Die zwei Gesichter des Digitaldrucks

Digitaldruck gilt als Schlüsseltechnologie mit großen Chancen. Der " 1. Roundtable Digitaldruck" des SN-Verlags zeigt, dass die Bodenbelagsindustrie perfekt aufeinander abgestimmte Maschinen, Prozesse und Materialien braucht, um das Potenzial des Digitaldrucks voll auszuschöpfen.

Der SN-Verlag hat zusammen mit Unternehmensberater und Bodenbelagsentwickler Karl-Heinz Scholz den "1. Roundtable Digitaldruck in der Bodenbelags- und Holzwerkstoffindustrie" organisiert. Zusammengekommen sind 13 Vertreter von Herstellern aus der Maschinenbau-, der Dekordruck-, der Tinten-, der Fliesen- sowie der Bodenbelags- und Holzwerkstoffindustrie.

Das Interesse an dem Thema ist groß. Denn es gibt heute wohl keinen Hersteller von Bodenbelägen und Holzwerkstoffen, der sich nicht mit Digitaldruck beschäftigt. Die Technik eröffnet im Vergleich zum analogen Bedrucken von Bodenbelägen und Holzwerkstoffen viele Vorteile, werben die Hersteller entsprechender Maschinen und Anlagen: Eine schier unendliche Anzahl von Motiven, Designs und Dekore könne schnell, einfach und kostengünstig auf alle erdenklichen Oberflächen gebracht werden. Eine Mindestproduktions- bzw. -abnahmemenge wie im Tiefdruck über Walzen sei nicht mehr nötig. Ab Losgröße eins sei alles möglich. Lagerbestände an Vorprodukten könnten drastisch reduziert werden. Produziert werden könne innerhalb kürzester Zeit. Die "time to market" reduziere sich durch Digitaldruck erheblich. In der Folge könnten Trends wesentlich zügiger als in der Vergangenheit in marktfähige Produkte umgesetzt werden.

Digitaldruck ist komplexer
als klassische Verfahren

Im Verlauf des Roundtable-Gesprächs wurde aber schnell klar: Das mit den "marktfähigen Produkten" ist so einfach nicht. Denn so groß die Erwartungshaltung gegenüber der Digitaldrucktechnologie auch ist - die Realität in den Werkshallen der Bodenbelags- und Holzwerkstoffindustrie sieht häufig anders aus.

Es seien zu viele Digitaldruckanlagen mit zu großen Versprechungen verkauft worden, hieß es in der Runde. Die Digitaldrucktechnik sei aber viel komplexer als klassische Verfahren; die nötigen Anstrengungen und Investitionen weitaus größer als von den Unternehmensentscheidern angenommen. Die Folge: Es gebe heute mehr Digitaldruckmaschinen auf dem Markt, die nicht laufen, als solche, die erfolgreich drucken. Und: Bei manch einem Unternehmen herrscht aufgrund der Tücken der neuen Technik "Digitaldruck-Frust".

Diese Fallstricke gilt es bei zukünftigen Investitionen zu berücksichtigen, betonte Initiator Scholz: "Ein Einstieg in diese zukunftsträchtige Technologie bedarf einer sorgfältigen Analyse des eigenen Bedarfs und der nachfolgenden Investitions- und Personalplanung."

Die Diskrepanz zwischen Versprechungen und Realität sowie der Wunsch nach einer Dialog- und Austauschplattform zum Thema Digitaldruck innerhalb der Bodenbelags- und Holzwerkstoffindustrie ist der Ausgangspunkt des Roundtable. Ziel der ersten Veranstaltung war es, gemeinsam wichtige Problemfelder des Digitaldrucks für alle Wertschöpfungsstufen zu identifizieren. Über diese wollen sich die Teilnehmer bei zukünftigen Treffen im Detail austauschen.

Problemfelder benannt

Die Anwesenden stimmten überein, dass die Digitaldruckmaschinen, die sie derzeit betreiben, bereits gute und marktfähige Bodenbeläge und Holzwerkstoffe hervorbringen. Classen etwa produziert heute schon mehr als 20 Mio. m2 digital bedruckte Bodenbeläge pro Jahr. Lico arbeitet seit zwölf Jahren erfolgreich mit unterschiedlichen Digitaldrucktechniken. "Viele, die hier sitzen, sind schon recht erfolgreich mit Digitaldruck. Doch es gibt viele technische Hürden, die es gemeinsam zu überwinden gilt, um das Riesenpotenzial der Technik und ihre vielen Möglichkeiten voll auszuschöpfen", sagte Edwin Lingg von Bodenbelagsentwickler Lico. Mit Digitaldruck könne man Designs realisieren, die mit herkömmlicher Drucktechnik nie erreicht werden könnten, gab er zu bedenken.

Thorsten Beinke, Senior Design Manager im Tarkett-Konzern, fasste das Problem aus Sicht der Produktentwicklung zusammen: "Wir orientieren uns bei unserer kreativen Arbeit an den aktuellen Limitierungen des Digitaldrucks und machen die Designs so, das die Anlagentechnik sie umsetzen kann. Das ist keine optimale Situation. Es müsste eigentlich andersherum sein."

Das größte Problem der Roundtable-Teilnehmer ist, dass sie nach eigener Aussage zwar grundsätzlich eine hervorragende Druckqualität hinbekommen. Aber der erforderliche Aufwand, um diese Qualität zu erreichen und dauerhaft sicherzustellen, ist doch erheblich größer, als es die Werbeaussagen der Hersteller von Druckmaschinen suggerieren. Diese häufig anzutreffende Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit in der Reproduzierbarkeit von Dekoren und Farben ist ein nicht unerheblicher Kostenfaktor für die Holzwerkstoff- und Bodenbelags-Hersteller, die einer dringenden Lösung bedarf.

Das liegt nach Ansicht der Gesprächsteilnehmer an der Komplexität des Digitaldruckprozesses. Die Beschaffenheit der Substratoberflächen, auf die digital gedruckt werden soll, die weiteren Aufbringungen wie z.B. Primer, Imprägnierung oder Lacke sowie die eigentliche Farbtinte, die Druckköpfe und die digitalisierten Druckdaten müssen aufeinander abgestimmt werden. Das sei aufwändig und müsse während der Produktion immer wieder aktualisiert werden, weil die Beschaffenheit der einzelnen Bestandteile schwankt. Bei der Bodenbelagsproduktion kommen häufig noch nachgelagerte Verarbeitungs- sowie Veredelungsschritte wie Tempern, Pressen, Versiegeln, Beschichten oder Profilieren hinzu, denen die Digitaldruckdesigns ebenso standhalten müssen.

Auch die Software
ist ein Thema

Diese technischen Hürden limitieren den Digitaldruck, weil bestimmte, aufwändigere Designs mit dem jetzigen Stand der Prozesstechnik in größeren Mengen nur mit Changierungen zwischen den einzelnen Chargen hergestellt werden könnten. Die Bodenbelagshersteller wünschen sich deswegen von den Maschinenbauern bessere und ganzheitliche Steuerungs- und Messsoftware. Es gebe aktuell Programme, die die Anlagenfahrer unterstützen und anzeigen, wenn beispielsweise die Farbrezeptur angepasst werden muss. Leider gibt die Software keine Empfehlung, in welche Richtung zu reagieren ist. Am Ende sei man dann auf das Auge und das Können des Bedienpersonals angewiesen. Da die Digitaldrucktechnik verhältnismäßig jung sei, verfügten die Belegschaften teilweise nur über begrenzte Erfahrungswerte.

Die beim Roundtable anwesenden Hersteller von Digitaldruckmaschinen haben dieses Problem erkannt. Sie haben teilweise Steuerungssoftware entwickelt, die versucht, alle Komponenten des Herstellungsverfahrens zu betrachten und zusammenzubringen. Die Software befindet sich in ersten Feldversuchen. "Wir haben heute viel mehr die Denke eines Systemanbieters als eines Maschinenbauers", resümiert beispielsweise Andreas Unterhofer von Durst.

Die Gesprächsteilnehmer haben für die kommenden Treffen des Roundtable Digitaldruck weitere Themengebiete identifiziert, über die sie sich austauschen wollen. Dazu gehören die Strukturierung der digital bedruckten Oberfläche von Bodenbelägen und Holzwerkstoffen. Für Carsten Brinkmeyer von Hymmen ist das ein besonders wichtiges Thema, denn "Sehen und Fühlen gehören in der Wahrnehmung von Bodenbelägen untrennbar zusammen." Weitere zukünftige Themen werden u.a. sein: Tinte/Lack/Oberflächen, Digitaldruck in der Fliesenindustrie, Technologie-Trends, Materialspezifikationen sowie Grenzen und Risiken des Digitaldrucks. | jochen.lange@snfachpresse.de

1. Roundtable Digitaldruck
Die beiden Schwesterzeitschriften Parkett Magazin und BTH Heimtex aus dem SN-Verlag haben zusammen mit Unternehmensberater und Bodenbelagsentwickler Karl-Heinz Scholz den "Roundtable Digitaldruck" ins Leben gerufen. Der Digitaldruck gilt als Schlüsseltechnologie, mit der sich die gesamte Bodenbelags- und Holzwerkstoffbranche beschäftigt. Teilnehmer des ersten Treffens in der Mühle Meilsdorf vor den östlichen Toren Hamburgs waren: Thorsten Beinke (Tarkett Luxemburg), Tobias Blattner (Homag), Carsten Brinkmeyer (Hymmen), Birgit Fuehres (Tecnografica), Dr. Dieter Holzinger (Tiger Coatings) Klass Kackmann-Schneider (MS Printing Solutions), Sascha Kostros (Impress Surfaces), Edwin Lingg (Lico), Rene Schavoir (Durst), Marco Steg (Swisspearl), Andreas Unterhofer (Durst), Sebastian Wendel (Classen), Peter Wilson (Steuler Fliesen). Das nächste Treffen findet im November 2018 statt - wieder in der Mühle Meilsdorf in Siek.
aus BTH Heimtex 10/18 (Bodenbeläge)