Digitaldruck richtig nutzen

Europäische Hersteller von LVT, Laminatböden und Parkett können sich neben Umweltthemen und Innovationen vor allem mit Digitaldruck von den großen asiatischen Wettbewerbern unterscheiden, sagt Thorsten Beinke, Designer bei Tarkett.

Das hörte sich doch gut an: Als die ersten digitalen Druckmaschinen für die Dekorherstellung bei elastischen Bodenbelägen und Laminat vorgestellt wurden, rieben sich Designer und Supply Chain-Manager die Hände. Einerseits wegen unendlich vieler Möglichkeiten der Gestaltung; andererseits aufgrund der Individualisierung von Kundenanfragen, die fortan die Auftragsbücher, aber nicht die Lager füllen sollte. Das Ziel war schnell ausgemacht: Individualisierte Bodenbeläge, bei denen der Preis eine untergeordnete Rolle spielt. Eine andere Vision versprach den Druck von kleinen Auflagen, bei denen der klassische Weg des Tiefdruckverfahrens bis dato nicht mehr rentabel gewesen ist. Das Ganze wurde garniert mit niedrigen Einstiegspreisen in die Technologie - zumindest wenn man Geräte von der Stange nahm. Die Ernüchterung kam spätestens, als sich herausstellte, wie fragil die Technologie ist, und dass es auch hier Experten braucht, um solche Drucklinien zu betreiben und mit Designs zu füttern.

Ohne Design läuft nichts

Die Herangehensweise ist bei der Entwicklung von Tiefdruck- und Digitaldesigns erst einmal gleich: Nach der Selektion von Holz oder Naturstein wird das Rohmaterial auf Großformatscannern digitalisiert und mit entsprechenden Bildbearbeitungsprogrammen wie zum Beispiel Photoshop bearbeitet. In den meisten Fällen wird dann aus den einzelnen Elementen oder Dielen ein Allover-Design kreiert.

Ein wichtiger Schritt ist danach die Farbseparierung, die absolute Expertenaufgabe ist. Hier wird die Farbe in einzelne Kanäle zerlegt, die später einmal die jeweilige Druckfarbe darstellen. Ziel der Separation ist, möglichst viele Farbstellungen und Schattierungen der Vorlage für das spätere Produkt abzudecken.

Beim Digitaldruck ist die Farbseparation wesentlicher einfacher, manchmal sogar gar nicht notwendig. Nur wenn man ein Dekor in möglichst vielen Farbnuancen abbilden möchte, macht die Separation auch für den Digitaldruck Sinn.

Während man beim klassischen Tiefdruck die Farbvielfalt über eine hohe Anzahl von Druckwerken, in denen die Druckzylinder stecken, abbilden kann, rechnet die Digitaldruckmaschine die Farben vor dem Druck wieder zusammen. Aus diesem Verfahren ergibt sich eine Limitierung der Farbenvielfalt. Auf Digitaldruckanlagen sind deswegen einige Farben gar nicht darstellbar. Im klassischen Tiefdruck ist die Farbvielfalt heute noch höher, weil sie individuell angemischt werden.

Die Grenzen des Tiefdruckverfahrens

Das Standardverfahren für die Dekorindustrie ist der Tiefdruck. Beim Tiefdruck werden kleine "Näpfchen" in beschichtete Druckzylinder graviert und im Rotationsverfahren auf das Bedruckmaterial aufgebracht. Das Papier oder die Folie durchläuft dabei von Rolle zu Rolle die Druckzylinder mit den Farben, die je nach Dekor individuell angemischt werden. Die Umrüstzeiten mit den Druckzylindern, die eine Breite von bis zu 5 m haben können, sind langwierig. Einerseits weil es die Maschinentechnik erfordert, dass nach jedem Dekorwechsel die Passgenauigkeit und Farbstellung neu justiert werden muss. Andererseits weil die Metallzylinder ein hohes Gewicht haben.

An dieser Stelle bringt der Digitaldruck die Branche ins Träumen: Dekorwechsel auf Knopfdruck, keine Investitionen und Lagermanagement von Druckzylindern sowie Produktion nach Bedarf.

Digitaldruckverfahren im Vergleich

Der Farbauftrag beim Digitaldrucken wird maßgeblich von zwei Verfahren bestimmt. Dem Singlepass- und dem Multipass-Druck. Beim Singlepass sind die Druckköpfe auf der gesamten Druckbreite starr montiert hintereinander gereiht und das Bedruckmaterial wird unter den Druckköpfen kontinuierlich in eine Richtung bewegt.

Beim Multipass fahren die Druckköpfe von links nach rechts und das Bedruckmaterial wird jeweils nach Fertigstellung einer Druckzeile weiter bewegt. Der Vorteil des Singlepass-Druckens ist eine viel höhere Druckgeschwindigkeit. Gleichzeitig sind aber die Investitionen auch höher. Zudem ist das Farbmanagement so vieler Druckköpfe eine echte Herausforderung. Die Technolgie des Multipass-Druckens scheint durch die Vielzahl von installierten Anlagen ausgereifter. Durch die geringe Anzahl von verwendeten Druckköpfen sind diese Maschinen entsprechend wartungsärmer und besser zu managen. Möchte man jedoch mit wasserbasierten Tinten drucken, kommt man meistens nicht an Singlepass-Druckern vorbei.

Die Herausforderung für beide digitalen Druckverfahren ist die Gleichmäßigkeit des Bedruckmaterials und des Primers, weil sich durch den geringen Tintenauftrag schon kleinste Abweichungen in der Farbe abbilden.

Die Druckvorstufe ändert sich

Mit der Möglichkeit des Digitaldrucks steigen auch die Anforderungen an die Designer und Mediengestalter in der Druckvorstufe. Zumindest dann, wenn man von den Möglichkeiten der Digitaltechnologie profitieren will. Die Dekorabmessung wurde bislang durch Breite und Umfang des Druckzylinders limitiert. Im Digitaldruck ist da wesentlich mehr möglich: Während ein klassischer LVT fünf bis sechs verschiedene Paneele hatte, sind es bei neuesten Digital-Kollektionen schon 36. Die Größe der Designdatei wuchs dabei auf stattliche 2 x 6 m. So ein Design zu erstellen, dauert mehrere hundert Stunden und bedarf entsprechend leistungsfähiger Computer.

Individualisierung macht den Unterschied

Was ebenso fasziniert, ist die Möglichkeit der Individualisierung in hohen Auflagen. Voraussetzung dafür ist eine leistungsfähige Digitaldruckanlage. Hier hat Tarkett schon Kundenwünsche jenseits der 10.000 m2 produziert.

Am anderen Ende des Spektrums von Digitaldruck ergibt sich die Möglichkeit, kleine Produktionsmengen zwischen 20 und 50 m2 herzustellen. Wenn man jedoch bedenkt, das besonders die großen Industrieunternehmen gar nicht auf diese Art von Kundenanfragen eingerichtet sind, mag das als Businessmodell eher schwierig sein. Denn jeder Auftrag verlangt den gleichen Servicelevel, Designersupport und die komplette Liefer- und Produktionskette.

Aber genau hier sehe ich einen Ansatz für europäische Hersteller, sich gegenüber den Anbietern aus Fernost zu unterscheiden. Design und Individualisierung "just in time" ist sicherlich nicht das einfachste Geschäftsmodell, aber wahrscheinlich die richtige Reaktion auf häufig preisaggressive Konkurrenten, deren Produkte über den Seeweg kommen müssen. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, wie viele zusätzliche Designer benötigt werden, um dieses Geschäftsfeld zu bedienen.

Zukünftig alles digital?

Dass der Digitaldruck komplett den Tiefdruck ersetzen wird, hängt stark davon ab, wie sehr das klassische Druckverfahren Innovationen entwickeln kann. Die Rüstzeiten müssen verkürzt werden, Zylinderumfänge müssen wachsen - das geschieht bereits. Noch ist der Tiefdruck führend in Sachen Geschwindigkeit. Aber die Hersteller und Verwender gerade im Bereich der Singlepass-Anlagen holen rasant auf.

Solange es nicht individuell gestaltete Bodenbeläge sind, ist es allerdings dem Kunden egal, in welchem Verfahren das Produkt hergestellt wurde: Hauptsache es hat das richtige Design. Aus einem Wettbewerb der Größe kann sich dadurch ein Wettbewerb der Geschwindigkeiten und der Flexibilität entwickeln. Es bleibt also spannend.

Thorsten Beinke
aus BTH Heimtex 11/18 (Bodenbeläge)