SN-Home - 12/23
Nachhaltigkeitsberichte – wie weit ist der Mittelstand?
Die Ausweitung der Nachhaltigkeitsberichterstattung durch die EU ist lange angekündigt. Nach einer Umfrage des TÜV-Verbands haben aber nur 28 % der Mittelständler einen Bericht erstellt, weniger als die Hälfte sich mit der CSRD befasst. Dabei sehen die Befragten durchaus Vorteile in einer Berichtspflicht.
Langsam wird es ernst: Ab 2025 verlangt die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der Europäischen Union, dass kapitalmarktorientierte (außer Kleinstunternehmen) sowie große haftungsbeschränkte Firmen einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Als groß gilt ein Unternehmen, wenn es zwei dieser drei Merkmale erfüllt: Bilanzsumme größer als 20 Mio. EUR, Netto-Umsatz größer als 40 Mio. EUR, mindestens 250 Mitarbeitende. Grundlage der CSRD-Berichterstattung sind die European Sustainability Reporting Standards (ESRS), die sich auch auf Liefer- und Wertschöpfungsketten beziehen. Um die Anforderungen zu erfüllen, werden berichtspflichtige Unternehmen von ihren Lieferanten, Abnehmern und sonstigen Geschäftspartnern entsprechendes Datenmaterial anfordern. Diese tun also gut daran, sich auf entsprechende Anfragen vorzubereiten. Firmen, die selbst bereits einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen – auch wenn sie das rechtlich gesehen gar nicht müssen – sind da klar im Vorteil: Sie dürften viele der notwendigen Daten schon vorliegen haben.
Aber wie weit ist der deutsche Mittelstand beim Thema Nachhaltigkeitsberichterstattung ? Das wollte der TÜV-Verband – selbst Dienstleister in diesem Bereich – genauer wissen und hat beim Marktforschungsinstitut Forsa eine Umfrage in Auftrag gegeben. Geschäftsführer und Verantwortliche für Nachhaltigkeitsberichte von 500 Firmen mit 50 bis 1.000 Beschäftigten aus dem produzierenden Gewerbe, Gesundheits-, Bau-, Verkehrs- und Energiebranche sowie dem Handel wurden dazu befragt.
Vor allem große Firmen erstellen bereits Nachhaltigkeitsberichte
Auf die Frage „Haben Sie in den letzten Jahren, also unabhängig von der neuen Richtlinie, einen Umwelt- oder Nachhaltigkeitsbericht im Unternehmen erstellt?“ antworteten 28 % mit ja. Größere Firmen mit 250 und mehr Beschäftigten haben mit 53 % die Nase klar vorn, während solche mit weniger Personal nur auf 23 % kommen. Beim Blick auf einzelne Branchen schneidet der Handel (22 %) unterdurchschnittlich ab; der Bau liegt zusammengefasst mit Energie und Verkehr bei 30 %. Am weitesten ist die Industrie (inklusive Landwirtschaft und Bergbau) mit immerhin 41 %.
Rund die Hälfte der Firmen (51 %) stützt sich bei ihren Berichten auf bekannte Standards, etwa der Global Reporting Initiative (GRI) oder des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK); 42 % arbeiten ohne solche Hilfsmittel. Umgekehrt lassen 41 % ihren Nachhaltigkeitsbericht von unabhängiger Seite prüfen, während 53 % das nicht tun. Diejenigen, die sich einem Audit unterziehen, erhoffen sich davon in erster Linie eine unabhängige Bewertung und bessere Vergleichbarkeit der Informationen. Auch die gesteigerte Glaubwürdigkeit bei Stakeholdern spielt bei der Entscheidung für eine externe Prüfung eine Rolle.
Interessanterweise veröffentlichen lediglich 60 % ihren Nachhaltigkeitsbericht, entweder separat, als Teil des Geschäftsberichts oder durch gezielte Weitergabe an Interessengruppen. Auch hier liegen große Firmen (72 %) eindeutig vor den kleineren (55 %). Worin die Motivation für oder gegen eine Veröffentlichung besteht, wurde nicht abgefragt.
CSRD für viele noch unbekanntes Terrain
Im zweiten Teil der Umfrage ging es gezielt um die CSRD. Nachdenklich stimmt bereits die Antwort auf die Frage, ob sich das Unternehmen bereits inhaltlich mit den Anforderungen auseinandergesetzt hat: 57 % sagten nein. Gleichwohl findet es eine Mehrheit von 62 % gut, dass die Nachhaltigkeitsberichterstattung einen ähnlichen Stellenwert wie die Finanzberichterstattung bekommen wird.
Die überwiegend positive Einstellung mag damit zusammenhängen, dass sich die Befragten von der Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts eine ganze Reihe von Vorteilen erwarten. Von denen, die zukünftig zur Berichterstattung verpflichtet sein werden und/oder bereits einen Bericht erstellen (296 Firmen), rechnen 75 % mit einer Steigerung der Energieeffizienz, 66 % mit einer Reduzierung des Materialverbrauchs und 65 % mit weniger Abfall. Neben solchen materiellen Aspekten spielen für diese Gruppe „weiche“ Faktoren eine mindestens ebenso große Rolle: Die Imageverbesserung steht mit 88 % ganz oben auf der Liste; in dieselbe Richtung zielen die Stärkung/Verbesserung von Kundenvertrauen und -bindung (64 %) sowie die höhere Attraktivität als Arbeitgeber (59 %). Dass sich Nachhaltigkeit so in die Unternehmensstrategie integrieren lässt, gaben 86 % an.
Firmen fehlt das Know-how
Ob nun berichtspflichtig oder nicht, ob schon aktiv geworden oder noch in Warteposition – für praktisch alle Befragten bedeutet die Erstellung eines Nachhaltigkeitsberichts eine Herausforderung. 92 % verbinden damit hohen bürokratischen Aufwand. 78 % sehen einen Mangel an personellen Ressourcen, 45 % an finanziellen Mitteln. Und offenbar gibt es auch Defizite beim Know-how: Fehlendes Wissen zu Anforderungen und Standards eines Nachhaltigkeitsberichts nennen 70 % als Problem, 64 % wissen nicht, wie sie die Treibhausgasemissionen berechnen sollen, 40 % fehlt es an externer Beratung und Unterstützung.
Doch das Wissen kann man sich aneignen, die Unterstützung holen, gegebenenfalls einkaufen. Die Berichtspflichten im Rahmen der CSRD haben wir in BTH Heimtex bereits in Ausgabe 4/23 thematisiert. Unter der Überschrift
„Vorgaben und Hilfen für Ihren Nachhaltigkeitsbericht“ finden Sie dort auch Informationen zur Global Reporting Initiative und dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex, zwei anerkannten Standards, die Sie kostenfrei für die Erstellung Ihres Berichts nutzen können. Wer nach Dienstleistern sucht, die beim unternehmerischen Klimaschutz behilflich sein können, findet mehr als 100 Anbieter im
„Klimadienstleister-Guide 2023“ aus dem Deutschen Fachverlag. Eine ganze Reihe von (über-)regionalen oder branchenbezogenen Initiativen unterstützt kleine und große Firmen aus Handwerk, Handel und Industrie dabei, nachhaltiger zu werden, Konzepte und Strategien zu entwickeln oder Berichte zu erstellen.
Es lohnt sich, das Thema so früh wie möglich anzugehen. Auch kleinere Unternehmen profitieren von den Erkenntnissen, die aus einem Nachhaltigkeitsbericht entstehen. Und mit seiner Hilfe sind sie sowohl auf rechtliche Änderungen als auch auf CSRD-Anfragen ihrer Lieferanten oder Kunden vorbereitet.
Thomas Pfnorr