Der Markt für Dämmung boomt

Warme Verpackung senkt Energiekosten

Der Wärmedämmung von Gebäuden kommt in Deutschland eine immer größere Bedeutung zu. Hersteller, Großhändler und Verarbeiter lesen dies an einer steigenden Nachfrage nach energetischer Sanierung ab. Experten gehen davon aus, dass diese in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen wird. Denn explodierende Energiepreise, wachsendes Umweltbewusstsein und die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung üben Druck auf die Gebäude-Inhaber aus. Die Branche ist gewappnet: Sie bietet moderne Produkte für die Innen- und Außendämmung an, die den Energieverbrauch der Gebäude zurückfahren und den Ansprüchen an eine attraktive Fassadengestaltung gerecht werden. Von Cornelia Küsel

Der Winter naht - und mit ihm eine teure Heizperiode. Allein 2010 sind nach Berechnungen der Deutschen Energie-Agentur (Dena) in einem unsanierten Einfamilienhaus Kosten für Heizung und Warmwasser von 2.800 EUR angefallen und damit 40% mehr als im Vorjahr. Diese Ausgaben könnten laut Dena durch eine umfangreiche energetische Sanierung zum so genannten Effizienzhaus auf ein Viertel gesenkt werden. Viele Hauseigentümer haben dies erkannt und investieren in die Wärmedämmung. "2010 war eines der besten Jahre für die Wärmedämm-Verbundsysteme, wenn nicht überhaupt das stärkste", meint Dr. Wolfgang Setzler, Geschäftsführer des Fachverbands WDVS.

Angesichts steigender Energiepreise geht er auch für dieses Jahr von weiter anziehender Nachfrage sowohl nach Außen- als auch Innendämmung aus. Davon profitieren Hersteller, Großhändler und Maler gleichermaßen. Denn außer einem hochwertigen Produkt ist auch die professionelle Verarbeitung gefragt.

Allerdings ist angesichts steigender Nachfrage der Informations- und Servicebedarf bei den Kunden nach wie vor groß. Wer ihn bedient, kann zusätzliche Potenziale ausschöpfen. Vor allem den Verarbeitern kommt dabei eine große Bedeutung zu, wie eine Studie der Climate Policy Initiative (CPS) beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ergab. Demnach gelten Handwerker 61% der befragten Haushalte als wichtige Informationsquelle bei der Ausführung der energetischen Sanierung. Im Malerhandwerk hat WDVS inzwischen einen Marktanteil von 70%. Argumentationshilfen gibt der Fachverband WDVS in der neuen Broschüre "Heizen wird teurer". Weiter dürfte ein Hinweis auf Gewährung öffentlicher Fördergelder durch die KfW-Bank hilfreich im Beratungsgespräch sein.

Riesiger Markt

"Eine Förderung ist sicherlich zu begrüßen. Viele Hausbesitzer sind bereit, die Wärmedämmung zu verbessern", sagt Manfred Schlegel von der Firma Linzmeier Bauelemente in Riedlingen. Doch von gleicher Bedeutung wie eine finanzielle Unterstützung sind seiner Meinung nach die detaillierten Informationen unter anderem über die Aufbauhöhe oder die möglichen Beeinträchtigung der Wohnungsnutzung während der Bauphase. "Das sind Punkte, die uns bei der Entwicklung von Produkten von großer Bedeutung sind", macht Schlegel deutlich und nimmt an dieser Stelle auch die Fachmedien in die Pflicht, die praktischen Aspekte der Dämmung zu erklären.

Fundierte Angaben über Sanierungen entsprechend den Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EnEV) könnten zumindest dazu beitragen, die Nachfrage nach Dämmsystemen weiter anzukurbeln. Schließlich ist der Markt gewaltig. Von rund 4 Mrd. m Fassadenfläche aller beheizbaren Gebäude sind in Deutschland bisher etwa 700Mio.m mit WDVS versehen, schreiben die Autoren des Fachbuchs "Wärmedämm-Verbundsysteme - Von der Thermohaut bis zur transparenten Wärmedämmung" aus dem Fraunhofer IRB Verlag und Baulino Verlag. Daraus folgern sie, dass rund 3,3 Mrd. m Fassadenfläche ungedämmt sind und energetisch in der Mehrheit als Altbau eingestuft werden müssten.

Nach den Berechnungen der Autoren stehen in den nächsten Jahren unter Berücksichtigung verschiedener Unsicherheitsfaktoren jedoch nur 1,3 Mrd. m nicht gedämmter Fassadenfläche als Marktpotenzial für eine nachträgliche Dämmung zur Verfügung. Aber immerhin.

Die Unternehmen in Deutschland stellen jährlich 40Mio.m WDVS her. Davon vertreiben sie 25Mio.m direkt, 15Mio.m gehen in die Handelsschiene. Der deutsche Markt für Wärmedämm-Verbundsysteme legte im vergangenen Jahr um 8,7% zu und erreichte ein Volumen von 977Mio.EUR, ergab die Markt- und Branchenanalyse IC Market Forecast der Interconnection Consulting Group. Die Menge der verlegten Fläche kletterte demnach um 7,3% auf 38,5 Mio. m und wird bis 2015 mehr als 50,0 Mio. m erreichen. Verbandsgeschäftsführer Setzler bestätigt die positiven Aussichten für die Branche.

Nicht nur Hersteller von Wärmedämm-Verbundsystemen können zuversichtlich in die Zukunft blicken. Auch die Unternehmen, die Innendämmsysteme produzieren, gehören zu den Gewinnern einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Entwicklung. Entsprechend kamen sie nach Angaben Setzlers in den vergangenen Jahren verstärkt auf den Markt. 2011 stießen allein zehn von ihnen als neue Mitglieder zum Fachverband. Ihre Produkte werden WDVS zwar nicht verdrängen, denn nach wie vor ist der Vollwärmeschutz von außen technisch die überlegene Energieeffizienzmaßnahme. Nachteile der Innendämmung sind reduzierte Wohnflächen und Wärmebrücken. Doch sie sorgt dafür, dass das Erscheinungsbild denkmalgeschützter und aufwändig gestalteter Fassaden erhalten bleibt. Dies betrifft nach Schätzungen etwa 20% aller Gebäude.

Schwerpunkt Außendämmung

Ursache für den Boom bei Wärmedämmung sind nach Ansicht der von BTH Heimtex befragten Hersteller steigende Energiepreise, zunehmendes Umweltbewusstsein, erhöhte Komfortbedürfnisse, die Klimaschutzziele der Bundesregierung und die öffentlichen Förderungen der Sanierung. Stetige Weiter- und Neuentwicklung von Produkten ist die Folge, wobei der Schwerpunkt auf der Außendämmung in Bestandsgebäuden liegt. "In den vergangenen Jahren stieg die Nachfrage nach Wärmedämmung jeweils überproportional. Auf diesen Zuwachs reagieren wir mit mit erweiterten Produktangeboten wie etwa die Ergänzung des Zerotherm Fassadendämmystems durch Systeme für Innen- und Deckendämmung", sagt Marcus Fischerbock, Inhaber von Zero-Lack in Bad Oeynhausen. Alle Systembestandteile wie Kleber, Dämmplatten, Armierung und Putze seien gleichermaßen gefragt.

Bei Dinova in Königswinter werden nach Auskunft von Bernd Biebricher vor allem Produkte nachgefragt, die Lösungen für spezifische Probleme bieten. Als "revolutionär" stuft der Produktmanager das Dämmsystem VIP/Stellmaxx ein. Es wurde speziell für unebene Untergründe mit anschließender Schaumverklebung entwickelt. Wie Biebricher erläuterte, dürfen die in WDV-Systemen eingesetzten Kleber nur bis maximal 2cm Kleberstärke (Punkt-Rand-Verfahren) aufgetragen werden. Tiefere Unebenheiten, wie sie häufig in Altbauten vorkommen, könnten so nicht ausgeglichen werden. In diesem Fall sei das Dämmsystem VIP/Stellmaxx die Lösung. Der Systemdübel Stellmaxx verbindet nämlich die VIP Dämmplatten fest mit dem Untergrund. Diese bilden dann eine ebene Fläche und werden abschließend mit Schaum aus der Klebepistole verklebt. "Erst dübeln, dann kleben", macht nach Ansicht Bieberichers also durchaus Sinn.

Der Hersteller von Zellulosedämmung Isocell aus dem österreichischen Neumarkt erwirtschaftet die Hälfte seines Umsatzvolumens mit Dämmstoffen und Maschinen zu deren Einbringung. Das Unternehmen stellte einen Trend zum Passivhaus im Neubau fest. "Die damit steigenden Dämmstoffstärken kommen der Zellulosedämmung sehr entgegen", teilte Marketingleiterin Gabriele Leibetseder mit. "Das Einblassystem ist wirtschaftlicher als Platten oder Matten in der Montage: kein Verschnitt, keine mehrlagige Verlegung, ein Material für Boden, Wand und Decke." Zudem punktet der Dämmstoff mit besserem Schall- und Hitzeschutz.

Zu den gefragtesten Produkten von Caparol in Ober-Ramstadt gehören nach Auskunft von Oliver Berg, Leiter des Bereichs Fassaden- und Dümmtechnik, die Dalmatiner-Fassadendämmplatte, die carbonfaserverstärkten Putze- und Spachtelmassen sowie ein Putz auf Basis der Nano-Quarz-Gitter Technologie für langfristig saubere und brillante Farben. Bei Alligator in Enger gewinnt im Bereich der Wärmedämm-Verbundsysteme das Artocell-Dämmsystem an Bedeutung, das sich gegenüber mineralischen Systemen durch seine hohe Widerstansfähigkeit auszeichnet. "Auch Intensivfarbtöne sind auf einem Artocell-Dämmsystem ideal zu realisieren", hebt Marketingleiterin Manuela Beiter hervor.

Nach den Erkenntnissen des Fachverbands WDVS ist das Dämmmaterial Expandierter Polystyrol-Hartschaum (EPS), auch als Styropor bekannt, bei Wärmedämm-Verbundsystemen mit 80% Marktführer, gefolgt von Mineralwolle (15%). Die restlichen 5% teilen sich auf in Holzweichfaserplatten, Extrudierter Polystyrol-Hartschaum (XPS), Polyurethan-Hartschaum (PUR), Phenolharz und andere. Zwar gibt es laut Verbandsgeschäftsführer Setzler nicht am laufenden Band Neuentwicklungen. Dafür dauerten die Prüfszenarien zu lange. Aber es zeichneten sich Trends ab. Immer beliebter würden schlanke Dämmstoffe.

Innendämmung gewinnt an Bedeutung

Und die Innendämmung ist auf dem Vormarsch. "Sie wird verstärkt eingesetzt, vor allem bei den Gebäudetypen, bei denen bisher eine außenseitige Dämmung nicht möglich war", erläutert Setzler. "Unsere Systeme für die Dämmung von innen für das Dach, die oberste Geschossdecke, die Dämmung von Außenwänden von innen sowie die Kellerdeckendämmung erfreuen sich einer starken Nachfrage", sagte auch Manfred Schlegel von Linzmeier. Linitherm P OSB ist für die oberste Geschossdecke geeignet, Linitherm PAL GK und Linitherm PAL SIL für die Innendämmung von Außenwänden. Damit bleiben nach Überzeugung Schlegels denkmalgeschützte und sehenswerte Fassaden erhalten. Den gleichen Effekt erzielt Isocell mit Renocell, einer aufgesprühten kapillaraktiven Innendämmung aus Zellulose, die direkt verputzt wird.

Produktmanager Bernd Biebricher von Dinova macht allerdings darauf aufmerksam, dass die Innendämmung häufig mit zusätzlichen Kosten verbunden sei. So müsse beispielsweise anfallende Feuchte über eine kontrollierte Be- und Entlüftung abgeführt werden. Dennoch: "Wir sind heute in der Lage, WDV-Systeme sowohl außen als auch innen aufzubringen."

Die Angst, dass durch energetische Sanierung attraktive Fassaden in den Städten verloren gehen, ist also unbegründet. Zumal auch Außendämmung attraktive Wände hervorbringen kann. "Versierte Malerbetriebe sind in der Lage, mit dem richtigen Material eine sehenswerte Fassade durch Wärmedämmung sogar noch aufzuwerten", ist Marcus Fischerbock von Zero-Lack überzeugt. Das Gesamtbild einer sanierte Fassade ergebe sich aus "mannigfachen gestalterischen Optionen". Manuela Beiter von Alligator gibt Fischerbock recht. "Eher langweilige Standardfassaden" könnten durch ein WDV-System attraktiver werden.

Caparol bietet nach Angaben von Oliver Berg zur Gestaltung wärmegedämmter Fassaden eine Vielzahl an Systemkomponenten an, mit denen Gebäude ihre ursprüngliche Identität und charakteristische Note erhalten. Als Beispiele nennt er Fassadenprofile aus dem mineralischen Leichtbaustoff Capapor und Meldorfer Flachverblender, mit denen klinkerartige Mauerwerksoptik dargestelllt werden könne. "Diese Materialien erlauben es, außer der Energieeffizienz und der Emissionsreduzierung auch hohen optischen und haptischen Ansprüchen gerecht zu werden", betont Berg.

Weitere staatliche Anreize gefordert

Ob nun Innen- oder Außendämmung, einig sind sich die Hersteller darüber, dass der Staat über die Fördergelder von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) hinaus weitere Anreize für die energetische Fassadensanierung schaffen sollte. Staatliche Maßnahmen seien nützlich, um die Nachfrage nach Dämmung zu steigern. Das hätten die Konjunkturprogramme bewiesen. Entsprechend enttäuscht ist die Branche, dass die Bundesregierung erst kürzlich entschieden habe, nicht den Vermittlungsausschuss anzurufen, um eine zehnprozentige Steuererleichterung bei energetischer Sanierung durchzusetzen. Diese Maßnahme war vor der Sommerpause von der Länderkammer abgelehnt worden, da die Bundesländern dadurch starke Steuerausfälle befürchteten.

Doch ohne weitere finanzielle oder steuerliche Anreize könnte die Bundesregierung ihre hoch gesteckten Energieeinspar- und Klimaziele verfehlen. Im Energiekonzept ist vorgesehen, den Wärmebedarf für Gebäude bis 2020 um 20% und den Primärenergiebedarf bis 2050 um 80% zu reduzieren. Die Kohlendioxid-Emissionen sollen bis 2040 um 40% gegenüber 1990 sinken. Das bedeutet eine Verringerung um 260Mio.t CO2. Um das zu erreichen, soll der Anteil energetisch sanierter Gebäude von 0,8% auf 2,0% erhöht werden. Die Climate Policy Initiative am DIW ruft die Politik deshalb zum Handeln auf.

Der Gebäudebereich trägt mit 40% zum gesamten deutschen Energieverbrauch bei. Die größten Einsparpotenziale liegen laut Dena im Bestand: Bestehende Gebäude bräuchten etwa dreimal soviel Energie zur Beheizung wie Neubauten. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Farbe Gestaltung Bautenschutz, Werner Loch, macht deutlich, wieviel Energie durch energetische Sanierung gespart wird: "Bisher wurden 840Mio.m WDVS in Deutschland verlegt. Damit wurden 140 Mrd. l Heizöl oder vergleichbare fossile Energieträger eingespart." Nach einer Studie des Bundesamts für Informationstechnik (BSI) reduziert sich der Energiebedarf eines Einfamilienhauses mit 110 m Wohnfläche, Baujahr 1958 bis 1968, nach der Sanierung von 310 kWh/m auf 102 kWh/m.

Dr. Wolfgang Setzler bringt noch ein weiteres Argument ins Spiel: "Der Ausstieg aus der Atomkraft ist nur möglich, wenn im Gebäudebestand weiter aktiv Energie eingespart wird. Da dieses Wachstum unmittelbar an die Facharbeiter gebunden ist, können sich aufgrund der fehlenden Arbeitskräfte nur moderate Wachstumsquoten von 2 bis 5% pro Jahr ergeben. Wenn qualifizierte Verarbeiter zur Verfügung stünden, könnte der Markt schneller wachsen."

Alles in allem wird deutlich, dass Wärmedämmung ein großes Thema für die Branche ist. Denn der Druck auf Hauseigentümer, Emissionen und Energieverbrauch zu senken, wird wachsen. Schließlich hat die Bundesregierung ehrgeizige Klimaschutzziele formuliert. Erreicht werden sollen diese über die stärkere Nutzung erneuerbarer Energien und eine verbesserte Energieeffizienz. Dafür bedarf es hochwertiger Dämmprodukte, eines guten Services und professioneller Verarbeiter. "Und die sind ein absolutes Muss bei der Anbringung von Außen- und Innendämm-Systemen", ist Dr. Wolfgang Setzler sicher. Die Verarbeitungsqualität sei die Basis für funktionierende Dämmung.
aus BTH Heimtex 09/11 (Nachhaltigkeit)