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Nachhaltiger Konsum in unsicheren Zeiten

Corona, Krieg, Energiekrise, Inflation – spielt Nachhaltigkeit im Konsum jetzt noch eine Rolle? Ja, lautet das Ergebnis gleich zweier Verbraucher-Studien. Aber Industrie und Handel müssen gegenwärtig mehr tun, um die Menschen für nachhaltige Produkte zu begeistern.

Die gute Nachricht zuerst: Egal, ob aktuelles KPMG Consumer Barometer oder Monitor Deloitte (siehe unten „Nachhaltig einkaufen? Ja, aber…“) – beide aktuellen Konsumentenbefragungen zeigen, dass Nachhaltigkeit für Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland von großer Bedeutung ist und bleibt. Laut KPMG gaben 81 % der Befragten an, Nachhaltigkeit und nachhaltiger Konsum seien ihnen wichtig oder sehr wichtig. Im Monitor Deloitte war 63 % die Nachhaltigkeit von Produkten des täglichen Bedarfs wichtig/sehr wichtig. Die Umfragen haben die beiden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirmen nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und bereits in Zeiten steigender Preise durchführen lassen.

Aber Nachhaltigkeit muss man sich auch leisten können. Denn häufig sind derartige Produkte teurer als vergleichbare konventionelle Erzeugnisse. Angesichts monatlicher Inflationsraten von bis zu 10 %, steigender Preise für Energie, Kriegsangst, Corona und einer generellen Unsicherheit, was die wirtschaftliche Entwicklung angeht, sitzt das Geld nicht mehr so locker, müssen finanzielle Rücklagen gebildet und Konsumentscheidungen gegebenenfalls neu getroffen werden. So verzichtet gegenwärtig rund ein Drittel der Verbraucherinnen und Verbraucher aufgrund der Preissituation vermehrt auf den Kauf nachhaltiger Produkte, hat das IFH/ECC Köln ermittelt. Umgekehrt bedeutet das für Unternehmen, die auch weiterhin nachhaltige Produkte verkaufen wollen, dass sie die Interessen der Kundschaft jetzt besonders gut kennen sollten: Aus welchen Motiven heraus möchte sie nachhaltig konsumieren und welche Aspekte sind ihr dabei besonders wichtig? Aber auch: Was spricht aus Verbrauchersicht gegen einen nachhaltigen Konsum? Antworten darauf versucht die KPMG-Studie zu geben.

Preissensibel bei nachhaltigen Produkten

Obwohl das Klima in der allgemeinen Diskussion gegenwärtig das beherrschende Thema ist, steht es bei den Menschen in Deutschland mit 55 % erst auf Platz zwei der Gründe, aus denen sie sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen. Wichtiger ist ihnen die Erhaltung ihrer Gesundheit (57 %). 43 % empfinden es als eine soziale/gesellschaftliche Pflicht, immerhin 16 % spüren sogar einen sozialen Zwang, sich damit auseinander zu setzen.

Fragt man die Verbraucherinnen und Verbraucher, was sie an einem nachhaltigen Lebensstil hindert, sind es vor allen Dingen die höheren Preise für nachhaltige Produkte (71 %). Probleme, ihren Lebensstil umzustellen (36 %) oder sich einzuschränken (31 %) haben deutlich weniger. Bei jenen, für die Nachhaltigkeit ohnehin eine geringe oder gar keine Rolle spielt, ist das wichtigste Argument gegen nachhaltige Produkte ebenfalls der höhere Preis (62 %). Die offensichtliche Preissensibilität der Deutschen dürfte sich nach Einschätzung von KPMG durch die zunehmende Inflation und aktuell wieder steigenden Zinsen noch verstärken.

Die Untersuchung zeigt aber auch, dass fast drei Viertel der Befragten bei regional produzierten Lebensmitteln durchaus bereit sind, höhere Preise zu zahlen – vor allem die Jüngeren. Bei Kleidung sind es auch schon 61 %. Diese Bereitschaft auch auf andere Produktgruppen „Made in Germany“ oder Europa auszuweiten, ist eine Aufgabe, der sich heimische Produzenten stellen sollten.

Recycling ist besonders wichtig

Nachhaltigkeit hat viele Aspekte. Den Deutschen am wichtigsten ist das Recycling (95 %), dicht gefolgt von der Langlebigkeit von Produkten (94 %). Interessanterweise rangieren soziale Aspekte wie der Verzicht auf Kinderarbeit und faire Arbeitsbedingungen noch vor den Schlagworten Klimaschutz, Ressourcenverbrauch und Einsatz erneuerbarer Energien. Gleichwohl spielen alle diese Kriterien für mehr als vier von fünf Befragten eine wichtige Rolle. Die Unterschiede sind graduell, ein Bewusstsein für die Vielschichtigkeit der Nachhaltigkeit ist vorhanden.

Zwar lässt sich dieses Bewusstsein für nachhaltige Themen nicht 1:1 auf das Einkaufsverhalten umlegen. So gaben beispielsweise „nur“ 89 % an, bei ihren Einkäufen auf Haltbarkeit und Nutzungsdauer des Produkts zu achten – nicht die 94 %, denen das als wichtiger Aspekt der Nachhaltigkeit erscheint. Dennoch ist ein weiteres Ergebnis der Studie, dass sich Konsumentinnen und Konsumenten auf unterschiedlichsten thematischen Ebenen ansprechen lassen, wenn es um nachhaltige Produkte geht.

Informieren über Testberichte und Siegel

Worauf Unternehmen bei der Kundenansprache achten sollten, ist der letzte Themenkomplex in der KPMG-Umfrage. In Deutschland spielen Testberichte oder Siegel von Organisationen wie Fairtrade offenbar eine wichtige Rolle: 57 % gaben an, sich darüber zur Nachhaltigkeit von Marken zu informieren. Im Vergleich zu diesen als neutral empfundenen Informationsquellen haben die eigene Webseite (29 %) einer Marke/Firma oder deren Auftritt in Social-Media-Kanälen (19 %) ein deutlich geringere Reichweite.

Dazu passt die Tatsache, dass 65 % der Befragten dafür sind, dass Informationen über nachhaltige Eigenschaften auf der Verpackung mit einem staatlich regulierten, feststehenden Profil kommuniziert werden sollten. Sie möchten die relevanten Informationen auf einen Blick erhalten – wie zum Beispiel beim Label für die Energieeffizienz von Elektrogeräten – und sich nicht bei jedem Produkt auf eine individuelle, firmeneigene Darstellung einstellen müssen.

KPMG hat sein Consumer Barometer 02/22 mit dem Fokusthema Nachhaltigkeit Ende Mai/Anfang Juni 2022 durchgeführt. In Deutschland, Großbritannien, Italien und der Schweiz wurden jeweils 500 als bevölkerungsrepräsentativ (nach Alter, Geschlecht, Wohnort) ausgewählte Verbraucherinnen und Verbraucher zwischen 18 und 69 Jahren online befragt. Die Ergebnisse wurden für die Veröffentlichung teils zusammengefasst. Wir geben hier nur die Ergebnisse für Deutschland wider.

Thomas Pfnorr


Nachhaltig einkaufen? Ja, aber…

Auch das Beratungsunternehmen Deloitte kommt bei seiner Konsumentenbefragung aus dem August 2022 zu dem Ergebnis, dass Nachhaltigkeit ein wichtiges Element in der Kaufentscheidung geworden ist. Die Befragung von 1.500 repräsentativ ausgewählten Personen über 18 Jahren in Deutschland sieht sie allerdings als ein Thema vorwiegend älterer Käufergruppen. Die Altersgruppen 36 bis 45 Jahre (68 %) und 56 bis 65 Jahre (69 %) sowie die über 65-Jährigen (65 %) bezeichnen Nachhaltigkeit als wichtig/sehr wichtig, wenn es um Gegenstände des täglichen Bedarfs geht. Bei den 18- bis 25-Jährigen ist der Wert mit lediglich 53 % am niedrigsten. Für Handel und Industrie wäre das in der gegenwärtigen Situation ein gutes Zeichen, weil ältere Generationen in der Regel zahlungskräftiger sind.

In der Umfrage zeigen sich aber auch die negativen Folgen der aktuell unsicheren politischen und wirtschaftlichen Situation. So ist es vor allem das (fehlende) Geld, was die Menschen davon abhält, nachhaltiger zu konsumieren: Niedrigere Preise (25 %) und ein höheres Einkommen (16 %) nennen die meisten Befragten als Antwort auf die Frage, was sie dazu bringen würde, mehr nachhaltige Waren zu kaufen. Diesen Aspekt sollten Industrie und Handel also keinesfalls außer Acht lassen, zumal nur noch 30 % in der aktuellen wirtschaftlichen und politischen Situation dazu bereit waren, einen Preisaufschlag für nachhaltige Produkte zu bezahlen; ein Jahr zuvor waren es noch 67 %. Zwar liegt der Schwerpunkt der Befragung von Deloitte auf dem Bereich Lebensmittel. Aber auch für das Segment Non-Food wurden Sortimente abgefragt, und etwa bei Haushaltsprodukten hat der Rückgang von 62 auf 22 % eine ähnliche Dimension.

Empfehlungen für Handel und Industrie

Aus den Ergebnissen ihrer Umfrage leiten die Unternehmensberater vier Empfehlungen ab, mit denen Anbieter auch in schwierigen Zeiten ihre nachhaltigen Sortimente an die Frau und den Mann bringen können:

1. Kenne deine Kundschaft: Je nach Kundengruppe unterscheiden sich die generelle Einstellung, die Beweggründen und die Bereitschaft zu nachhaltigem Konsum. Deshalb ist es wichtig, die Bedürfnisse der Kundschaft genau zu kennen und sie gegebenenfalls zu segmentieren, um individuelle Angebote machen zu können.

2. Schaffe ein wertbasiertes Narrativ: Wer nachhaltige Produkte kauft, bekennt sich damit auch zu bestimmten Werten. Unternehmen sollten diese Werte aufgreifen, selbst vertreten und zum Element ihrer Kommunikation machen.

3. Sorge für finanzielle Transparenz: Damit Verbraucher mit begrenzten finanziellen Mitteln trotzdem nachhaltige Produkte kaufen, sollen sie wissen, was sie für ihr Geld bekommen. Nur wenn den Käufern deutlich wird, warum Preise höher sind und wie sie entstehen, sind sie auch bereit, für die gute Sache mehr auszugeben.

4. Mache nachhaltige Produkte günstiger: Nachhaltigkeit hat ihren Preis. Aber wenn den Konsumentinnen und Konsumenten das Geld nicht mehr so locker sitzt, sollten sich Anbieter Gedanken darüber machen, wie sich die Produkte günstiger anbieten lassen, ohne dass sie ihren nachhaltigen Charakter verlieren.


Mehr Infos im Internet
- KPMG Consumer Barometer 02/2022 als PDF
- Monitor Deloitte als PDF (in englischer Sprache)
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Foto/Grafik: SN-Verlag
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