Raum & Kunst, die kreative Raumausstattung - Vorbildlicher unternehmerischer Mut 2025
Raum & Kunst, die kreative Raumausstattung, Kammlach
Selbst ist die Powerfrau
Der Heimtex Star in der Kategorie Vorbildlicher unternehmerischer Mut geht an Elisabeth Hofer. Ohne Architekten, Bauleiter oder Ladenbauer realisierte die Raumausstatterin den Neu- und Umbau ihrer Geschäftsräume im elterlichen Wohnhaus, im bayerischen Unterallgäu. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich etwas traute.
Elisabeth Hofer hat einen gesunden Respekt vor ihren selbst gesteckten Zielen, aber auch die Power, diese zu erreichen. Ihre Ausbildung zur Raumausstatterin absolvierte die heute 39-Jährige zwischen 2002 und 2005 in einem kleinen Familienbetrieb in Memmingen. Als sie nicht Vollzeit übernommen werden konnte, pendelte sie zwischen diesem Betrieb und einem zweiten im benachbarten Kirchheim. 2007 meldete sie parallel ein Kleinunternehmen im Nebenerwerb an.
Dieser zaghafte Schritt in Richtung Selbstständigkeit nahm seinen Anfang mit einer spontanen Kaufentscheidung. „In der Berufsschule haben sie Nähmaschinen ausgetauscht; die alten konnte man günstig erwerben“, erinnert sich Hofer. „Als meine Mutter mich fragte, wo ich die hinstellen wolle, sagte ich, ,Rüber zur Oma!’“ Damit war ein schon seit ein paar Jahren leerstehender Teil des Elternhauses gemeint. Da stand sie nun, die Nähmaschine; eine kleine Werkstatt wurde eingerichtet, Aufträge angenommen und ausgeführt und die wurden immer mehr. Im Jahr 2011 machte Elisabeth Hofer ihren Meister: „Das habe ich für mich gemacht, nicht für den Titel, nicht für einen anderen Stundensatz. Für mich bedeutete dieser Schritt, sich weiterzuentwickeln und nicht stehenzubleiben.“ Da Stillstand nie ihre Sache war, das Jonglieren mit drei Jobs aber irgendwann auch nicht mehr, wechselte sie 2015 in die volle Selbstständigkeit.
Abriss, Neubau, Sanierung
Elisabeth Hofer hat diesen Schritt nie bereut. „Alles ist peu à peu ganz gesund gewachsen. Raum für Raum, bis ich mich im ganzen Haus ausgebreitet habe“, scherzt die Unternehmerin. Irgendwann waren die Räume dann zu klein, die Raumausstattung sollte wachsen. Erste Umbaupläne für eine Expansion mussten verworfen und an Hofers Budget angepasst werden. Die Finanzierung erforderte viel Vorarbeit.
2021 war es dann soweit: Die Eltern zogen vom Erdgeschoss in den renovierten ersten Stock, Elisabeth Hofers Geschäft und Lager wurden auf diverse Außenstellen verteilt. Ein Jahr lang empfing sie Kunden und Kundinnen im Keller ihres Nachbarn. „Ohne die Unterstützung und Hilfe meiner Nachbarn, Freunde und der Familie, wäre ich noch nicht so weit“, beteuert sie. Im Juni 2022 kamen die Bagger und rissen den leerstehenden Teil des Hauses ab. Im Juli folgte die Bodenplatte, dann konnte es losgehen mit dem neuen Anbau für die große Werkstatt, dem Umbau des Erdgeschosses im Bestandsgebäude, das heute Verkaufsraum und Ausstellung beheimatet, dem Durchbruch der beiden Bereiche sowie der energetischen Sanierung des Daches und der Fenster.
Gesellin Nadine Frei beim Polstern. Sie besucht die Meisterschule.
Einen Architekten gab es nicht. „Ich wusste, was ich wollte, und habe das vom Bauzeichner zeichnen lassen. Das war dann der Eingabeplan bei der Gemeinde“, erklärt die Bauherrin. Was sie wollte, war Holz, und zwar komplett. Der Neubau wurde im ökologisch nachhaltigen MHM-System gebaut, also mit Massivholzmauern, ohne Klebstoffe oder chemische Bindemittel. Das Holz der Boden-Deckel-Schalung stammt aus dem familieeigenen Wald. Außen ist eine Holzfaserdämmung angebracht. „Das Raumklima ist gleich ein ganz anderes“, freut sich Elisabeth Hofer. Ursprünglich hatte sie vor, den Bauauftrag zu vergeben, um weiter arbeiten zu können. Als ihr die Firma mitteilte, sie könnten aktuell nur in Stein bauen, erklärte sie das Projekt zur Chefsache. Und er Chef war sie selbst. „Ich habe selbst herumtelefoniert, die Gewerke angerufen, mir Angebote eingeholt. Es war schon herausfordernd, ohne Bauleiter den Bau und die Abläufe zu koordinieren.“
Noch einmal Lehrgeld gezahlt
Missen möchte Elisabeth Hofer diese Zeit nicht. Aber als Fachfremde hat sie auch Lehrgeld gezahlt: „Manches musste ich kurzfristig entscheiden. Rückblickend hätte man hier und da Zeit und Geld sparen können“, meint sie heute. Etwa bei der erst nachträglich angeschafften Photovoltaik-Anlage. „Ich hätte sie gleich realisieren sollen, als das Gerüst stand. Manchmal ist man sich der Tragweite der eigenen Entscheidungen nicht bewusst. Ich habe auch Stufen zwischen dem Anbau und dem Bestandsgebäude einbauen lassen und musste dann den ganzen Hof abtragen und das Gefälle ändern.“ Dafür misst die Deckenhöhe im Anbau jetzt 2,50 m. Diese Höhe braucht sie laut Arbeitsstättenverordnung auch, um Menschen einzustellen. Das ist bereits geschehen: Gesellin Nadine Frei arbeitet in den neuen Räumen und besucht die Meisterschule.
An- und Umbau waren ein Kraftakt, doch die Anstrengungen haben sich gelohnt. Werkstatt und Lager sind 130 ㎡ groß. Laden und Ausstellung sind auf 50 ㎡ gewachsen. Die Überlegung, einen Ladenbauer ins Boot zu holen, hat Elisabeth Hofer verworfen. „Ich habe das selbst gemacht und dabei Bestehendes genutzt.“ Die Sichtbalken, zwischen denen Vorhangmuster präsentiert werden, sind aus dem Holz des abgerissenen Dachstuhls. Der Buffet-Schrank, in dem die Stoffbücher liegen, stand einst in einem Tante-EmmaLaden. Der gemauerte Grundofen funktioniert. Und die alte Werkbank ihres Opas wurde zum Tisch für Planungsgespräche umgebaut.
Upcycling für alte Ölfässer
In den neuen Räumen sind auch Möbel von Elisabeth Hofer zu sehen. Denn neben Polster- und Gardinenarbeiten, innenliegendem Sicht- und Sonnenschutz sowie abgepassten Teppichen verkauft man bei „Raum & Kunst, die kreative Raumausstattung“ auch aus alten Ölfässern gefertigte Sessel. „Es gibt mehrere die das machen. Aber meine sind die einzigen mit gepolsterter Rückenlehne“, so die Upcyclerin stolz.
Auf insgesamt 50 ㎡ zeigt Elisabeth Hofer Stoffe, Teppiche, Sicht- und Sonnenschutz von Lieferanten wie Höpke, Jab Anstoetz, MHZ, Saum & Viebahn oder Sonnhaus.
Die offizielle Eröffnung des Ladens erfolgte am 5. Oktober 2024 mit einem Tag der offenen Tür. Bei dieser Gelegenheit bot die Unternehmerin befreundeten und regionalen Kunsthandwerkern die Möglichkeit, ihre Töpferarbeiten, Trockenblumen und dergleichen zu präsentieren. Beworben wurde das Event in der Unterallgäuer Rundschau und auf Social Media. 500 Menschen kamen. Um sich beraten zu lassen, kommen ihre Stammkunden aus einem Umkreis von 50 km nach Kammlach, einem Ort mit rund 1.900 Einwohnern im schwäbischen Unterallgäu.
Von den neuen Räumlichkeiten sind laut Elisabeth Hofer alle begeistert. „Ich strebe keine weitere Vergrößerung mehr an“, versichert sie. Vom Netzwerken mit Gewerken wie Bodenlegern und Kunsthandwerkern in der Umgebung oder auch davon, irgendwann Workshops anzubieten, träumt sie aber schon. Denn Stillstand ist ihre Sache nicht.
Vorbildlicher unternehmerischer Mut des Jahres 2025