SN-Home - 4/08

Welche Fristen gelten im Schadensfall?

Der Fall:

Im Januar 2002 bittet das Lehrerehepaar Schlau die Firma Bodenbelag Meyer um die Abgabe eines Angebotes zur Durchführung von Estrich- und Bodenbelagsarbeiten in ihrem Reihenendhaus. Die Firma Bodenbelag Meyer schreibt zurück:
"Unter Geltung der VOB/B bieten wir die Durchführung von Estrich- und Bodenbelagsarbeiten in Ihrem Bauvorhaben zum Pauschalpreis von 25.000 EUR an."

Zwischen Bauherrn und Bodenleger wird der Angebotspreis auf 23.000 EUR nachverhandelt und der Auftrag mündlich erteilt. Der Bodenleger führt die vereinbarten Arbeiten nachfolgend durch und stellt sein Gewerk am 31. März 2002 fertig. Mit Datum von 1. April 2002 erteilt er dem Bauherrn eine Schlussrechnung, die von diesem am 10.04.2002 bezahlt wird. Zufällig erfährt der Bodenleger, dass die Bauherren die Immobilie am 10.04.2002 auch bezogen haben.

Am 30.04.2006 (!) erhält der Bodenleger per Einschreiben vom Bauherren die Mitteilung, dass sich der Estrich im Randbereich abgesenkt hat und ein großer Spalt zwischen Sockelleiste und Estrich entstanden ist, der bereits anschmutzt.

Der Bauherr fordert den Bodenleger auf, bis zum 5.05.2006 den Schaden zu beheben, anderenfalls werde er ein Drittunternehmen beauftragen.

Frage: Was kann der Verarbeiter tun?

Antwort:
Folgende Möglichkeiten stehen dem Bodenleger offen:

1. Gewährleistungsfrist
Losgelöst von kaufmännischen Überlegungen sollte der Sachverhalt zunächst im Hinblick auf die juristischen Verpflichtungen des Bodenlegers beleuchtet werden. Vor dem Hintergrund, dass hier ca. 4 Jahre nach Durchführung der Arbeiten Mängel gerügt werden, drängt sich die Frage auf, ob Gewährleistungsansprüche der Bauherren nicht bereits verjährt sind.

Die werkvertragliche Gewährleistungsfrist beginnt stets mit der so genannten Abnahme. Die Abnahme ist eine einseitige Willenserklärung mit der der Auftraggeber kund tut, das er das Gewerk des Auftragnehmers als "im wesentlichen mängelfrei" betrachtet. Vorliegend haben die Bauherren keine ausdrückliche Abnahmeerklärung abgegeben. Allerdings hat das Lehrerehepaar die am 1. April 2002 erteilte Schlussrechnung am 10. April 2002 ohne Vorbehalt gezahlt. Die so genannte vorbehaltslose Zahlung der Schlussrechnung steht nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung der Abnahme gleich.

Darüber hinaus stellt die Tatsache, dass die Bauherren das Gewerk des Bodenlegers spätestens am 10.04.2002 durch den Bezug des Reihenendhauses in "Gebrauch" genommen haben für sich genommen eine so genannte konkludente Abnahme dar. Eine konkludente Abnahme ist immer dann gegeben, wenn der Auftraggeber durch schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringt, dass er mit der Werkleistung des Auftragnehmers zufrieden ist. Dies sieht die obergerichtliche Rechtsprechung im Falle der Ingebrauchnahme des Gewerks als gegeben an, wobei bei einem VOB/B-Vertrag nach § 12 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B die Abnahme erst 6 Tage nach Ingebrauchnahme als erteilt gilt.

Als Zwischenergebnis kann daher zunächst festgehalten werden, dass die Werkleistung des Bodenlegers am 10.04.2002 abgenommen wurde und damit der Lauf der Gewährleistungsfrist beginnt. Es verbleibt die Frage, wann die Gewährleistungsfrist endet. Im Angebot des Bodenlegers war eine Gewährleistungsfrist nicht explizit formuliert, dort heißt es lediglich: "Unter Geltung der VOB/B bieten wir an".

Damit könnte man daran denken, dass ein Vertrag unter Einbeziehung der sog. VOB/B zu Stande gekommen ist und dementsprechend die Gewährleistungsfrist der VOB/B (§ 13 Nr. 4 (1) VOB/B) von 4 Jahren Anwendung findet. Damit wäre zum Zeitpunkt der Gewährleistungsrüge am 30.04.2006 die Gewährleistungsfrist abgelaufen. Der Bodenleger könnte sich dementsprechend auf die so genannte Einrede der Verjährung berufen und wäre nicht zur Mangelbeseitigung verpflichtet. Dies setzt jedoch voraus, dass die VOB/B Bestandteil des geschlossenen Werkvertrags geworden ist. Da es sich bei der VOB/B um kein Gesetz, sondern um eine spezielle Form der allgemeinen Geschäftsbedingungen handelt, ist eine wirksame Einbeziehung der VOB/B in den Werkvertrag nur dann gegeben, wenn sich beide Parteien darüber einig sind, dass die VOB/B Vertragsbestandteil wird und darüber hinaus zumindest in den Fällen, in denen ein Verbraucher Vertragspartner wird, die VOB/B auch als Text, d. h. im Wortlaut vor Vertragsschluss übergeben wird. Vorliegend hat der Bodenleger jedoch die VOB/B nicht als Text übergeben. In der Rechtsfolge ist zwischen den Parteien kein Vertrag unter Einbeziehung der VOB/B zu Stande gekommen, sodass die dortige verkürzte Gewährleistungsfrist von 4 Jahren nicht greift. Es verbleibt damit bei der gesetzlichen Gewährleistungsfrist des BGB-Werkvertrages von 5 Jahren.

Der Bodenleger kommt damit nicht in den Genuss der Verjährungseinrede, da die Verjährung erst am 10.04.2007 abläuft. Er wird sich daher leider mit der Thematik befassen müssen.

2. Ortstermin/Besichtigung
Sinnvollerweise sollte der Bodenleger vor der Abgabe weiterer Erklärungen und der Durchführung etwaiger Baumaßnahmen zunächst den gemeldeten Schaden in Augenschein nehmen. Dabei sollte er alles unterlassen, was den Anschein eines Anerkenntnisses erweckt. Er sollte also beispielsweise nicht in einem ersten Anschreiben an den Bauherren formulieren, dass er sich zur Schadensbeseitigung auf der Baustelle einfinden wird. Er sollte vielmehr zunächst mitteilen, dass er einen Ortstermin wünscht, um zu überprüfen, ob die gemeldeten Schäden in seinen Verantwortungsbereich fallen.

Im vorliegenden Fall hat der Bauherr überdies eine Frist zur Beseitigung des Mangels gesetzt. Grundsätzlich führt eine kalendermäßig bestimmte Fristsetzung dazu, dass der Auftragnehmer innerhalb der gesetzten Frist von ihm zu vertretende Schäden zu beseitigen oder zumindest mit der Beseitigung zu beginnen hat. Kommt er der Fristsetzung nicht nach, so verliert er sein Nachbesserungsrecht und macht sich gegenüber dem Bauherrn schadensersatzpflichtig. Sobald ein Bauherr eine solche Frist setzt, ist daher für den Auftragnehmer höchste Vorsicht geboten.

Die vorliegend gesetzte Frist von 5 Tagen darf der Bodenleger zu Recht als unangemessen kurz empfinden. Eine angemessene Frist bestimmt sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls und wäre hier mit ca. 14 Tagen zu bemessen. Das heißt jedoch nicht, dass eine unangemessen kurze Frist durch den Auftragnehmern nicht zu beachten ist. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung setzt eine unangemessen kurze Frist immer automatisch auch eine angemessene Frist in Gang.

3. Gewährleistungsverantwortlichkeit
Häufig führt eine erste Inaugenscheinnahme des gemeldeten Schadens leider nicht zur abschließenden Klarheit über die Gewährleistungsverantwortlichkeit des Auftragnehmers. Naturgemäß besteht zwischen den Parteien häufig Uneinigkeit über die Schadensverantwortlichkeit. In diesen Fällen bieten sich verschiedene weitere Vorgehensweisen an:

a.) Zur Klärung der technischen Schadenursache wird häufig von einem der Beteiligten ein Parteigutachten eingeholt. Ein Parteigutachten wird nur von einer Partei des potenziellen Rechtsstreites in Auftrag gegeben und bezahlt. Ein solches Gutachten entfaltet zwar keine Bindungswirkung zwischen den Parteien, es gibt jedoch häufig einem späteren Gerichtsgutachten eine "grobe Richtung" vor.

b.) Eine relativ schnelle und kostengünstige Möglichkeit zur Klärung der Verantwortlichkeiten ist die Durchführung eines Schiedsgutachtenverfahrens. Dabei beauftragen die Parteien gemeinsam einen Sachverständigen mit der Klärung der Schadenursache und der Verantwortlichkeit und unterwerfen sich dessen Feststellungen. Das Schiedsgutachten ist nach § 315 BGB für beide Parteien bindend und kann nur im Fall von offensichtlicher Unrichtigkeit angegriffen werden.

c.) Eine weitere sinnvolle Möglichkeit zur Ermittlung von Schadensursache und Verantwortlichkeiten ist das selbständige Beweisverfahren. Hierbei wird im Wege eines gerichtlichen Verfahrens ein Sachverständiger mit der Begutachtung des Sachverhaltes betraut. Dabei kann der Antragsteller des selbständigen Beweisverfahrens einen konkreten Fragenkatalog vorgeben, der dann durch den gerichtlich bestellten Sachverständigen abzuarbeiten ist. Das selbständige Beweisverfahren endet nicht mit einem Urteil, sondern mit der Vorlage des Gutachtens. Die Parteien haben hiernach die Möglichkeit auf der Basis des gerichtlichen Gutachtens eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, oder aber in das Klageverfahren überzugehen.

d.) Schlussendlich bleibt noch die Durchführung eines "normalen" gerichtlichen Klageverfahrens. Im vorliegenden Fall, in dem der Bauherr nach Zahlung der Schlussrechnung und nach Abnahme Gewährleistungsansprüche geltend macht, wäre nur an die Einleitung einer Klage durch den Bauherrn auf Mängelbeseitigung oder aber Schadensersatz denkbar. Eine Klage des Bodenlegers auf Feststellung, dass er nicht zur Durchführung von Gewährleistungsarbeiten verpflichtet ist, wäre wenig sinnvoll.

Falls der Bodenleger es für möglich hält, dass der vorliegende Mangel auf einen Materialfehler zurückzuführen ist, sollte er den Mangel sofort schriftlich seinem Materiallieferanten anzeigen. Ansonsten könnte § 377 HGB zur Anwendung kommen, der besagt, dass bei einem Handelsgeschäft die nicht rechtzeitige Rüge von Mängeln zu einem Totalverlust der Mängelrechte führen kann.

Der Fussboden-Fuchs wurde unterstützt von Andreas Hanfland, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht bei Hanfland & Partner in Lennestadt.
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