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Schritt für Schritt zur Klimabilanz

Wer mit seinem Unternehmen klimaneutral werden möchte, sollte als Grundlage zuerst eine Klimabilanz erstellen. Wir erklären, was das ist und worauf Sie achten müssen.

Die EU soll bis 2050 klimaneutral werden. Spätestens dann dürfen Unternehmen – egal ob aus Industrie, Handel oder Handwerk, egal ob groß oder klein – kein CO2 und andere Treibhausgase (THG) mehr emittieren beziehungsweise müssen für einen entsprechenden Ausgleich sorgen. Noch 28 Jahre, das klingt lang. Aber der Weg bis zur Klimaneutralität ist weit. Oder besser: die Wege. Denn jedes Unternehmen wird seinen eigenen gehen müssen, weil die Voraussetzungen, Notwendigkeiten und Möglichkeiten von Firma zu Firma verschieden sind.

Der erste Schritt aber, der ist für alle gleich: Die Erstellung einer Klimabilanz. Sie zeigt den Status quo: Welche Energie wird wo und in welcher Menge verbraucht; wie hoch ist die daraus entstehende Emissionslast. Das Ergebnis bildet eine der wichtigsten Grundlagen für sämtliche nachfolgenden Maßnahmen und eine sinnvolle Klimastrategie. Denn nur wer weiß, wo er steht, kann erkennen, an welchen Stellen er handeln muss, und die richtigen Instrumente wählen, um das Ziel „null Emissionen“ zu erreichen.

Errechnen statt messen

Eine Klimabilanz befasst sich ausschließlich mit den direkten und indirekten THG-Emissionen aus verbrauchter Energie. Allerdings werden diese in der Regel nicht gemessen, sondern rechnerisch aus dem Energieverbrauch ermittelt. Die Formel lautet:

Menge verbrauchter Energie x Emissionsfaktor des Energieträgers = THG-Emission des Unternehmens/Produktes

Oder konkret am Beispiel von Erdgas:

10.000 kWh x 0,201 kg CO2e*/kWh = 2.010 kg CO2e
* CO2-Äquivalente

Die Emissionsfaktoren für einzelne Energieträger finden Sie in Datenbanken, wissenschaftlichen Publikationen, Veröffentlichungen der öffentlichen Hand oder erhalten sie von Ihrem Energielieferanten.

Grundlagen schaffen

Bevor Sie eine Klimabilanz erstellen, müssen Sie entscheiden, ob Sie das für Ihr Unternehmen beziehungsweise einen einzelnen Standort (englisch: Corporate Carbon Footprint (CCF)) tun wollen oder für ein einzelnes Produkt (Product Carbon Footprint (PCF)). Während der CCF eher auf die eigentliche Produktion sowie vor- und nachgelagerte Stufen fokussiert, bezieht sich die Produkt-Klimabilanz auf eine definierte Nutzeinheit und deren gesamten Lebenszyklus.

Anschließend müssen Sie klären, auf welcher methodischen Grundlage die Bilanzierung erfolgen soll. Für den CCF bieten sich die ISO 14064 (Treibhausgase - Teil 1: Spezifikation mit Anleitung zur quantitativen Bestimmung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen und Entzug von Treibhausgasen auf Organisationsebene) und das Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) an. Beide stimmen in den wesentlichen Teilen überein. Das GHG Protocol gilt international als vorherrschend. Sich bei der Klimabilanz an eine dieser Methoden zu halten, erleichtert nicht nur die Umsetzung, sondern erhöht auch die Aussagekraft gegenüber externen Interessengruppen.

Jetzt werden Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten festgelegt. Können Sie die Bilanz mit eigenen Mitteln erstellen oder benötigen Sie externe Unterstützung? Es gibt zahlreiche Dienstleister, die bei der regelkonformen Bilanzierung helfen.

Systemgrenzen festlegen und Emissionen erfassen

Die eigentliche Klimabilanz beginnt mit der Definition der Systemgrenzen, innerhalb derer die Emissionen ermittelt werden sollen. Dazu zählen der Berichtszeitraum (beispielsweise das Geschäftsjahr), der Geltungsbereich (siehe unten „Scope 1, 2, 3 – wo fallen die Emissionen an?“) und die Möglichkeiten zur Erfassung von Energieverbrauch und THG-Emissionen. Dann werden je nach Geltungsbereich die Emissionsquellen innerhalb und außerhalb des Unternehmens identifiziert und zur Bilanzierung ausgewählt.

Für die Erfassung der Emissionen stehen zwei Methoden zur Auswahl. Vergleichsweise einfach, aber wenig detailliert und damit nur bedingt aussagekräftig ist die Bilanzierung über die finanziellen Ausgaben für Energie. Das GHG Protocol empfiehlt, sich stattdessen den tatsächlichen Verbrauch anzuschauen. Anhand von Abrechnungen, Zählerständen, Daten aus dem Controlling etc. lässt der sich unter Umständen bis zur einzelnen Maschine erheben. Mit diesen genaueren Werten können später die Maßnahmen zur Emissionsreduktion zielgerichteter durchgeführt und deren Erfolg präzise gemessen werden.

Ergebnisse darstellen und kommunizieren

Sind die Energiemengen erfasst, müssen sie nach der oben genannten Formel in CO2-Äquivalente (CO2e) umgerechnet werden. Das geht im Prinzip mit dem Taschenrechner oder einer Exceltabelle. Einfacher ist es mit den Angeboten kommerzieller Dienstleister. Aber es gibt auch kostenfreie Möglichkeiten zur Berechnung der eigenen Treibhausgasemissionen (siehe unten „THG-Emissionen kostenfrei berechnen mit Ecocockpit“).

Damit steht die Klimabilanz. Deren Ergebnisse sollten so detailliert wie möglich dargestellt werden, etwa unterteilt nach den einzelnen Scopes, eventuell heruntergebrochen auf einzelne Segmente, Abteilungen oder Maschinen (siehe Beispiel-Klimabilanz Bild 3). So lässt sich leichter erkennen, wo der größte Handlungsbedarf besteht. Und im Vergleich mit der vorhergehenden Bilanz wird deutlich, wo Erfolge erzielt wurden und wo nicht.

Wer die Klimabilanz auch in der Außendarstellung gegenüber Kunden, Lieferanten oder etwa potenziellen Mitarbeitern nutzen möchte, muss vor allem für Transparenz sorgen. Nur wer nachvollziehbare Zahlen vorlegt, wirkt mit seiner Klimastrategie und Erfolgen glaubwürdig.

Beginnen Sie mit Scope 1 und 2

Mit der Erstellung einer Klimabilanz betreten Firmen in der Regel Neuland. Aber die erste Bilanz muss auch nicht zwingend sämtliche Emissionen enthalten. So schreibt das GHG Protocol lediglich die Erfassung der eigenen Emissionen (Scope 1) und der Emissionen aus zugekaufter Energie (Scope 2) vor. Angaben zu jenen aus vor- und nachgelagerten Stufen (Scope 3) sind freiwillig und ungleich aufwändiger zu ermitteln. Beginnen Sie also mit Scope 1 und 2 und tasten Sie sich nach und nach an eine vollständige Klimabilanz heran, denn die muss das Ziel sein.

Die THG-Bilanz sollte sinnvollerweise am Anfang des Weges zum klimaneutralen Unternehmen stehen. Ohne sie kann es kaum gelingen, eine Klimastrategie und die geeigneten Maßnahmen zur Senkung der Emissionen zu entwickeln. Aber sie ist auch wichtig, um die Fortschritte zu messen, die mit dem Klimamanagement erreicht werden. Deshalb sollte die Bilanz regelmäßig erstellt werden, auch um die eingeschlagene Richtung gegebenenfalls nachjustieren zu können.

Thomas Pfnorr



Scope 1, 2, 3 – wo fallen die Emissionen an?

Die meisten Klimabilanzen unterscheiden heute nach Scope (deutsch: Bereich) 1, 2 und 3. Diese Methode basiert auf den Vorgaben des Greenhouse Gas Protocol, einem weltweit angewandten Standard für die Erstellung von Treibhausgasbilanzen. Scope 1 meint die direkten Emissionen aus Quellen, die vom Unternehmen kontrolliert werden, etwa solche, die beim Betrieb von Heiz- und Klimaanlagen oder durch den Fuhrpark entstehen. Scope 2 bildet die indirekten Emissionen ab, die bei der Produktion eingekaufter Energien wie Strom oder Wärme entstehen. Auf die Bereiche 1 und 2 kann eine Firma direkten Einfluss nehmen. Scope 3 umfasst Emissionen, die durch das Unternehmen verursacht werden, die es aber nicht kontrollieren kann. In der vorgelagerten Wertschöpfungskette sind das zum Beispiel Emissionen bei Herstellung oder Transport von Rohstoffen und Komponenten, aber auch aus der An- und Abfahrt der Belegschaft oder aus Dienstreisen. Und auch nachdem ein Produkt das Werksgelände verlassen hat, entstehen in der Regel weitere Emissionen durch Transport, Gebrauch und Entsorgung.


Die Qualität muss stimmen

Was macht eine gute Klimabilanz aus? Das Deutsche Global Compact Netzwerk stellt in seinem Leitfaden „Einführung Klimamanagement“ fünf qualitative Anforderungen:

Transparenz: Dokumentieren Sie nachvollziehbar Informationen zur Erstellung der Bilanz, der Datenerhebung, den Berechnungsmethoden, Umrechnungsfaktoren, Annahmen oder auch nachträglichen Änderungen.

Relevanz: Zeichnen Sie ein realistisches Bild der gesamten THG-Emissionen. Nur so lassen sich intern wie extern fundierte Entscheidungen fällen, wodurch die Klimabilanz erst ihre Relevanz erhält.

Vollständigkeit: Bemühen Sie sich um eine möglichst vollständige Erhebung der THG-Emissionen innerhalb der gewählten Systemgrenzen. Fehlen Daten, dokumentieren und begründen und Sie dies. Das Ziel sollte eine vollständige Bilanz inklusive Scope 3 sein.

Konsistenz: Neben der Einhaltung festgelegter Systemgrenzen, Standards und Berechnungsmethoden sorgen Sie mit der regelmäßigen Erstellung einer Klimabilanz für Konsistenz in den Ergebnissen.

Genauigkeit: Weil die THG-Emissionen nicht gemessen, sondern errechnet werden, besteht immer ein Unsicherheitsfaktor. Den sollten Sie durch eine hohe Datenqualität und eine angemessene Berechnungsmethodik so gering wie möglich halten.


THG-Emissionen kostenfrei berechnen mit Ecocockpit

Mit den Werten für den Energieverbrauch die Emissionen für das ganze Unternehmen (CCF) oder ein einzelnes Produkt (PCF) kostenlos berechnen: Das geht mit dem Onlinetool der Effizienz-Agentur NRW unter ecocockpit.de. Nach der Anmeldung können Sie Ihre Verbrauchsdaten eingeben, getrennt nach Scope 1, 2 und 3. Die Macher versprechen eine intuitiv zu nutzende Oberfläche, die übersichtliche Darstellung der Ergebnisse und eine normkonforme Klimabilanz. Ergänzt wird das Angebot durch Schulungen zur THG-Bilanzierung und Anwendung des CO2e-Rechners.


Mehr Infos im Internet

- Webseite des Greenhouse Gas Protocol (in englischer Sprache)
- Kostenloser Rechner für THG-Emissionen
- Prozessorientierte Basisdaten für Umweltmanagementsysteme
- „Einführung Klimamanagement“ vom Global Compact Netzwerk Deutschland
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Foto/Grafik: Pixabay/Gerd Altmann
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Foto/Grafik: SN-Verlag
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