Fachwissen: Estrichverformungen in der Diskussion

Die Abhängigkeit des Bodenlegers vom belegreifen Untergrund

Weshalb kommt es zu Verformungen und Randabsenkungen und welche Estrichsysteme werden dabei hauptsächlich schadensrelevant? "Die Frage ist unter den Verbänden nicht ausdiskutiert", erklärte Thomas Allmendinger auf dem BVPF-Sachverständigentag in Köln.

Klar, dass verformte Untergründe ein Problem für den Bodenleger darstellen. Welche Estriche sind betroffen? Allmendinger: "Verformungsbedingte Randabsenkungen sind ausschließlich bei konventionellen und beschleunigten Zementestrichen zu erwarten." Das geschieht aber nicht sofort, sondern oft lange nachdem der Bodenbelag verlegt wurde. Das besagt auch der verbändeübergreifende Kommentar zur ATV DIN 18356 - Bodenbelagsarbeiten. Darin heißt es: "Zum Zeitpunkt der Montage sind für den Bodenleger nachträgliche Spaltbildungen oder Verformungen zwischen Wandanschluss, Sockelleiste und Bodenbelag oder Fugenmasse, insbesondere bei Hohlkehle- oder Stellsockel-Ausführung nicht zu vermeiden."

Bleibt die Verformung unter 5 mm, ist das kein Mangel. Ein schwimmender Estrich schwindet nun einmal unter normalen Bedingungen: verformt sich durch Trocknung nach oben oder wird durch Belastung mitsamt der Dämmstoffe zusammengedrückt. Den natürlichen Vorgang beschreibt Allmendinger so: "Die Estrichplatte trocknet nicht gleichmäßig aus sondern einseitig, im Wesentlichen von der Oberfläche her. Deshalb erfolgt das Schwinden auch nicht gleichmäßig. Die mit dem Schwindvorgang einhergehende Verkürzung wirkt sich nach unten im Querschnitt geringer aus, weshalb sich die Platte an den Rändern wölbt, sie "schüsselt". Dieser Effekt geht im Laufe der Zeit durch Kriechen und Relaxation wieder zurück."

Hat sich der Estrichrand am Anfang hochgebogen, senkt er sich im Laufe der Zeit also wieder ab. Allmendinger: "Wenn die Feuchte oben nur 1 % und im unteren Drittel 3 % beträgt, ist der Estrich im Mittel trocken, aber in Bezug auf Verformung kann sich noch einiges tun."

Weist eine Estrichkonstruktion nicht die Belegreife auf und befindet sich noch im Schwindprozess, darf beispielsweise kein keramischer Bodenbelag aufgebracht und verfugt werden. Der ist starr, wirkt den Schwindbewegungen des Estrichs entgegen, hält diese aber nicht auf. In der Folge entstehen - wie bei einem Bimetall-Effekt - Verformungsvorgänge und Risse innerhalb der Fußbodenkonstruktion.

Woher kommen die Probleme?

Für den Parkett- und Bodenleger stellt sich nur die Frage der Belegreife. Seine Aufgaben bestehen in der Feuchtemessung und in einer ausgleichenden Spachtelung, um die benötigte Ebenheit herzustellen. Den Estrich kann er nicht beeinflussen. Und der kann es durchaus in sich haben. Allmendinger kritisiert mögliche Fehler schon bei der Baustoffherstellung: unbekannte Ausgleichsfeuchte des Mörtels, Estrichzusatzmittel mit fragwürdigen Angaben zur Belegreife, ungenügende Mischzeiten, Überwässerung des Systems oder einen zu hohen Zementanteil (Fette Mischung).

Auch dem Planer fehlen eventuell Kenntnisse bezüglich der Vor- und Nachteile unterschiedlicher Estrichsysteme: Produkteigenschaften wurden anfangs nicht geprüft, Messprotokolle nicht überwacht, und wenn andere Baustoffe auf dem jungen Estrich lagen, mangelte es an Lüftung mit der Folge ungleichmäßiger Trocknung.

Natürlich sind auch handwerkliche Fehler nicht auszuschließen: ungleichmäßige Estrichdicken, mangelhafter Untergrund, falsch durchgeführte oder beurteilte Messmethode, zu geringe Anzahl der Messungen oder zu großer Zeitraum zwischen Messung und Verlegung sowie Verletzung der Prüf- und Hinweispflichten.

Das Ende vom Lied kann so aussehen: Der Estrichrand hat sich nach Monaten abgesenkt und der Parkettleger erhält einen Anruf seines Auftraggebers, der sich über Spaltbildung an der Sockelleiste beschwert. Allmendinger: "Der Bodenleger kann das Problem im Vorwege nicht feststellen. Mein Vortrag bietet keine Lösung, sondern soll zum Nachdenken anregen."

Kommentare von anderen Sachverständigen

Ralf Wollenberg: "Aus meiner Sicht liegen Randabsenkungen in der Verantwortung des Estrichlegers. Der kann zwar nichts dafür, könnte aber den Bauherrn darauf hinweisen, dass bei mehr Geldaufwendung die Sache anders verlaufen würde."

Richard Kille: "Wenn ein Parkett- oder Bodenleger eine gerade Hamburger Leiste direkt nach der Parkettverlegung anbringt, müsste er dem Kunden sagen: die Bodennähe der Leiste bleibt nicht so."

Karsten Krause: "Wenn es eine Rückverformung gibt, dürfen wir die Sockelleiste nicht anbringen, bevor die Sache erledigt ist."

Weitere Aussage: "Mit einem schwarzen Schallschutzband unter der Leiste hat man die Absenkungsproblematik meistens behoben."| Henrik Stoldt
aus Parkett Magazin 06/22 (Handwerk)