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Bodenbeläge recyceln – eine Bestandsaufnahme
Recycling von textilen und elastischen Bodenbelägen: Was ist möglich? Was wird schon gemacht? Wo ist noch Potenzial? Eine Standortbestimmung zu kunststoffbasierten Produkten aus Sicht des Umweltbundesamtes.
Im Auftrag des Umweltbundesamtes haben Wissenschaftler die Produktion, Rücknahme und das Recycling von Bauprodukten untersucht. Die Ergebnisse hat das UBA im November 2021 unter dem Titel „Förderung einer hochwertigen Verwertung von Kunststoffen aus Abbruchabfällen sowie der Stärkung des Rezyklateinsatzes in Bauprodukten im Sinne der europäischen Kunststoffstrategie“ publiziert. Wir fassen die Aussagen zu einem Teilbereich dieser Studie zusammen: den textilen und elastischen Bodenbelägen.
Schon bei den Basisdaten für ihre Untersuchung stießen die Wissenschaftler auf Probleme, denn die Informationen des Statistischen Bundesamtes haben keine einheitliche Struktur. So werden die Zahlen zur Bodenbelagsproduktion in der Regel in Quadratmetern erhoben (Ausnahme Kautschukbeläge), die zu Bauabfällen aber in Kilogramm oder Tonnen. Zudem fassen die Statistiker bei den Abfällen Bodenbeläge mit Wand- und Deckenverkleidungen aus Kunststoff zusammen. So konnte die Menge recyclingfähiger textiler und elastischer Beläge aus Kunststoff letztendlich nicht ermittelt werden.
Die UBA-Studie geht bei textilen Bodenbelägen von einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von zehn Jahren, bei PVC-, Kautschuk- und elastischen Sportböden von 20 Jahren aus. Um sie anschließend recyceln zu können, müssen sie in der Abbruch- und Rückbauphase der Gebäude ausgebaut und separiert werden. Das sei schon mit relativ geringem Aufwand zu erreichen.
Der nächste Schritt ist das Sammeln der Bauabfälle über Rücknahmesysteme. Bislang sind es zumeist die Hersteller, die derartige Systeme primär für ihre eigenen Produkte anbieten. Als Beispiele nennt die Studie Tarkett mit dem Programm Re-Start und Interface. Die Autoren sprechen sich stattdessen für eine herstellerübergreifende, branchenweite Lösung aus.
Einen solchen Ansatz verfolgt die Arbeitsgemeinschaft PVC-Bodenbelag Recycling (AGPR), die ebenfalls Erwähnung in der Studie findet. Eine Alternative für eine Zwischennutzung liefert in Großbritannien Greenstream Flooring: Die Firma sammelt seit 2008 gebrauchte Teppichfliesen ein, um sie preisgünstig an Verbraucher weiter zu verkaufen, die sich keinen neuen Bodenbelag leisten können – kein Recycling, sondern Weiterverwendung.
Den Recyclingprozess bei PVC-Bodenbelägen beschreibt die Studie analog zur AGPR in vier Schritten:
- Sortenreine Sortierung,
- Zerkleinern in 30 mm große Chips,
- Abscheidung von Estrich- und Klebstoffresten,
- Vermahlen auf eine Korngröße von 400 µm.
Die erzeugten Rezyklate werden hauptsächlich für die Produktion neuer PVC-Beläge genutzt, aufgrund einer verminderten Farbqualität in der Regeln in von außen nicht sichtbaren Schichten.
Das Recyceln textiler Böden sehen die Autoren als schwieriger an und begründen das mit der Komplexität des Aufbaus dieser Produkte und der Vielfalt eingesetzter Materialien. Neben unterschiedlichen Fasern in der Nutzschicht sorgen zum Teil vernetzte oder schlecht zu trennende Klebeverbindungen für Probleme.
Technisch sei das Recycling von Fasern aus Polyamid (PA6, PA66), Polyethylen (PET) und Polypropylen (PP) sowie die Wiederverwertung für neue Teppichfasern aber möglich. Lediglich bei Mischfasern bestehe nur die Option zum Downcycling (siehe
Recycling, Upcycling, Downcycling). Recyclingfreundlichere Konstruktionen würden Abhilfe schaffen: Gefordert werden der Einsatz von weniger Mischfasern, dafür mehr recycelbare Materialien, das einfachere Trennen einzelner Schichten verbunden mit der Kennzeichnung der Materialien jeder Schicht sowie die klebstofffreie Verlegung. Auch beklagt die Studie das Fehlen einer leistungsfähigen Rücknahmelogistik und Recyclinginfrastruktur für textile Beläge.
Insgesamt sehen die Autoren ein hohes Potenzial im Recycling textiler und elastischer Bodenbeläge aus Kunststoff – unabhängig von den skizzierten Problemen und bestehenden Defiziten. Die Produkte lassen sich nach Gebrauch verhältnismäßig leicht separieren und einsammeln. Das Recycling gelingt bereits heute und die Rezyklate lassen sich häufig für neue Bodenbeläge einsetzen.
Die beiden wichtigsten Forderungen an die Industrie sind erstens ein veränderter Fokus in der Produktentwicklung mit einer strikten Anwendung von Design-for-Recycling-Konzepten. Zweitens der forcierte Auf- und Ausbau von Rücknahmesystemen, idealerweise flächendeckend und herstellerneutral.
Thomas Pfnorr
Große Potenziale auch bei Verpackungen
Ein eigenes, umfangreiches Kapitel widmet die Studie des UBA dem Thema Kunststoffverpackungen für Bauprodukte – nicht nur für Bodenbeläge. Für die bauspezifischen Verkaufs-, Um- und Transportverpackungen konnten die Autoren zwar keine genauen Mengen ermitteln; ihre Schätzung von jährlich rund 170.000 t in der Baubranche und weiteren 70.000 t bei Endverbrauchern bezeichnen sie selbst als „mit einer großen Unsicherheit behaftet“. Gleichwohl werden hier die Dimensionen und die damit verbundenen Optimierungs- und Recyclingpotenziale deutlich. Optionen bieten der Verzicht auf Verpackungen und ein optimiertes Verpackungsdesign mit verringertem Materialeinsatz, außerdem Mehrwegsysteme und wiederverwendbare Verpackungen (Beispiele: Big Packs, Kunststoffflach- und -boxpaletten) – hier seien die logistischen Herausforderungen oft größer als die technischen.
Ob nun Mehrweg- oder Einwegverpackung: Recyclingfähig sollte sie sein. Die Autoren empfehlen dazu unter anderem den Einsatz weit verbreiteter Materialien wie Polyolefine oder PET, den Verzicht auf Zusatzstoffe, die einfache Trennbarkeit der Komponenten und das Vermeiden abtrennbarer Kleinteile. Auf der Baustelle brauche es ein Verpackungsabfallmanagement.
Mehr Infos im Internet
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„Förderung einer hochwertigen Verwertung von Kunststoffen aus Abbruchabfällen …“ als PDF
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Arbeitsgemeinschaft PVC-Bodenbelag Recycling
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Tarkett Restart-Programm