laminatverpressung gelöst haben könnten. Pustekuchen - die Antwort war viel simpler: Ein 6,7 mm dickes - oder dünnes - Laminat schwimmend auf einer 4,2 mm-PE-Schaumunterlage, das konnte einer Belastung auf Dauer nicht standhalten.

Hitze von unten

Sechs Jahre lag ein Laminatboden unbeanstandet in einer Wohnung im Erdgeschoss. Dann traten plötzlich Fugen auf, vor allem im Laufbereich und an den Kopfstößen. "Kann es sein, dass dieses Bodenbild mit einer Sanierung im darunter liegenden Untergeschoss zusammenhängt?", wollte die Versicherung wissen. Dort nämlich hatte es einen Flutwasserschaden gegeben und bei Trocknungsmaßnahmen in Form einer Betonkernaktivierung waren die Räume tagelang auf 40 bis 50 °C geheizt worden. Tatsächlich hatten die Bewohner im Erdgeschoss berichtet, kaum barfuß über ihren heißen Laminatboden gehen zu können. Guter Grund, die Trocknungsmaßnahmen im Unterschoss als Ursache für die Laminatfugen anzunehmen.
Henrik Stoldt
Ungewöhnliche Schadensfälle
Foto/Grafik: Schneppensiefen
Dunkelverfärbung von Eichenholz und dunkle Randfuge an einer Außenwand.
Ungewöhnliche Schadensfälle
Foto/Grafik: Schneppensiefen
Vorprogrammierter Schaden: 6,7 mm dicker Laminatboden auf einer 4,2mm-Schaumunterlage.
aus Parkett Magazin 06/22 (Handwerk)