Hersteller in der Corona-Krise

Die Umsätze schwinden die Zuversicht bleibt

Hamburg. Wie verkraftet die Schlafbranche die aktuelle Situation? Wir haben ausgewählte Hersteller gefragt, wie sie mit dem Lockdown zurechtgekommen sind und welche Aussichten sie für die Zukunft sehen. Die Situation ist kritisch, viele Unternehmen stellen sich auf deutliche Umsatzeinbrüche ein. Doch die Stimmung ist zuweilen besser, als man denkt.

Das Schlimmste im Moment ist die Ungewissheit über noch folgende Ereignisse und darüber, wie lange mit diesen gravierenden Einschränkungen gerechnet werden muss", sagt Michael Bauer. Der Bettwäschehersteller aus dem sächsischen Aue spricht aus, was viele Unternehmer umtreibt. Die Unsicherheit und die Sorge um die Zukunft ist groß, auch wenn die ersten Lockerungen greifen und die meisten stationären Geschäfte wieder geöffnet sind. Curt Bauer mit seinem starken Standbein im Fachhandel brachen diese Kunden im In- und auch im Ausland aber zunächst weg. "Allein der Onlinehandel gleicht dies nicht aus", sagt der Unternehmer.

So wie viele andere auch hat Bauer Kurzarbeit beantragt, "um dem Rückgang der Aufträge produktionsseitig Rechnung tragen zu können." Sämtliche Planungen für 2020 hätten zudem überarbeitet werden müssen, um den erforderlichen Finanzbedarf zu ermitteln und eventuell nötige Liquiditätshilfen zu beantragen.Auch die Produktion von Mund- und Nasen-Schutz wurde in Aue umgehend aufgenommen, um dem täglich steigenden Bedarf gerecht werden zu können. "Die Situation im Moment ist sehr schwierig, da völlig unklar ist, wie lange die Beschränkungen im In- und Ausland aufrechterhalten werden", erklärt Michael Bauer."Je länger dieser Zustand anhält, desto gravierender werden die Folgen sein."

Bierbaum:
Die Produktion läuft

Auch Dr. Frank Bierbaum vom Bettwäschehersteller Irisette treibt die Frage der näheren Zukunft um. "Am wichtigsten ist es, einen weiteren Lockdown zu vermeiden", betont der Geschäftsführer des Borkener Unternehmens. "Wir rechnen schon damit, dass es einige Zeit dauern wird, bis sich Umsätze auf ein Vorkrisenniveau einpendeln. Das ist eine große Herausforderung, laufen doch die meisten Kosten weiter." Irisette habe aber eine gute Substanz, so dass man dies aushalten werde. "Und in der neuen Zeit nach und mit Corona wächst sicher das Interesse an einer Marke mit einer einzigartigen Produktion in Deutschland", ist Bierbaum sicher.

Neben der Konzentration auf Hygienemaßnahmen und der Organisation von Home-Office reagierte man bei Irisette auf die Sondersituation, indem Urlaub abgebaut und für eine kurze Phase im Vertrieb auch Kurzarbeit beantragt wurde. "Die neue Herbst/Winter-Kollektion ist auf dem Weg, unsere Produktion läuft. Bis heute sind wir von größeren Unterbrechungen unserer Lieferketten verschont geblieben. Hilfreich ist natürlich, dass wir mit unserem eigenen Werk eine tiefe eigene Wertschöpfung haben", so Bierbaum. "Die große Herausforderung der nächsten Wochen lautet, trotz des neuen Starts in den Innenstädten Infektionszahlen beherrschbar niedrig zu halten."

Wülfing:
Größere Saisonaufträge

Das Aufrechterhalten der Produktion scheint den meisten von der Haustex befragten Unternehmen ohne größere Probleme gelungen zu sein. "Als Hersteller haben wir andere Lieferketten und Vorlaufzeiten als Handelsunternehmen oder Converter. Daher haben wir schon frühzeitig bei den ersten Anzeichen einer möglichen Unterbrechung von Lieferketten Garne und Hilfsmittel wie Farbstoffe auf Vorrat geordert", erklärt Josef Kölker vom Borkener Bettwäschehersteller Wülfing. "In dem Bereich sind wir gut aufgestellt."

Doch eine gute Bevorratung alleine reicht in Krisenzeiten nicht aus. Auch bei Wülfing wurde die Produktion räumlich in bestimmte Bereiche aufgeteilt sowie Abstandsregeln, Maskenpflicht und weitere Hygienemaßnahmen in Absprache mit dem Gesundheitsamt umgesetzt. "Außerdem wurden für alle Bereiche personelle Reserven geschaffen. Damit ist sicher gestellt, dass im Falle von Erkrankungen allenfalls einzelne Abteilungen betroffen sind", so Kölker.

Er sieht Wülfing als vollstufigen Hersteller gegenüber Unternehmen, die Fertigware beschaffen müssen, im Vorteil. "Die Beschäftigung ist bei uns aktuell durch größere Saisonaufträge für Herbst/Winter und einige Sondergeschäfte im Export noch gesichert", so Kölker. "Es fehlen natürlich die Tagesumsätze, und das wird sich mittelfristig auch auf die Auslastung in der Produktion niederschlagen."Hinzu komme die Ungewissheit, "sich auf eine Herbstsaison vorzubereiten, ohne Informationen aus dem Handel, wie sie beispielsweise bisher aus Vorverkäufen kamen."

Traumina:
Sorge um Rohwaren

Auch beim Bettwarenhersteller Traumina wurde die Produktion aufrecht erhalten. "Alle eingehenden Aufträge konnten reibungslos produziert und ausgeliefert werden", freut sich Geschäftsführer Andreas Veil, der dies auf eine frühzeitige und konsequente Umsetzung aller Schutzmaßnahmen zurückführt: "Es wurden bereits seit Februar erhebliche Schutzmaßnahmen innerbetrieblich getroffen." Neben Desinfektionsmitteln oder Masken gehörte dazu auch, dass sämtliche Hausbesuche und Seminare abgesagt wurden. Jegliche Wartungs- und Reparaturarbeiten in der Produktion wurden von internen Mitarbeitern durchgeführt, so Veil.

"Ein wichtiger Punkt war jedoch, den permanenten Traumina-Service auch in diesen Zeiten in gewohnt hohem Standard zur Verfügung zu stellen." Innen- und Außendienst waren jederzeit für Rückfragen und Wünsche zu erreichen. "Weiterhin wurde mit Hochdruck an einer Umsetzung des Direktversands zum Verbraucher gearbeitet." Der sei bereits Mitte April umgesetzt worden.

Entscheidend für einen reibungslosen Produktionsablauf nach der schrittweisen Öffnung der Geschäfte und der gesamten Wirtschaft wird aus Sicht des Unternehmens allerdings die Rohwarenversorgung sein, da die Transportmöglichkeiten derzeit sehr eingeschränkt sind. "Wir haben mit allen unseren Vorlieferanten Kontakt aufgenommen, um große Mengen an Rohware zu bestellen und anliefern zu lassen. Zusätzlich wurden neue Lagerkapazitäten bei externen Speditionen angemietet", so Veil. Er sieht sein Unternehmen "mit der vorhandenen Weitsicht und den geschaffenen Maßnahmen jedoch für die Zeit danach’ sehr gut positioniert". Trotzdem bedeutet die Krise einen erheblichen Einschnitt: "Bis sich die Lage und das Konsumverhalten wieder einigermaßen normalisieren werden, planen wir im Jahr 2020 mit einem Umsatzrückgang von cirka 30 Prozent für Handel und Industrie."

Grosana:
Rückstände aufgeholt

Auf Rückgänge macht man sich auch beim Reutlinger Matratzenspezialisten Grosana gefasst: "Ich rechne damit, dass das Konsumverhalten der Verbraucher in der nächsten Zeit zurüchaltend sein wird. Aber wir haben alle keine Glaskugel", beschreibt Geschäftsführerin Nicola Gerold die Situation und bleibt zuversichtlich: "Wir sehen die schwierige Situation auch als Chance. Viele Menschen werden in diesem Jahr nicht wie geplant verreisen können und vielleicht ihr Budget anders nutzen - zum Beispiel für den Kauf einer neuen Matratze."

Man versuche, das Beste aus der aktuellen Situation zu machen, so Gerold. Bei Grosana konnte ohne Unterbrechung weiter produziert werden: "Wir konnten jetzt einige Rückstände aufholen, nachdem wir im Winter hohe Krankenstände bis teilweise 30 Prozent der Belegschaft hatten." Jetzt sind wieder alle an Bord: "Wir sind jetzt besser besetzt als vor Corona." Im Büro wurde der ein oder andere Mitarbeiter ins Home-Office geschickt, auch in der Produktion wurden Hygienemaßnahmen erarbeitet. Aber: "An der Matratzenklebeanlage haben die Mitarbeiter immer schon mit einigem Abstand zueinander gearbeitet. Da braucht man jetzt keine besonderen Maßnahmen."

Dennoch muss man auch in Reutlingen konstatieren, dass der Absatz eingebrochen ist. Grosana ist an den Fachhandel gebunden, nicht an große Möbler oder Versender. "Damit ist unser Hauptumsatzträger weggefallen. Auch unser eigenes Fachgeschäft mussten wir schließen", so Gerold. "Wir haben natürlich bei weitem nicht die Auftragseingänge, die wir sonst gehabt hätten. Es ist ein Glück, dass wir die letzten Jahre so gut gearbeitet haben."

Dormiente:
Showroom neu gestaltet

Rüdiger Plänker vom Naturhersteller Dormiente bleibt angesichts der Coronoa-Krise demonstrativ gelassen. "Ich sehe das alles nicht dramatisch", sagt er. "Wir hatten einen sehr guten Start ins Jahr und lassen die Produktion zu 100 Prozent laufen. "Wir waren ohnehin bis Ende April ausgelastet, und danach waren die Geschäfte wieder offen." Doch selbst in Zeiten des Lockdowns habe man noch 25 Prozent Auftragseingänge verzeichnet. Zur Sicherheit werden bei Dormiente Näherei und Matratzenproduktion im Zwei-Schicht-Betrieb gefahren, so dass sich die jeweiligen Teams nicht begegnen müssen. Außerdem gab es Kurzarbeit im Vertriebs-Innendienst.

Für den Sommer hat Plänker bereits eine Kampagne entwickelt: "Mach doch Urlaub im Bett" lautet der Titel, und weiter: "Mein Reiseziel für 2020: Ein neues Bett von Dormiente". Auch bei Dormiente setzt man darauf, dass viele Menschen nicht wie geplant verreisen können und daher ihr Budget umverteilen. Ein Marketingpaket mit Plakaten und anderem steht bereit. "Wir wollen unsere Kunden aktiv begleiten für die Zeit danach", betont Plänker.

Für ihn war die Zeit des Lockdowns keine Ruhephase. "Wir haben währenddessen unseren gesamten Showroom umgebaut", berichtet der Unternehmer. So wurden individuelle Shop-in-Shop Konzepte entwickelt, die je nach Bedarf des Handels gezeigt werden. "Unsere Außendienstler können ab sofort mit unseren Kunden im Showroom diese Konzepte besichtigen", so Plänker. Die Möglichkeiten reichen von der Shop-in-Shop-Lösung auf kleinster Fläche bis hin zu einer Stand-Alone-Version eines Dormiente Centers mit mehreren 100 Quadratmetern. "Wir sind überzeugt, dem Handel, mit diesen Modulen einen nachhaltigen Erfolg generieren zu können."

Hoffnung auf ein
verändertes Bewusstsein

Ganz so gelassen sind nicht alle Unternehmer, mit der die Haustex sprechen konnte, auch wenn eigentlich bei allen immer auch ein Stück Zuversicht herrscht. "Wir stellen uns für 2020 auf deutliche Umsatzrückgänge ein", sagt etwa Josef Kölker von Wülfung. Es werde seine Zeit dauern, bis sich der Handel wieder stabilisiert habe. "Die Frühjahr/Sommer Ware ist im Laden und hatte keine Chance abzufliessen. Keiner weiß, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt und wie schnell die Menschen wieder Planungssicherheit haben, umzu konsumieren."

Hoffnung schöpft Kölker aus der Erfahrung, dass in Zeiten häufig das eigene Heim verschönert werde. Möglicherweise werde sich auch in der Beschaffungsmentalität des Handels etwas ändern zugunsten der hiesigen Anbieter: "Wir sind nun mal dichter am Markt und können uns bei kurzen Vorlaufzeiten schneller und flexibler auf die Bedürfnisse des Handels einstellen, als das bei Importen aus Asien möglich ist."

Auch Michael Bauer setzt auf ein solches Umdenken: "Wenn es künftig gelingt, das Bewusstsein für mehr einheimische Produktion zu fördern und zu entwickeln, besteht vielleicht für die Textil- und Bekleidungsindustrie in Deutschland die Chance, einiges an Produktion zurückzuholen. Dazu ist sicherlich die Unterstützung der Politik nötig, um nachhaltige Effekte zu erzielen." Die Zeit nach Corona werde von enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten geprägt sein, fürchtet Bauer. "Wir werden uns auf eine geänderte Lebensweise auf Sicht einstellen müssen."
aus Haustex 05/20 (Haustextilien)