SN-Home - 9/22

Kreislaufwirtschaft ist für die Verbraucher schon ein Thema

Die EU will die Kreislaufwirtschaft zum Standard machen. Das Konsumbarometer 2022 zeigt, in wie weit die europäische Bevölkerung bereits für das Thema sensibilisiert ist, ob sich dadurch das Konsumverhalten ändert und welche Folgen das für den Handel hat.

Ein zentrales Element des European Green Deal (siehe Das kommt auf die Branche zu) ist der Übergang zur Kreislaufwirtschaft. Der Weg dorthin ist noch weit, aber bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern herrscht bereits Problembewusstsein, stellt Consors Finanz/BNP Paribas im Konsumbarometer 2022 – Europa fest. Sie können mit dem Dreiklang aus Reduce, Reuse, Recycle (Müll reduzieren, Produkte weiter-/wiederverwerten, Abfälle recyceln) durchaus etwas anfangen: Über alle 17 betrachteten Länder (siehe „Rahmendaten zur Studie“) haben zwei Drittel der Befragten den Begriff Kreislaufwirtschaft bereits gehört; ein Viertel gibt an, ganz genau zu wissen, was damit gemeint ist. Und 85 % verbinden spätestens nach einer Erläuterung des Konzeptes mit dem Wort etwas Positives.

Kreislaufwirtschaft wird positiv bewertet

Entsprechend positiv sind auch die Erwartungen hinsichtlich der Effekte, die Kreislaufwirtschaft haben kann: Hohe Zustimmungswerte gibt es für den Schutz von Umwelt und natürlichen Ressourcen sowie die Entwicklung innovativer Produkte und Herstellungsprozesse. Und dass ein derartiges Wirtschaftssystem Arbeitsplätze schafft, hält ebenfalls eine große Mehrheit der Europäer für denkbar. Zwar gibt es Bedenken wegen steigender Preise durch kostspielige Recyclingprozesse. Gleichwohl rechnen die Befragten aber damit, dass Kreislaufwirtschaft uns dauerhaft beschäftigen wird: Lediglich 35 % glauben mehr oder minder an einen vorübergehenden Hype.

Von den drei R (Reduce, Reuse, Recycle) bereits praktiziert wird von den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern vor allem das Recycling: Neun von zehn Befragten tun das häufig, die meisten von ihnen auch regelmäßig. 84 % gaben an, Müll zu vermeiden. Und acht von zehn Konsumenten werfen nicht mehr benötigte Produkte nicht einfach weg, sondern lassen sie reparieren, verkaufen oder spenden sie, sodass sie weiterhin benutzt werden können.

Die hohen Werte resultieren offenbar auch aus der Tatsache, dass sich die Menschen insgesamt gut oder sogar sehr gut informiert fühlen, wie sie ihren Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leisten können. Europaweit liegt die Quote bei 59  %, wobei es zwischen den einzelnen Ländern deutliche Unterschiede gibt. Das in der Umfrage häufiger zu beobachtende Gefälle zwischen dem Nordwesten und Osten ist bei dieser Fragestellung jedoch nicht zu beobachten. Zwar sehen sich in Dänemark, Norwegen und Schweden sieben von zehn Befragten gut informiert zum Thema Kreislaufwirtschaft und in Bulgarien nur vier von zehn. Aber in Frankreich und Österreich ist es auch nur die Hälfte.

Bewusster konsumieren, nicht weniger

Das Bewusstsein für die Erfordernisse der Kreislaufwirtschaft führt nicht zwangsläufig zu weniger Konsum. Nur jeder Dritte Teilnehmende an der Umfrage produziert weniger Müll, weil er weniger kauft. Hingegen gaben 60 % an, gleich viel zu konsumieren und den Müllberg dadurch zu reduzieren, dass sie Produkte länger nutzen oder sie weitergeben.

Auch gilt für alle abgefragten Warengruppen: Noch wollen die Menschen Bücher, Toaster oder Smartphones lieber besitzen als sie zu leihen. Bei Möbeln/Einrichtung ist das Verhältnis 90/10, selbst bei Heimwerkergeräten noch 70/30 zugunsten des Kaufens. Schließlich gibt es auch noch eine Reihe von Vorbehalten gegen gebrauchte Produkte. Dabei wird die grundsätzliche Ablehnung etwa aus hygienischen Gründen (26 %) noch von fehlenden Garantien (30 %) übertroffen. Unter diesen Gesichtspunkten muss für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft oder eine Share-Economy noch einiges an Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet werden.

Was die Entwicklung positiv beeinflussen könnte, wären Informationen zu Haltbarkeit und Reparaturfähigkeit von Produkten. Einen entsprechenden Index halten rund 90 % der europäischen Verbraucher für wichtig. Und sie wären auch bereit, mehr Geld für Waren auf den Tisch zu legen, die entsprechend gekennzeichnet sind: 56 % würden etwas mehr bezahlen, 14 % sogar sehr viel mehr.

Thomas Pfnorr


Hier weichen deutsche Konsumenten vom europäischen Durchschnitt ab

Knapp 80 Fragen rund um das Thema Kreislaufwirtschaft wurden im Rahmen des Konsubarometers 2022 gestellt. Dabei bewegten sich die Antworten der deutschen Verbraucher zumeist auf dem Niveau des europäischen Durchschnitts. Abweichungen von mehr als 5 % gab es selten. Hier einige Beispiele:

Die Deutschen sehen Kreislaufwirtschaft hauptsächlich als ein Thema für den B2C-Handel (72 %) und weniger für C2C (28 %), beispielsweise über Plattformen wie Ebay. Europaweit liegen die Werte mit 57 und 43 % enger beieinander. Während 45 % der deutschen Verbraucher meinen, die Kreislaufwirtschaft sei in ihrem Land bereits gut entwickelt, sind es im europäischen Schnitt nur 36 %. In Deutschland (38 %) hat das Recyceln weniger stark zugenommen als insgesamt in Europa (49 %), was aber auch mit den hierzulande bereits vergleichsweise hohen Recyclingquoten zusammenhängen könnte.

Ein Index zur Reparaturfähigkeit ist den Deutschen (80 %) nicht ganz so wichtig wie den Europäern (86 %). Auch ist die Bereitschaft, für Produkte mit Reparatur- oder Haltbarkeitsindex mehr zu bezahlen mit 64 % geringer als im Durchschnitt aller 17 Studien-Staaten (70 %). Insgesamt sind deutsche Konsumenten weniger euphorisch, was das Engagement von Unternehmen hinsichtlich der Rücknahme gebrauchter Produkte angeht.

Gebrauchte Produkte werden in Deutschland eher auf Plattformen (50 %) gekauft als im Handel (30 %), im europäischen Schnitt liegen beide Einkaufsquellen mit rund 40 % gleichauf.


Mit Kreislaufwirtschaft Geld verdienen

Ein unerwartetes Ergebnis des Konsumbarometers 2022 ist die Erkenntnis, dass Verbraucherinnen und Verbraucher Kreislaufwirtschaft nicht nur unter Nachhaltigkeitsaspekten betrachten, sondern auch unter wirtschaftlichen. Käufer von gebrauchten Produkten erhoffen sich dadurch primär, Geld zu sparen (52 %). Umwelt- und Ressourcenschutz (36 %) wird erst an zweiter Stelle genannt. Umgekehrt haben Onlineplattformen wie Ebay den privaten Handel mit nicht mehr benötigten Gegenständen einfach und wegen der großen Reichweite über das Internet auch durchaus lukrativ gemacht. 62 % der Befragten hatten im vergangenen Jahr solche Verkäufe getätigt; bei den unter 35-Jährigen sogar 77 %. Der durchschnittliche monatliche Verdienst lag bei immerhin 77 EUR, in Deutschland bei stolzen 105 EUR.


Rahmendaten zur Studie

Für das Konsumbarometer 2022 – Europa haben zwischen dem 5. und 19. November 2021 mehr als 15.800 Verbraucherinnen und Verbraucher im Alter von 18 bis 75 Jahren an einer Onlinebefragung teilgenommen. Diese Personen wurden aus einer repräsentativen nationalen Stichprobe des jeweiligen Landes ausgewählt: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn.

Neben Aussagen zur allgemeinen Verbraucherstimmung widmet sich die Studie diesmal speziell dem Thema Kreislaufwirtschaft und deren Auswirkungen auf das Konsumentenverhalten. Für ihre Befragung orientierten sich die Macher an der Begriffsdefinition durch die französische Agentur für Umwelt- und Energie (ADEME): „Die Kreislaufwirtschaft ist ein Wirtschaftssystem, in dem Produkte (Waren und Dienstleistungen) in jeder Phase ihres Lebenszyklus so hergestellt und gehandelt werden, dass die Effizienz der Ressourcennutzung erhöht und die Umweltauswirkungen verringert werden, während gleichzeitig das Wohlergehen der Menschen verbessert wird.“

Herausgeber des Konsumbarometers ist Consors Finanz/BNP Paribas.


Mehr Infos im Internet

- Konsumbarometer 2022 – Europa als PDF (in englischer Sprache)
Kreislaufwirtschaft ist für die Verbraucher schon ein Thema
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Europas Verbraucher sind der Kreislaufwirtschaft gegenüber positiv eingestellt.
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Die Mehrheit der Verbraucher würde für Produkte mit Haltbarkeits-/Reparaturindex mehr bezahlen.
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Umwelt- und Naturschutz werden als wichtigster Effekt der Kreislaufwirtschaft angesehen.
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Verbraucher setzen primär auf Recycling.
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Weniger Müll bedeutet nicht zwangsläufig weniger Konsum.
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