Sensible Industrieböden fachgerecht beschichten

Bodenanforderungen in der Lebensmittelverarbeitung

In der lebensmittelverarbeitenden Industrie werden an den Fußboden besonders hohe Anforderungen gestellt: Zu den im Industriebereich üblichen mechanischen und chemischen Beanspruchungen kommen strenge Vorgaben in Sachen Hygiene und Arbeitsschutz. Dr. Stefan Kühner, Sika, erklärt am Beispiel der Getränkeindustrie, wo zusätzlich mit schweren Lasten gearbeitet wird, was bei der Ausführung entsprechender Industriebodenbeschichtungen zu beachten ist.

Lebensmittel sind extrem sensible Waren - Qualität läßt sich nur dort produzieren, wo die Arbeitsumgebung sauber und gepflegt ist. Die Qualität des Bodens ist dabei von entscheidender Bedeutung: Er wird ständig belastet und hat zudem dauerhaft Nässe sowie chemische Reinigungsmitteln standzuhalten. Gerade in der Getränkeindustrie kommen noch Beanspruchungen durch schwere Lasten hinzu.

Damit der Boden gleichzeitig den höchsten hygienischen Anforderungen gerecht werden kann, müssen einige wichtige Punkte beachtet werden:

- Oberflächengestaltung,
- Fugenanordnung und -ausführung,
- Reinigungsfähigkeit,
- Ebenheit / Gefälle / Entwässerung,
- Arbeitssicherheit,
- Verletzbarkeit / Reparaturfähigkeit,
- Migrationsechtheit.

Was ist bei der Oberflächengestaltung zu beachten?

In lebensmittelverarbeitenden Betrieben liegen oft Nassbereiche vor. Das bedeutet unter Arbeitsschutzaspekten: Damit niemand ausrutschen kann, sollten ausschließlich raue und rutschfeste Oberflächen ausgeführt werden. Kehrseite der Medaille: Eine raue Oberfläche wirkt sich negativ auf die Hygiene aus in den Vertiefungen können sich Keime und Bakterien ansiedeln.

Raue Böden müssen daher im Vergleich zu glatten Flächen häufiger gereinigt werden. Da sie für eine Handreinigung viel zu rau sind, haben sich in der Getränkeindustrie Hochdruck- und maschinelle Reinigungsverfahren etabliert; eine weitere Belastung für das Fußbodensystem.

Wichtig: Der Boden darf bis auf die, aus Arbeitssicherheitsgründen erforderliche raue Oberfläche keine weiteren negativen hygienischen Eigenschaften aufweisen und sollte z.B. flüssigkeitsdicht sein. Er muß zudem generell gegen Reinigungsmittel und andere Medien unempfindlich sein und sollte möglichst über schmutzabweisende Eigenschaften verfügen.

Problemfeld Fugenanordnung und -ausführung

Unter Hygienegesichtspunkten empfehlen sich in Nassbereichen möglichst fugenlose Böden. Grund: Fugen sind wartungsintensiv und schwer sauber zu halten. Sie werden deshalb schnell zum Tummelplatz für Bakterien. Kunstharzböden bieten hier eine optimale Lösung, da sie sich völlig fugenfrei verlegen lassen. Lediglich Dehnfugen des Unterbaus müssen in die Nutzschicht übernommen werden.

Damit am Ende möglichst wenige Fugen anfallen, sollte die Konzeption der Beschichtungsarbeiten bereits während der Planungsphase beginnen. Wenn Fugen, Feldgrößen, Gefällesituation, Entwässerungsmöglichkeiten und Ebenheitsanforderung genau durchdacht werden, läßt sich der Fugenbedarf der Unterkonstruktion deutlich reduzieren.

Aufgrund der stets dennoch erforderlichen Dehnfugen entsteht allerdings fast nie ein völlig fugenloser Boden. Muss im Dehnfugenbereich abgedichtet werden, sollten mechanische und robuste Lösungen wie Fugenprofile verwendet werden. Sie haben sich als Abdichtungssystem seit langem bewährt.

Estriche auf Trennlage oder Dämmung können nur mit hohem materiellen Aufwand abgedichtet werden und sind deshalb für Nassbereiche weniger geeignet. Selbst wenn bei diesen Konstruktionen für die Fugengestaltung das besten Systeme zum Einsatz kommen, besteht immer noch ein Schadens-Restrisiko. Als besonders beschichtungsfreundlich gelten daher Betonbodenplatten und Verbundestriche.

Eine einfache und gründliche Reinigung ermöglichen

Wie einfach sich ein Industrieboden reinigen lässt, hängt von der Rauheit der Oberfläche ab - Faustregel: Je rauer ein Belag, desto schlechter lässt er sich reinigen. Mit geeigneten Reinigungsmittel und der richtigen Vorgehensweise können aber auch raue Böden optimal gereinigt werden.

Welche Reinigungsmittel und Geräte sich am besten eignen, läßt sich beim Reinigungsmittelhersteller erfragen. Grundsätzlich gilt: Verunreinigungen sollten immer so schnell wie möglich beseitigt werden. Ist der Schmutz erst einmal getrocknet oder gar fest mit dem Belag verklebt, wird die Reinigung deutlich erschwert.

Gefälle ermöglicht Entwässerung

Stehendes Wasser hat in der Lebensmittelverarbeitung nichts zu suchen. Wie in den Fugen können sich auch in Pfützen Bakterien und gesundheitsschädliche Keime sammeln. Damit Flüssigkeiten ablaufen können, empfiehlt sich der Einbau eines ausreichenden Gefälles sowie entsprechender Entwässerungsmöglichkeiten. Achtung: Raue und griffige Oberflächen lassen sich prinzipiell schlechter entwässern als glatte Beläge - die Bodenoberfläche rutschhemmender Böden muß also eine deutlich stärkere Neigung aufweisen.

Viele lange und schräge Flächen beeinträchtigen allerdings die Begehsicherheit. Wird eine ausreichende Zahl an Abläufen eingeplant, reichen hingegen partielle Gefälle, so dass auch der Arbeitssicherheit Rechnung getragen wird.

Zentrale Anforderungen in Sachen Arbeitssicherheit

Die Arbeitssicherheit hängt von der Oberflächengestaltung und der Rutschfestigkeit des Bodens ab. Mit "rutschsicher" ist eine raue Oberfläche gemeint, die gerade in Nassräumen unerlässlich ist. Die Anforderungen an die Rutschsicherheit richten sich nach dem Einsatzbereich und sind in einem Regelwerk des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften definiert. Das "Merkblatt für Fußböden in Arbeitsräumen mit Rutschgefahr ZH 1/571" enthält für Nassbetriebe in der Getränkeindustrie beispielsweise folgende Vorgaben:

- Frischmilchverarbeitung (Nr. 2.1): R 12
- Lagerkeller / Gärkeller (Nr. 8.1): R 10
- Getränkeabfüllung / Fruchtsaftherstellung: R 11

Der "Rauigkeitsgrad" beschreibt, wie griffig ein Belag ist. Bei Beschichtungen richtet sich die Griffigkeit nach der Sandkorngröße und der Einbettung des Sandkorns in das Kunstharz.

Verletzbarkeit minimieren und Reparaturfähigkeit gewährleisten

Industrieböden aus Kunstharzen - z.B. Epoxidharzen - sind robust, stoß- und schlagfest. Um auch den empfindliche Unterbau wirksam vor Schlagbeanspruchungen zu schützen, empfehlen sich mehrschichtige Aufbauten.

Zudem müssen sich defekte Stellen in Industrieböden einfach reparieren lassen - schon allein aufgrund der hohen Betriebsausfallkosten bei Produktionsstillstand. Auch das ist mit Epoxidharzen relativ leicht machbar.

Wichtige Einflußfaktoren in Sachen "Migrationsechtheit"

"Migrationsechtheit" heißt einfach ausgedrückt, dass keine gesundheitsschädlichen Stoffe in die Lebensmittel bzw. Getränke gelangen dürfen. Das Wort "Migration" bedeutet so viel wie "Wanderung". Kurz: Aus dem Fußboden dürfen keine Stoffe austreten. Damit möglichst wenige Stoffe aus dem Boden "wandern" können, müssen folgende Faktoren berücksichtigt werden:

- thermische Belastungen und Temperaturschockbelastungen,
- chemische Belastungen,
- mechanische Belastungen,
- Flüssigkeitsdichtigkeit.

1. Thermische Belastungen und Temperaturschockbelastungen

Thermische Belastungen haben erheblichen Einfluß auf die Standsicherheit und Langlebigkeit einer Beschichtung. Das Raumklima sollte daher schon bei der Auswahl des Fußbodensystems berücksichtigt werden. Generell gilt: Je höher die Temperatur, desto kürzer ist die Lebensdauer von Epoxidharzsystemen. Grund: Bei steigenden Temperaturen werden die Harzmassen weicher.

Wird es zu heiß, können Chemikalien oder andere Medien wie Säfte und Cola zudem Farbveränderungen an der Beschichtung verursachen - im schlimmsten Fall hässliche Flecken, die dem Boden ein altes und verschlissenes Aussehen verleihen. Epoxidharzbeschichtungen halten in der Regel Warmwasser bis 60 C stand. Gelegentlich sind auch Belastungen bis 80 C möglich. In trockener Luft bestehen Epoxidharze Temperaturen bis 120 C. Für höhere Temperaturen bieten sich sogenannte "PUR CEM-Beläge" an - dreikomponentige Systeme aus Polyurethan und Zement. Gefahr droht für den Boden insbesondere durch schockartiges Aufheizen oder Abkühlen. Kunstharze schrumpfen beim Abkühlen und dehnen sich beim Aufwärmen aus. Dabei entstehen Scherkräfte, die Ablösungen vom Unterbau zur Folge haben können. Thermisch belastete Industriebodensysteme müssen daher besonders gut mit dem Unterbau verankert werden.

2. Chemikalienbeständigkeit

Die Chemikalienbeständigkeit ist gerade in Nassbetrieben von großer Bedeutung. Chemikalien, wie sie etwa in Reinigungsmitteln enthalten sind, können Beschichtungen in ihrer Substanz angreifen und sogar zerstören. Besonders heimtückisch sind warme Chemikalien: Sie lassen die Kunstharze weich werden und erhöhen dadurch zusätzlich die Gefahr einer Zerstörung des Materials.

3. Mechanische Belastungen

Die zu erwartenden mechanischen Belastungen entscheiden über die Auftragsdicke des Kunstharzsystems. In Nassräumen sollte die Schichtdicke immer mindestens 3 mm betragen. Bei dünneren Schichten würden Schlag- oder Stoßbelastungen zu Abplatzungen führen. Außerdem können zu dünne Beschichtungen bei Feuchtigkeit unterwandert werden. Auch hier wären großflächige Ablösungen die Folge. Für Nassräume, die hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt sind, empfehlen sich daher mindestens 4 bis 5 mm Schichtdicke.

4. Flüssigkeitsdichte

Beschichtungen, die ständiger Feuchtigkeit ausgesetzt sind, müssen über das gesamte Gefüge wasserdicht sein. Andernfalls könnten sich Keime einnisten - was den hygienischen Anforderungen der Lebenmittelverarbeitung widerspricht. Hat eine Beschichtung Hohlräume oder undichte Stellen, sind zudem Schäden wie Blasenbildung oder Ablösung vorprogrammiert.

Was ist bei der Ausführung zu beachten?

Grundvoraussetzung für eine funktionierende Beschichtung ist eine ausreichende Abdichtung der Betonbodenplatte gegen aufsteigende Feuchtigkeit. Darüber hinaus sollten Gleitfolien die Bodenplatte vor Zwängungsspannungen schützen, die zu Rissen führen können.

Außerdem muß die Oberfläche der Betonplatte gut aufgeraut, saug- und tragfähig sein, um eine unzertrennliche Verbindung zwischen Beton und Grundierung sicherzustellen. Stetiges Absanden der einzelnen Beschichtungslagen fängt auftretende Scherkräfte ab. Die abschließende Nutzschicht muss stark besandet oder als Mörtelmasse mit Sand abgemagert werden, um die thermische Ausdehnung abzufangen. Die geforderte Rutschhemmung entsteht durch vollständiges Besanden der Nutzschichtoberfläche. Zur Vereinfachung der Reinigung oder aus optischen Gründen wird meistens noch eine Versiegelung aufgebracht.

Wichtig ist, dass alle Systembestandteile vor dem Einbau auf ihre Eignung für den Lebenmittelbereich geprüft wurden. Liegen entsprechende Zulassungen vor? Entspricht das jeweilige System dem Stand der Technik? Auch hier sollte man entsprechende Herstellerauskunft einholen. Ein Verweis auf einschlägige Referenzobjekte ermöglicht eine Überprüfung der versprochenen Nutzungseigenschaften.

Detaillierte Planung und sorgfältige Ausführung entscheiden über den Erfolg

Aufgrund der vielfältigen Anforderungen in der lebensmittelverarbeitenden Industrie muß hier der Industrieboden besonders sorgfältig geplant und verlegt werden. Um alle wichtigen Parameter zu berücksichtigen, beginnt die optimale Planung deshalb schon im Rohbau. In dieser Phase sind Einzelheiten auch noch korrigierbar.

Ein typisches Beispiel für solche Korrekturen ist der Umgang mit Gefällen: Zwar darf ein Betonbauer seinen Beton im Gefälle herstellen - der Estrichleger muss aber beim Einbau von Gefälle-Estrichen Bedenken anmelden. Denn solche Estriche neigen spannungsbedingt zur Rissbildung. Planänderungen und Absprachen sind hier also unumgänglich. Das gilt auch für viele andere Arbeiten: Ob der Einbau von Rinnen, Abläufen, Fugen oder Hohlkehlen - vor dem Einbau ist immer eine genaue Detailplanung erforderlich.

Wurden alle Anforderungen überprüft und die Detailplanung konsequent durchgeführt, steht einem dauerhaften und qualitativ hochwertigen Industrieboden nichts mehr im Wege. Auch hier gilt: Qualität kann nur in einer gepflegten Arbeitsumgebung entstehen.


Der ideale Aufbau auf einen Blick

- Abdichtung gegen aufsteigende Bodenfeuchte
- Beton ohne Hartstoffvergütung > B25.
- mit optimaler Nachbehandlung, Ebenheit, Neigung, Haftzugfestigkeit und Vorbereitung.
- Grundierung rau abgesandet.
- bzw. bei rauen Flächen Egalisierspachtelung, ebenfalls abgesandet.
- Einstreubelag mit einer der Beanspruchung angepassten Schichtdicke.
- entsprechend der Rauigkeitsanforderung abgesandet, einfarbig oder dekorativ.
- Versiegelung zwecks besserer Reinigung und dauerhafter Körnereinbindung.
aus FussbodenTechnik 01/02 (Handwerk)