SN-Home - 6/22
So viel Verpackung wie nötig, so nachhaltig wie möglich
Nicht nur Produkte, auch deren Verpackung lässt sich nachhaltig gestalten – von den Rohstoffen bis zur Häufigkeit der Verwendung. Verbraucher goutieren solche Maßnahmen. Und auch im B2B-Geschäft und in der Logistik wird an Verbesserungen gearbeitet.
So gut wie jedes Produkt wird in Deutschland verpackt. Sei es, um die Ware zu lagern und zu transportieren, um sie zu schützen, sie zu portionieren oder zu dosieren, um Informationen für den Käufer darauf zu zeigen oder die Werbung des Anbieters. (Zu den unterschiedlichen Verpackungsarten siehe unten.) Verpackung ist wichtig, ohne sie geht es nicht.
Die Kehrseite der Medaille: Nicht erst seit dem Boom in Onlinehandel wächst und wächst der Müllberg aus Verpackungen – auf 18,9 Mio. t belief sich die Gesamtmenge 2019. Im selben Jahr trat in Deutschland das „Gesetz über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die hochwertige Verwertung von Verpackungen“ in Kraft. Sein Ziel: die Auswirkungen von Verpackungsabfällen auf die Umwelt zu verringern oder ganz zu vermeiden. Dazu werden unter anderem erhöhte Recyclingquoten vorgeschrieben.
Aber Müll ist nicht das einzige Nachhaltigkeitsthema im Zusammenhang mit Verpackungen. Für die Herstellung von Eimern, Kartons, Tüten, Folien, Füllmaterial und Klebebändern werden endliche Rohstoffe und Energie verbraucht, Emissionen entstehen. Höchste Zeit also, dass nicht nur bei den Produkten, sondern auch für deren Verpackung nachhaltige Lösungen entwickelt werden.
Allerdings: Die eine nachhaltige Verpackung, die gibt es nicht. Zu unterschiedlich sind die Produkte, zu individuell die Erfordernisse bei Lagerung und Transport. Daher gilt erst einmal: So viel wie nötig, denn auch für eine nachhaltige Verpackung gelten die funktionalen Anforderungen, etwa den Inhalt zu schützen oder den Transport zu ermöglichen. Und so wenig wie möglich, denn die Reduktion von Material oder Energieeinsatz bei der Herstellung spart nicht nur häufig Kosten, sondern hilft auch bei mehr Nachhaltigkeit.
Weitere nachhaltig wirkende Verbesserungen sind die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen oder Rezyklaten, der Verzicht auf Kunststoffe, die Kompostierbarkeit oder eine erhöhte Recyclingfähigkeit, beispielsweise durch Monomaterialien statt Materialkombinationen. Die Verpackungswirtschaft kann hier bereits Erfolge vorweisen. So wird etwa nach Angaben des Deutsche Verpackungsinstituts (DVI) heute bis zu 80 % weniger Holz für die Herstellung eines Kartons verbraucht als vor 30 Jahren.
Noch eine gute Nachricht: Beim Verbraucher können Handel und Industrie mit Produkten in nachhaltiger Verpackung punkten. Eine repräsentative Umfrage im Auftrag des DVI hat ergeben, dass es lediglich 31 % der Befragten egal ist, ob eine Ware nachhaltig verpackt wird. Immerhin 19 % gaben an, Produkte regelmäßig nicht zu kaufen, wenn die Verpackung nicht nachhaltig ist; bei 50 % ist das „schon vorgekommen“.
Nachhaltig ist eine Verpackung für Konsumenten vor allem dann, wenn sie biologisch abbaubar ist, aus recycelten oder recycelbaren Materialien besteht. Papier und Pappe liegen in der Verbrauchergunst mit 70 % vorn, hat eine Untersuchung der Beratungsfirma Simon-Kucher & Partners ergeben. Bei der kam auch heraus, dass sich lediglich 11 % der Befragten ausreichend zur Nachhaltigkeit von Verpackungen informiert fühlen. Handel und Industrie sollten hier nachbessern, zumal laut Umfrage 83 % auch bereit sind, für eine nachhaltige Verpackung mehr zu bezahlen.
Im B2B-Geschäft spielt bei Verpackungen die Funktionalität eine größere Rolle als im Handel. Das Potenzial für nachhaltige Lösungen ist hier aber genauso groß. Einige Firmen aus der Branche gehen das Thema bereits aktiv an – beispielsweise mit Gebinden aus recyceltem Kunststoff für Farben (Caparol) oder Grundierungen (Uzin Utz) – und kommunizieren das auch nach außen, um sich vom Wettbewerb abzuheben.
Im Bereich Logistik wird ebenfalls an Lösungen aus neuen Materialien gearbeitet, zum Beispiel biobasierte Verpackungen wie Graswellpappe, Folien aus Zuckerrohr oder Füllmaterial aus Maisstärke. Darüber hinaus gehen die Bemühungen gegenwärtig in Richtung Mehrweg statt Einweg. So können wiederverwendbare Faltboxen aus Kunststoff Transportverpackungen aus Pappe oder Folien ersetzen. Livingpackets verspricht, dass seine „Box“ bis 1.000 Mal benutzen werden kann. Werden die Versandtaschen der Firma Repack wie vorgesehen 20 Mal verwendet, spart dies laut Anbieter 80 % an CO
2 gegenüber herkömmlichen Kartons.
Voraussetzung für den Erfolg von Mehrwegsystemen ist einerseits ein hohes Maß an Standardisierung, um Abrechnung und Tausch der Transportverpackungen zu ermöglichen. Andererseits müssen die Verbraucher bereit sein, die Mehrwegverpackungen zurückzugeben anstatt sie einfach wegzuschmeißen.
Thomas Pfnorr
Diese Arten von Verpackungen gibt es
Das Verpackungsgesetz (VerpackG) unterscheidet nach:
• Verkaufsverpackungen als Einheit aus Ware und Verpackung für den Endverbraucher,
• Serviceverpackungen zur Übergabe der Ware an den Endverbraucher, zum Beispiel Tüten,
• Versandverpackungen für den Versand der Ware an den Endverbraucher,
• Umverpackungen, die mehrere Verkaufsverpackungen enthalten,
• Transportverpackungen für den Transport vom Hersteller zum Handel (nicht Container).
Außerdem wird eine Unterscheidung in Einweg- und Mehrwegverpackungen gemacht. Letztere sind dazu bestimmt, nach dem Gebrauch mehrfach zum gleichen Zweck wiederverwendet zu werden. Ihre tatsächliche Rückgabe und Wiederverwendung wird durch eine ausreichende Logistik ermöglicht sowie durch Anreizsysteme gefördert, in der Regel durch ein Pfand.
So wird Ihre Verpackung nachhaltiger
- unnötige Verpackung vermeiden
- Verpackungsgrößen an den Inhalt anpassen
- nach Möglichkeit auf Füllmaterialien verzichten
- Verpackungsgewicht durch leichtere Materialien vermindern
- Verpackung aus umweltschonenden Materialien verwenden
- wiederverwendbare Verpackung einsetzen
- recycelbare Verpackungen verwenden
Onlinehandel nicht sensibel genug für Nachhaltigkeit?
Das EHI Retail Institut hat für seine Studie „Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce 2021“ Onlinehändler nach Optimierungsmaßnahmen bei der Auswahl des Verpackungssystems gefragt. Demnach arbeiten 24 % an der Nachhaltigkeit ihrer Verpackung – immerhin die meistgenannte Maßnahme. Die Vermeidung von Füllmaterial (15 %), Wiederverwendbarkeit/Mehrwegverpackungen (10 %), aber auch optimale Verpackungsgrößen (20 %) gehen in eine ähnliche Richtung. Angesichts der aber doch vergleichsweise niedrigen Prozentzahlen meint Thomas Kempcke, Leiter Forschungsbereich Logistik und Autor der Studie: „Für Onlinehändler spielen ökologische Kriterien wie Nachhaltigkeit generell oder die Wiederverwendbarkeit von Retouren noch nicht die Rolle, die man vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen erwarten könnte.“
Mehr Infos im Internet
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Deutsches Verpackungsinstitut
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Text des Verpackungsgesetzes
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„Aufkommen und Verwertung von Verpackungsabfällen in Deutschland im Jahr 2019“ vom Umwelt Bundesamt