Mit Herz und Kreativität in die Zukunft

Manchmal kommt alles anders, als man denkt: Als Firmengründer Alfons Meyer im Jahr 2023 unerwartet verstarb, war es an seinem Sohn Simon, das Geschäft weiterzuführen. Der stellte alles schon immer Dagewesene auf den Prüfstand – und entschied sich, neue Wege zu gehen.

Um zu verstehen, wie dieses Unternehmen tickt, lohnt es sich, kurz über den Begriff „Vorbildlicher Generationswechsel“ nachzudenken. So kann dies für manche erfolgreiche Geschäfte bedeuten, das Vorhandene weiter auf Wachstumskurs zu halten. Für andere hingegen kann es ratsam sein, das bisherige Konzept kritisch zu hinterfragen und mit frischen Ideen an den Zeitgeist anzupassen. Letzteres gilt für die „Studio 1 Schlafwerkstatt“ im niedersächsischen Vechta. Deren Inhaber Simon Meyer ist der Sohn des Gründers Alfons Meyer, der das Unternehmen 1976 im Alter von 22 Jahren als Mitnahme-Markt für Bodenbeläge, Tapeten und Matratzen gegründet hatte.

Als Alfons Meyer 2023 im Alter von 70 Jahren – immer noch als aktiver und täglich anwesender Geschäftsführer – unerwartet verstarb, hatte das Geschäft so ziemlich alles mitgemacht, was in knapp 50 Jahren so passieren kann: Zunächst der Aufschwung mit dem damals in der Region völlig neuen Mitnahme-Konzept. Die aufkommende Konkurrenz durch Ketten und Discounter. Der Einbruch der Umsätze durch das immer einfacher werdende Online-Shopping. Der sukzessive Umbau des Sortiments durch Ehefrau Gisela Meyer zum Bettenfachgeschäft mit Schwerpunkt Wasserbetten. 2011 dann die Verkleinerung von 1.000 auf 500 Quadratmeter. Alfons, der sich ursprünglich mit 55 Jahren zur Ruhe setzen wollte, konnte nie loslassen, fühlte sich besonders in Krisenzeiten verpflichtet, das Unternehmen zu lenken. Und als dann Corona kam, konnte er wieder nicht gehen. Dabei war er da bereits Ende 60 und Sohn Simon längst in die Geschäftsführung eingestiegen.

Der heute 37-jährige gelernte Raumausstatter macht keinen Hehl aus den Konflikten, die er mit seinem Vater hatte: „Mir war schon vor vielen Jahren klar, dass es nicht mehr ausreicht, eine kleine Version von den großen Mitnahme-Märkten zu sein. Wir hatten große Debatten über das Sortiment und die Ausrichtung. An das meiste, was wir heute machen, wäre mit ihm nicht zu denken gewesen.“ Dennoch brachte er 2019, bestärkt von Mutter Gisela und seiner Schwester Linda, einen ersten Umbau auf den Weg. Weg von der Massenware, hin zu mehr Beratungskompetenz und einem ausgewählteren Angebot. „Der Laden war einfach zu voll mit Ware, auf jedem freien Quadratmeter standen Betten. Es gab keinen Raum für Neues und weitere Entwicklungen.“ Damals baute Simon etwa die Trennwände für Präsentationsräume und verschiedene Warengruppenbereiche ein, um die Ladenfläche zu strukturieren. „Auch die Upcycling-Idee war damals schon da. Aber das wäre definitiv nicht machbar gewesen mit meinem Vater“, erinnert sich Simon Meyer.

Anschaulich: verschiedene Naturmaterialien für Kissenfüllungen.

Nach dem plötzlichen Tod von Alfons Meyer oblag ihm dann die alleinige Geschäftsführung. Auf den Schock folgte eine Phase der Trauer. Dann tagte der Familienrat und beriet über die Zukunft des Unternehmens. „Damals war nur eines klar“, so Simon Meyer, „nämlich dass es ein ,weiter so‘ nicht geben würde. Wir haben durchaus auch darüber geredet, ob es eine Option wäre, das Geschäft zu schließen.“ Doch dann überwog die Lust auf Neues und der unbedingte Wunsch, das Familienunternehmen in die Zukunft zu tragen. Der Wunsch, Antworten auf Fragen zu finden, die Simon schon seit Langem umgetrieben haben: „Wie können wir nachhaltiger wirtschaften? Wie kann man Einzelhandel neu denken? Wie kann man ein Auskommen erwirtschaften, ohne die Umwelt zu belasten?“ Als er dann kurze Zeit später seine heutige Partnerin, die Künstlerin Kristina Möller, kennenlernte, war schnell klar: „Wir versuchen es gemeinsam.“

Gesagt, getan: Mit Mutter Gisela und Schwester Linda an Bord wurde ein für die Region Vechta völlig neues Konzept geschaffen. Das Sortiment wurde mithilfe eines Räumungsverkaufs radikal ausgedünnt und um nachhaltige Naturprodukte ergänzt. Übrig geblieben sind Brinkhaus Boxspringbetten mit dem Konfigurator, die Modul-Matratzen der Eigenmarke Sleeply und Prolana. Bettwaren gibt es ebenfalls von Brinkhaus und Prolana. Das Bettwäsche- und Spannbettlaken-Sortiment wird zum Großteil von Schlafgut bestritten. Neben Schlafsystemen und Schlafraumausstattung wird nun auch Kunst präsentiert, darunter einige Werke des Worpsweder Künstlers Danny Janke sowie Holzobjekte, individuell konfigurierbare Tischlerarbeiten und handgemachte Heimtextilien – Schlafraumausstattung der besonderen Art. Voller Leben und garantiert einzigartig.

Und als großes zusätzliches Standbein wurde endlich die Upcycling-Idee umgesetzt. In einem von außen gut einsehbaren und in die Ladenfläche integrierten Werkstattbereich wird alten Möbelstücken neues Leben eingehaucht. Simon Meyer: „Wir denken da an ganz bestimmte Zielgruppen, zum Beispiel junge Familien mit Kindern, die gerade ein Haus gekauft haben und sich neu einrichten. Da ist das Budget klein und Kreativität gefragt. Denen raten wir dann, in eine sehr gute Matratze zu investieren und dafür beim Bettgestell zu sparen, indem man ein altes aufarbeiten und neu gestalten lässt.“ So entstehen interessante Unikate in bunten Farben, mit eingebauten Lichtquellen und individuellen Malereien. „Aber natürlich arbeiten wir auch ganz klassisch auf. Wenn jemand einfach ein altes Kinderbett auffrischen und Weiß streichen lassen möchte, machen wir das sehr gern.“ Außerdem liegt es Simon Meyer am Herzen, das Thema Schlafraum ganzheitlich zu betrachten. Stichwort: Wohngesundheit. „Wir setzen uns zum Beispiel sehr für Lehmputz als Wandmaterial ein. Nachts schwitzt man viel Feuchtigkeit aus. Ein gedämmter Raum mit Dreifachverglasung und Laminatboden tut da eher wenig für das Schlafklima. Mit Naturmaterialien, auf die schon unsere Vorfahren gesetzt haben, schläft und lebt es sich viel gesünder.“

Naturverbunden: Prolana-Naturlatexmatratzen in einem Zirbenbettgestell.

Und was sagen die Stammkundinnen und -kunden? Kristina Möller beobachtet: „Das neue Konzept macht auf jeden Fall neugierig und weckt Emotionen. Bis jetzt haben wir auch von älteren Personen, die noch das alte Konzept kannten, viel positives Feedback erhalten. Und natürlich gehen wir behutsam vor mit all den Veränderungen. Wir möchten ja niemanden verschrecken.“ Und Gabriele Meyer ergänzt: „Ich finde es großartig, dass nun endlich mal wieder neue junge Leute in den Laden kommen. Außerdem ist es viel schöner, in diesem Raum zu arbeiten. Alles ist aufgeräumt, klar und ansprechend gestaltet. Und so schön bunt!“

Ein Selbstläufer ist das alles (noch) nicht. Vechta ist mit 32.000 Einwohnern eine Kleinstadt und obendrein ein eher konservatives Pflaster. Neue Ideen brauchen hier Zeit, um sich durchzusetzen. Das ist allen Beteiligten bewusst. „Uns ist klar, dass wir an diesem Standort mit diesem Konzept auch scheitern können“, betont Simon Meyer. „Wir sind in einem Prozess, von dem wir noch nicht wissen, wo er uns hinführen wird. Nur eines steht fest: Wir werden uns treu bleiben.“