Die vierte Generation

Anfang 2022 übernahmen Irina und Stefan Pohl das Traditionsgeschäft seiner Eltern – die Historie von
Betten Pohl im Kölner Westen reicht 75 Jahre zurück. Das junge Ehepaar geht hochmotiviert an den Start, um das Unternehmen Schritt für Schritt zu modernisieren und gleichzeitig das Erbe zu bewahren.

„Es ist immer total spannend, wenn langjährige Kunden ins Geschäft kommen und von früher erzählen, als rund um die Firma nur Wiesen waren, auf denen die Kühe weideten,“ lacht Irina Pohl. Sie und Ehemann Stefan freuen sich dann sehr, dass sie nun Teil dieser Geschichte sind. Nach dem zweiten Weltkrieg entstand am heutigem Standort aus Kölner Trümmersteinen die familieneigene Matratzenfabrik. 1971 zog die Produktion ins Umland und es entstand das heutige Bettenfachgeschäft, gegründet von Stefan Pohls Urgroßvater. Heute liegt es inmitten des lebendigen Stadtteils Ehrenfeld. Der langgezogene Grundriss der Räumlichkeiten erinnert an ihre ehemalige Funktion. Dekorative Überbleibsel sind auch die alte Nähmaschine und die nostalgische Kasse, die sogar in Benutzung ist.

Der alte Schrank ist ein Erbstück, der Opa hat ihn aus Frankreich mitgebracht.

Angeboten werden auch heute noch Matratzen sowie Federdecken und -kissen aus eigener Herstellung. Dazu kommen unter anderem Betten und Bettsysteme von Röwa, Lattoflex, Kirchner, Stoll, Reichert und den Coburger Werkstätten. Motorische Lattenroste sind zunehmend gefragt. Die eher exotischen Metallbetten vom italienischen Label Maggioni haben seit Jahren ihre Fans auch im weiter entfernten Umfeld. Bettwäsche und Handtücher runden das Sortiment ab.

Für die Eltern Verena und Günter Pohl war es eigentlich nie ein Thema, dass eines ihrer Kinder die Firma eines Tages übernehmen würde, und keiner der beiden Söhne schlug diesen Weg ein – zunächst. Stefan Pohl absolvierte ein duales Studium als Betriebswirt, arbeitete in einer Bank als Risikoanalyst. 2018 heirateten er und seine Frau Irina, die gelernte Ergotherapeutin ist.

Als die beiden 2019 das erste Mal Interesse an einer Nachfolge äußerten, waren Pohls zuerst überrascht – und hocherfreut. Die damals 55- und 57-Jährigen führten das Geschäft seit 1990 und sahen sich eigentlich noch länger im Betrieb, den sie wahrscheinlich irgendwann komplett geschlossen hätten. „Meine Eltern hätten das bestimmt durchgezogen, und das wäre für sie okay gewesen. Denn sie wollten auf keinen Fall Druck ausüben, es gab nie eine Erwartungshaltung“, sagt Stefan Pohl, „und so konnten Irina und ich uns das in Ruhe überlegen. Natürlich hatte ich eine Vorstellung von der Aufgabe, denn seit der Kindheit sind mir die Produkte und Abläufe vertraut und ich habe immer mal ausgeholfen.“
Schnell war man sich einig und das Paar stieg ins Tagesgeschäft ein – und dann kam 2020 erst einmal der Lockdown und bremste alles aus. Diese Zeit nutzen die Nachfolger in spe, um das Büro zu renovieren und natürlich auch, um gemeinsam mit den Eltern den Übergang vorzubereiten. Es folgten zwei intensive Jahre der Einarbeitung und Fortbildung. „Wir lernten zum Beispiel in unserer hauseigenen Bettfedernreinigung, dass eine Halbdaune nicht 50 Prozent Daune enthält. Und man wundert sich, wie viele Daunen- und Inlettqualitäten es gibt,“ erinnert sich Stefan Pohl. Als die Coronamaßnahmen gelockert wurden, sammelte das Paar wertvolle Erfahrungen im direkten Kundengespräch, immer im Wissen um die elterliche Unterstützung. Über Hersteller- und Außendienstkontakte konnten die Kenntnisse über die Produkte vertieft werden. Die hauseigene Manufaktur für Sonder- und Maßanfertigungen erforderte besonderes Geschick, damit individuelle Kundenwünsche weiterhin umgesetzt werden konnten. Gerade maßgeschneiderte Lösungen auch für Wohnwagen oder Schiffe sind nach wie vor sehr gefragt. Aufmaß und Beratung daheim gehören selbstverständlich zum Service, zumal aus Altersgründen nicht mehr alle Kunden so mobil sind.

Im Januar 2022 war es dann so weit und die Geschäftsleitung ging auf die jungen Pohls über – damals war Irina 24 und Stefan 26 Jahre alt. „Ja, das ist sehr jung. Aber warum Dinge auf die lange Bank schieben ? Wir hatte Lust darauf und haben es einfach gemacht“, sagt Irina Pohl.

Das Power-Paar hat die Aufgaben unter sich aufgeteilt, er kümmert sich um die Finanzen und die Feder-Abteilung, sie verstärkt um die Näherei und die gesundheitsorientierte Beratung. „Durch meinen Beruf als Ergotherapeutin habe ich einen besonderen Zugang zum Thema „Gesunder Schlaf“. 2020 habe ich die Zusatzqualifikation „Fachreferentin für rückengerechte Verhältnisprävention“ bei der AGR e.V. erlangt, unser Geschäft wurde 2022 erneut zertifiziert“, erläutert Irina Pohl. „Die Menschen werden älter und haben Rückenprobleme. Bei uns soll jeder die Matratze bekommen, die zu ihm passt und die ihm guttut.“

Als Ergotherapeutin und zertifizierte Fachreferentin von der Aktion Gesunder Rücken kann Irina Pohl Kunden fachspezifisch beraten.

Wie es weitergeht ? „Wir arbeiten aktuell an der schrittweisen Modernisierung unserer Verkaufsräume und des Eingangsbereiches, da wird es bald einen größeren Umbau geben. Bei den ganzen Planungen – auch in Sachen Marketing und Homepage – erhalten wir viel Unterstützung vom Garant-Verband, dem wir seit 2022 angehören“, berichtet Stefan Pohl.„Demnächst gehen wir zur Junioren Kick-off-Veranstaltung, wo wir uns mit anderen Jungunternehmern austauschen können.“

Das Thema Nachhaltigkeit liegt Pohls am Herzen: Sie arbeiten alte Federbetten auf, alle Daunen stammen aus artgerechter Haltung von der Firma Treude & Metz , zu kaufen gibt es Handtücher aus Restgarn, auf dem Dach arbeitet eine Solaranlage – und im Garten sorgen fünf Hühner fürs tägliche Frühstücksei.

Zwischenzeitlich hat das Paar einen Sohn bekommen, er ist anderthalb Jahre alt und läuft gerne durch den langen Raum und „hilft“ seinen Eltern bei der Arbeit. Auch er soll eines Tages die komplette Freiheit der Berufswahl haben wie sein Vater Stefan. Bis zur Übernahme der fünften Generation ist ja auch noch viel Zeit