Ulrich Windmöller - Ehrenpreis für das Lebenswerk 2019
Ulrich Windmöller, Windmöller

Ulrich Windmöller, Windmöller

„Ich bin noch nicht fertig …“

Ulrich Windmöller entwickelt als Unternehmer und Produktentwickler in 50 Jahren Berufskarriere in der Möbel- und Bodenbranche die Fähigkeit, das Innovative mit dem Kaufmännischen zu verbinden – in einer Art und Weise, die Menschen begeistert. Für dieses Lebenswerk wird er mit dem Heimtex-Star 2019 ausgezeichnet.

Wenn Ulrich Windmöller mehr als 50 Jahre Berufsleben Revue passieren lässt, hält diese Zeitspanne vieles bereit für eine spannungsgeladene Unternehmens­geschichte: Aufstieg vom Industriekaufmann zum Erfinder von DPL-Laminat­boden, PVC-Designbelägen zum Klicken und Bodenbelägen aus „Bio-Polyurethan“. Zwischenzeitlich musste der heute 73-­Jährige allerdings schmerzvolle wirtschaftliche und produkttechnische Rückschläge hinnehmen bis hin zum Verlust seines Unternehmens Witex.

Der Blick für Kundenbedürfnisse

Er selbst sieht sich „im Wesentlichen als Kaufmann und Verkäufer“ und weniger als Erfinder, Innovator oder Pionier, als den ihn die Branche – zu Recht – bezeichnet. Warum das so ist, erklärt sich, wenn man seinen Werdegang nachzeichnet.

Ulrich Windmöller, Windmöller
Auf der Surfaces 1996 in Las Vegas stellt Ulrich Windmöller mit Witex sein DPL-Laminat vor.
Als junger Mann absolviert Windmöller in der elterlichen Holzgroßhandlung in Bad Oeynhausen ab 1965 die Ausbildung zum Industriekaufmann. In den Folgejahren erkennt er, dass die Möbelindustrie nicht nur Bedarf an der Belieferung mit Holzplatten hat, sondern diese am besten weiterverarbeiten kann, wenn Windmöller sie bereits passend zuschneidet. Er sieht seine Chance und wandelt den väterlichen Betrieb um in einen Dienstleister für den Zuschnitt von Holzwerkstoffen. Hier zeigt sich erstmals Windmöllers Gespür für Kunden und Märkte: Die Nachfrage nach dem zusätzlichen Service zieht an.

1978 gründet Windmöller, der heute vier Kinder hat, sein eigenes Unternehmen: Witex in Augustdorf. Er beginnt die Platten auch zu beschichten. Bald beliefert Witex zunehmend die Küchenindustrie und avanciert im Laufe der 1980er-Jahre zum deutschen Marktführer im Segment Möbelfertigteile – zum Kundenkreis zählt damals auch ein schwedischer Möbelhändler namens Ikea.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt zeigt sich, dass Ulrich Windmöller nicht nur ein Gespür für den Markt hat, sondern auch für das Technische. Obwohl er nie etwas in dieser Richtung gelernt oder studiert hat – außer als Junge unermüdlich seine Märklin-Eisenbahn quer durch das Familienhaus fahren zu lassen –, habe er „einen technischen Bauch“, der ihn leitet. „Und wenn mich etwas interessiert, und ich überzeugt bin von einer Sache, dann verfolge ich sie bis ins Detail; so lange, bis es funktioniert“, beschreibt der 73-­Jährige, der noch mehrmals die Woche auf dem Tennisplatz steht und in der höchsten Liga seiner Altersklasse spielt.

Kaufmann, Entwickler, Verkäufer

Vor dem inneren Auge ziehen jetzt Bilder von verschrobenen Tüftlern vorbei, die im Chaos ihrer Werkstatt kaum zu Ergebnissen kommen. Doch Ulrich Windmöller ist im Grunde genommen das genaue Gegenteil. „Ich bin froh, Kaufmann zu sein. So konnte ich immer dafür sorgen, dass das, was ich mir ausdenke, profitabel ist.“ Zudem richtet er sein Leben ganz auf seine Firma aus. Seine Begeisterung und Leidenschaft steckt viele in seiner Umgebung an.

Ulrich Windmöller hat die Fähigkeit, das Innovative mit dem Kaufmännischen zu verbinden, und Menschen für das Ergebnis zu begeistern. Das ebnet ihm Ende der 1980er-Jahre den Weg zu einer bahnbrechenden Innovation. Zu dieser Zeit erfindet Pergo den Laminat­boden. Das erregt Windmöllers Aufmerksamkeit.

Erfinder des DPL-Laminats

Das so genannte High Pressure Laminate (HPL) ist in der Herstellung langwierig, aufwendig und teuer – auch weil das in zwei getrennten Schritten geschieht. Wind­möller ist auch vom technischen Aufbau nicht überzeugt. Ab 1989 macht er sich daran, eine marktgängigere Konstruktion zu entwickeln. Es dauert zwei Jahre, bis er eine Lösung hat.

1992 stellt Witex dann auf der Domotex in Hannover das weltweit erste Direct Pressure Laminate (DPL) vor, das noch heute den Laminat­bodenmarkt dominiert. Ein Meilenstein für die Branche, weil Windmöller das Herstellungsverfahren signifikant vereinfacht und das Tor aufstößt für den ersten wirklichen DIY-Bodenbelag.

Für das Unternehmen ist es ebenso ein Meilenstein, weil Witex als Neuling in der Fußboden­branche gleich mit einer echten Innovation für Furore sorgt. Andere Firmen steigen in das DPL-Geschäft ein. 1994 gründet Windmöller zusammen mit anderen DPL-Produzenten den EPLF, den Verband der europäischen Laminatbodenhersteller.

Direkt nach der Domotex 1992 startet Witex richtig durch. Windmöller erkennt zusammen mit seinen beiden Kindern Annika und Matthias Windmöller, die mittlerweile auch im Unternehmen arbeiten, das große Potenzial des Laminatbodens beim Endverbraucher und entwickelt Witex über Fachhandel und Handwerk zur Marke. Heute hat der Hersteller einen ausgesprochen guten Ruf in Handel, Handwerk und Industrie. Doch bis es soweit ist, muss Ulrich Windmöller noch einige Rückschläge verkraften.

Verlust von Witex

Der größte ist wohl der Verlust seiner Firma Witex. Der zeigt aber, mit welcher Kraft Ulrich Windmöller in der Lage ist, seine Ideen und Vorstellungen umzusetzen – auch gegen immensen Widerstand und trotz Rückschläge.

1998 ist Witex Europas größter Laminat­bodenhersteller. Windmöller verbündet sich mit dem Holzwerkstoffhersteller Homanit der Familie Homann zu HW Industries. Doch die Allianz scheitert. 2002 steigt Windmöller aus. Während man auf die Auszahlung der Firmen­anteile wartet, geht Witex 2003 insolvent und Windmöller verliert viel Geld. Ein schwerer Schlag für ihn und seine Familie. Doch es geht weiter. Die Kinder Matthias und Annika gründen 2006 mit seiner Hilfe das neue Unternehmen Windmöller Flooring, ebenfalls in Augustdorf. Sie setzen auf das im Aufwind befindliche Trendprodukt PVC-Designbelag.

Erfinder von Klick-LVT

Anfangs werden ausschließlich Drybacks aus Asien importiert. Aber wie zu Beginn des Laminatbodens springen die Windmöllers nicht nur auf den fahrenden Zug auf, sondern zünden die nächste Stufe für das Produkt: Sie fügen den Sheets eine stabile Mittellage und eine Profilierung hinzu. Hier machen sie sich ihre Erfahrung und ihr Know-how aus 30 Jahren Plattenbearbeitung zu Nutze.

Auf der Euroshop 2008 wird mit dem PVC-­Designbelag Designline Connect „der erste elastische Bodenbelag mit Verriegelungstechnik“ vorgestellt. Wieder ein Meilenstein – für die Branche und das Unternehmen. 2010 wird die Windmöller Holding gegründet, die Matthias und Ulrich gemeinsam als Geschäftsführer leiten.

Rückkauf von Witex

Der Erfolg mit den PVC-Designbelägen zum Klicken bringt Ulrich Windmöller auch seinem verloren gegangenen ersten Unternehmen, der Witex, wieder näher. Denn Windmöller Flooring braucht in Augustdorf mehr Platz für die starke LVT-Nachfrage. Über diesen Platz verfügt Witex. Das Unternehmen ist seit der Insolvenz 2003 nie mehr richtig auf die Beine gekommen und sucht wieder einen Käufer.

Und so schließt sich der Kreis: Die Familie Windmöller kauft zum 1. Januar 2012 Witex zurück. Auf der Weihnachtsfeier 2011 überbringen Ulrich, Matthias und Annika Windmöller der überraschten Belegschaft die Botschaft. Viele unter ihnen sind „alte“ Mitarbeiter von früher: ein höchst emotionaler Augenblick für alle Beteiligten. Es fließen viele Freudentränen.

Neue Böden aus Polyurethan

Doch damit nicht genug der Schaffenskraft von Ulrich Windmöller, der – wenn Zeit ist – gerne auf seiner Lieblingsinsel Sylt eine kleine Auszeit genießt. Schon seit Mitte der 1990er-Jahre fasziniert ihn der Werkstoff Polyurethan (PU). Kennengelernt hat er ihn als Belag für Laufbahnen auf Sportplätzen. Als er sieht, dass der Boden ohne Probleme mit Spikes belaufen werden kann, ist ihm klar, dass es für einen Bodenbelag wohl kein besseres und robusteres Material geben könne. PU ist ein dauer­elastischer Kunststoff, der sowohl hohem Druck als auch hohen Temperaturen standhält.

Ulrich Windmöller, Windmöller
Ulrich Windmöller (73) hat DPL-Laminat, LVT-Klick und den „Bio-Boden“ aus Polyurethan erfunden.
Um diese Eigenschaften der Bodenbelagsbranche zu Nutze zu machen, gründet Ulrich Windmöller, der heute stolzer Großvater von sechs Enkeln ist, bereits 2000 das Unternehmen Windmöller Polymer Technologie (WPT). Anfangs werden PU-Unterlagen für Laminatböden hergestellt, um Tritt- und Gehschall zu reduzieren. Vier Jahre später geht die erste Generation des neuen PU-Bodenbelags an den Start; 2006 muss die Produktion von „Purline“ allerdings wieder eingestellt werden: Der zu verklebende elastische Belag ist schwierig in der Handhabung und bildet Blasen.

Dieses Mal dauert es fünf Jahre, bis Windmöller zurückkommt: 2011 folgt die zweite Generation von Purline. Jetzt hält der Belag, was er verspricht, weil Rücken und Rezeptur verbessert sind. Er ist sehr verschleißfest und robust und erreicht mit der Klasse 43 die höchste Nutzungsklasse für Bodenbeläge überhaupt.

Erfinder von „Bio-PU“

Bei der Rezeptur lässt sich Windmöller wieder etwas Besonderes einfallen. Ursprünglich wird der Kunststoff PU auf Erdölbasis hergestellt. Der Unternehmer will sich aber aus der Abhängigkeit von der Petrochemie befreien, beginnt bei WPT mit Grundlagenforschung zu Polyurethan und baut Labor- und Forschungs­kapazitäten in Detmold auf. Seinen Experten und ihm gelingt es, die üblicherweise genutzten Polyole in der Polyurethanrezeptur durch natürliche Pflanzenöle zu ersetzen. Das PU von Windmöller besteht inzwischen zu fast 90 % aus natürlichen und nachwachsenden Rohstoffen sowie mineralischen Komponenten wie Kreide als Füllstoff. Windmöller bezeichnet seinen Polyurethan-Bodenbelag Purline deswegen als „bio“ bzw. „Bioboden“.

Heute produziert die WPT, die seit 2018 unter Windmöller firmiert, mehr als 30 Mio. m² Dämm- und Akustikunterlagen, Akustik­systeme sowie Bodenbeläge aus „Bio-PU“. Das Material, auf das Windmöller ein Patent hat, ist weltweit einzigartig und hat nach Einschätzungen des Unternehmens das Potenzial, eine neue Gattung von elastischen Bodenbelägen zu werden – hinter der Nr. 1 PVC, aber noch vor Linoleum- und Kautschukbelägen.

Das Unternehmen stellt sein „Bio-PU“ auch anderen Firmen im Industriegeschäft seit 2018 unter dem Markennamen Ecuran zur Verfügung. Sein Gespür hat Windmöller auch bei Polyurethan zum Erfolg geführt. Die „Wirtschaftwoche“ kürte Windmöller zu einem der innovativsten Mittelständler Deutschlands. Auf Grundlage einer Analyse von 3.500 deutschen Betrieben erreicht das Unternehmen Platz 15. „Das hat uns natürlich total von der Socken gehauen“, sagt Ulrich Windmöller.

Fortsetzung folgt

„Aber ich bin noch nicht fertig“, sagt der 73-Jährige am Ende der vier Stunden Gespräch mit einem wissenden Lächeln. Gerade erst hat er eine neue Firma gegründet: Die U.W. Innovations GmbH. Ihr Unternehmenszweck: „Forschung und Entwicklung von biobasierten Rohstoffen für die PU-verarbeitende Industrie für Bindemittel, Hart- und Weichschäume.“

Es geht also weiter; von Ulrich Windmöller wird man noch einiges hören. Er hat sein Werk noch nicht beendet. Gut so …

Jochen Lange


Ulrich Windmöller

Ehrenpreis für das Lebenswerk des Jahres 2019
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