Einzelhandels-Portraits Gehmacher und Schweitzer in Salzburg
"Fachgeschäfte gibt es nicht mehr viele bei uns in Österreich"
Salzburg im November. Auf dem Domplatz werden die Stände für den Adventsmarkt aufgebaut. Auch die Geschäfte haben bereits begonnen, weihnachtlich zu dekorieren. Schmucke, pure Idylle in der Altstadt - oder täuscht der Anschein und es muss doch etwas bewegt werden? BTH Heimtex hat zwei alteingesessene Geschäfte besucht, die Heim- und Haustextilien anbieten und in diesem Jahr einschneidende Neuerungen erfahren haben.
Gehmacher am Alten Markt in Salzburg hat seinen umfassenden Umbau erst im Oktober abgeschlossen. Die großzügigen, vorher offenen Räume wurden zu einem "Wohnhaus" mit einzelnen Zimmern umgestaltet, in dem zu einem Großteil der neue Partner Flamant Möbel, Stoffe und Wohnaccessoires zeigt. Der am Eingang platzierte große Souvenirbereich wurde aufgegeben.
Helmut Gehmacher führt das Familiengeschäft mit seiner Frau Heidrun seit 1991; die beiden teilen sich die Aufgaben - er die kaufmännische Geschäftsführung, sie das Kreative. Das Geschäft gibt es seit 1870, es hatte aber bis vor rund vier Jahren den Schwerpunkt Teppich. Das Angebot besteht durchweg aus Artikeln des gehobenen - vielleicht sogar ein bisschen speziellen - Salzburger Landhausstils. Heidrun Gehmacher meint: "Wir wollen Ambiente zeigen".
In der Vorweihnachtszeit hat sie viele Tische dekoriert. "Tischwäsche ist ein klassischer Weihnachtsartikel. Und Verpacktes kann ich überhaupt nicht mehr verkaufen, aber wenn der Tisch als Gesamtidee dekoriert wird, können sich die Kunden das auch für zu Hause vorstellen." Tischwäsche, Servietten oder Kissen werden hauptsächlich selbst konfektioniert.
Unter den Deko- und Bezugsstoffen gibt es viel Leinen, Tafte, Seide. Lieferanten sind hochrangige Anbieter wie Nya Nordiska, Jab Anstoetz, Dedar, Chivasso, Romo oder Englisch Dekor. Dazu werden passende Teppiche angeboten, von Flamant, Jab Anstoetz, Limited Edition oder dem spanischen Hersteller Garin. "In dieser Lage ist das Konzept über Angebot und Präsentation von Möbeln, Stoffen, Accessoires absolut das Richtige. Das wollen wir beibehalten", sagt Heidrun Gehmacher.
Nur wenige Schritte entfernt, in der Sigmund-Haffner-Gasse, ist ein Generationswechsel geglückt: Wilhelm Franz Schweitzer hat das Geschäft übernommen, das sein Urgroßvater 1884 gegründet hatte und das zuletzt von seinem Vater Wilhelm und seinem Onkel Franz 40 Jahre lang geführt wurde. Der junge, im Mai 2002 ernannte Geschäftsführer startete gleich mit einem Umbau, der von März bis Mai dieses Jahres gestemmt wurde. Nun dominiert eine frische, moderne Optik mit viel hellem Holz. Etwas düster sei es hier schon gewesen, bekennt Schweitzer.
Das Haus führt "Mode für Bett - Bad - Tisch" - je zu einem Drittel Bettwäsche und Frottier, Bettwaren inklusive Plaids sowie Stoffe, als Meterware für Bekleidung und für Tisch- und Bettwäsche. Die räumlich auf knapp 400 Quadratmeter eingegrenzte Fläche und die Lage in der engen, autofreien Altstadt zwingt zur klugen Beschränkung des Angebots. "Betten können wir hier schon rein organisatorisch nicht anbieten," meint Wilhelm F. Schweitzer. "Aber Bekleidungsstoffe ergänzen unser Angebot optimal. Sie gleichen starke und schwache Zeiten bestens aus."
Es hätte schon ein kleines Sesselrücken in Salzburg stattgefunden, analysiert der Salzburger, der nach der Handelsakademie seine Ausbildung bei verschiedenen Betten- und Stoffhändlern in Österreich und Deutschland machte.
Ein Netzwerk, das er lose mit befreundeten Händlern betreibt, diene sowohl dem Service am Kunden, etwa wenn ein eigentlich nicht mehr lieferbarer Artikel noch beschafft werden kann, als auch der Branchenverständigung. Denn: "Fachgeschäfte gibt es nicht mehr viele bei uns in Österreich."
Als Service bietet Schweitzer eine eigene Weißnäherei, in der auch Monogramme gestickt werden, ein Maßatelier für Bett- und Tischwäsche in allen internationalen Größen. Von Fischbacher werden fürs Bett nach Mustern bis zu 2,70 m breite Stoffe individuell bestellt. Sonderbestellungen für Tischwäsche laufen über Proflax oder Webfabrik Haslach. "Standardmaße sind praktisch am Verschwinden. Etwa 70% sind Sondermaße, teils fremdkonfektioniert, teils im Haus."
Auch für den hochwertigen Objektbereich, die Gastronomie, gibt es maßgeschneiderte Lösungen. Unter den 13 Mitarbeitern sind die meisten ausgebildete Schneiderinnen. Auch die Auszubildenden müssen erst einmal lernen, "was ein Stoff ist, bevor sie auf Kunden losgelassen werden".
Die Bettwäsche in den Regalen kommt von Estella, Fussenegger, Janine, Hämmerle und Fleuresse; Leintücher sind ausschließlich von Kneer. Die Frottierwaren tragen die Etiketten von Gollner, Kleinmann, Möve, Amstetter, Vossen und bei Badevorlegern Rhomtuft. Einziehdecken mit Daunen liefert Kauffmann, jene mit Edelhaar oder Lyocell Hefel. Es gibt in Österreich immer noch rund neun verschiedene Kissenmaße; Schweitzer führt zumeist das größte Maß von 70/90 cm. Natürlich werden auch Bettwaren aus Federn und Daunen zur Reinigung angenommen, Schweitzer gibt sie aber komplett an Kauffmann weiter. "Die können das professionell, dort wird zugleich sterilisiert".
Wer kauft in dieser Lage ein? Es ist zum einen die Salzburger Laufkundschaft. "Gerade bei den Einheimischen braucht es Neuheiten, um die Leute zu überraschen," meint Wilhelm F. Schweitzer. "Der Verkauf lässt sich gut über die Schaufenster regulieren." Wie in einem guten Haushalt wird die Bettwäsche in den Auslagen mindestens jede Woche gewechselt.
Ein nicht unerheblicher Kundenstamm kommt aus dem Ausland: das Festspielpublikum. Die eigentlichen Salzburger Festspiele finden im Juli und August statt, aber man könne das ruhig erweitern, meint Schweitzer: um eine Woche an Ostern, um die Konzertreihe an Weihnachten, Pfingsten, den Jazzherbst, das Adventssingen und dann die vielen Trachtenfeste. Salzburg also ein einziges und immerwährendes Festspiel, zu dem für das internationales Publikum auch das Einkaufen zählt. Gerade aus Amerika gebe es einige Stammkunden, die sich bei Schweitzer Stoffe aussuchen und dann mit Bettwäsche in ihren King- und California King- und Queen-Size-Maßen wieder in die Heimat zurückkehren, im Gepäck und wahrscheinlich auch im Gemüt einen Zipfel "Old Europe"
aus
BTH Heimtex 01/04
(Handel)